Vorwurf Gehorsamsverweigerung als Soldat der Bundeswehr – Vorladung, Anklage, Disziplinarverfahren

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In der deutschen Bundeswehr gibt es rund 180.000 Soldaten, die im In- und Ausland dienen. 

Von ihnen wird im Vergleich zu den meisten Arbeitnehmern eine deutlich gesteigerte Form von Folgsamkeit gefordert. Das Konstrukt der Bundeswehr basiert auf hierarchischen Strukturen und geht deswegen mit Pflichten einher, die das Einhalten dieser Strukturen gewährleisten. Besonders die Umsetzung von erteilten Befehlen ist entscheidend, sowohl für die Funktionsfähigkeit des Militärs sowie für das gegenseitige Vertrauensverhältnis. 

Aus diesem Grund ist die Verweigerung des Gehorsams als Straftatbestand ausgestaltet, sodass ein Verstoß dagegen rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. 


Wer kann sich wegen Gehorsamsverweigerung strafbar machen?

Das Wehrstrafgesetz gilt nach § 1 Abs. 1 WStG grundsätzlich nur für Straftaten, die von Soldaten der Bundeswehr begangen werden. Ergänzend wird der Geltungsbereich auf militärische Vorgesetzte ausgeweitet, die keine Soldaten sind (§ 1 Abs. 2 WStG). 

Es handelt sich dabei um besonderes Strafrecht, welches ausschließlich für Straftaten durch oder gegen deutsche Streitkräfte begangen werden kann. Damit werden besonders schwerwiegende Dienstvergehen geahndet

Soldaten können sich aber nicht nur nach dem Wehrstrafgesetz strafbar machen. Daneben können auch Straftaten aus dem Strafgesetzbuch und anderen Strafgesetzen (z.B. Waffengesetz, Betäubungsmittelgesetz) geahndet werden. 

Die Gehorsamsverweigerung ist geregelt in § 20 Wehrstrafgesetz (WStG). Es handelt sich um eine rein militärische Straftat, die ausschließlich durch Soldaten der Bundeswehr erfüllt werden können. 

Sie steht im Zusammenhang mit den Rechten und Pflichten von Soldaten, welche in dem Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) enthalten sind.  

Damit soll die Disziplin aufrechterhalten werden und zugleich die Schlafkraft und Einsatzbereitschaft der Truppe

Gehorsam ist eine der Pflichten von Soldaten, welche sich aus § 11 des Soldatengesetzes ergibt. Darin ist geregelt, inwieweit Soldaten Befehle befolgen müssen, insbesondere auch, unter welchen Umständen dies nicht der Fall ist. 


Wer ist „Soldat“ und wer ist „Vorgesetzter“ im Sinne des Wehrstrafgesetzes?

Der Begriff „Soldat“ ist in § 1 Abs. 1 S. 1 Soldatengesetz (SG) definiert. Es handelt sich um eine Person, die auf Grund der Wehrpflicht oder einer freiwilligen Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. 

Vorgesetzter“ ist nach § 1 Abs. 3 S. 1 SG, wer dazu befugt ist, einem Soldaten Befehle zu erteilen. Durch die Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses (Vorgesetztenverordnung (VorgV)) wird bestimmt, wem diese Befugnis zuteilwird. 

Zu den Pflichten gehört unter anderem die Durchsetzung von Befehlen (§ 10 Abs. 5 SG). 


Wann macht ein Soldat der Bundeswehr sich wegen Gehorsamsverweigerung strafbar?

§ 20 Abs. 1 WStG sieht zwei verschiedene Tatvarianten der Gehorsamsverweigerung vor.

  • Zum einen wird die Auflehnung gegen einen Befehl mit Wort oder Tat (Nr. 1) bestraft und 
  • zum anderen das Beharren auf der Nichtverfolgung, nachdem der Befehl wiederholt wurde (Nr. 2). 

Beide haben gemeinsam, dass ein Befehl verweigert wird. 


Wann wird ein Befehl verweigert?

Ein Befehl ist eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten in Form von einem Ge- oder Verbot, welche ein militärischer Vorgesetzter gegenüber einem Untergebenen erteilt. Dies kann schriftlich, mündlich oder in anderer Weise (z.B. Winken oder Pfeifen) erfolgen und muss erkennen lassen, dass Gehorsam eingefordert wird. Der Vorgesetzte muss dafür deutlich machen, dass die Gehorsamspflicht im Notfall durch eine Drohung mit disziplinarrechtlichen Konsequenzen durchgesetzt wird. 

Die Durchsetzung von Befehlen ist die Pflicht des Vorgesetzten (§ 10 Abs. 5 SG), während die Soldaten zu Gehorsam verpflichtet sind (§ 11 SG). Dafür muss es sich unverkennbar um einen Befehl mit Anspruch auf Gehorsam handeln.  


Verweigern bedeutet, dass ein Soldat gegenüber einem Vorgesetzten entschieden zu erkennen gibt, dass er nicht gewillt ist, dem Befehl Folge zu leisten. 

Daraus ergibt sich zugleich, dass es nicht erforderlich ist, dass der Befehl tatsächlich nicht ausgeführt wurde. Ebenso ist bloßes Nichtbefolgen keine Gehorsamsverweigerung. 


Die Tathandlung der „Auflehnung“ (Nr. 1) erfordert, dass der Soldat seine Verweigerungshaltung bezüglich des Befehls zum Ausdruck bringt. Dies kann durch Umstände wie Gesichtsausdrücke oder Gesten, den Tonfall oder gegenteiliges Handeln geschehen. 

Es reicht nicht, dass im Freundes- oder Kameradenkreis gemeckert wird, vielmehr muss die Auflehnung gegenüber dem befehlenden Vorgesetzten geschehen. 

Die Gehorsamsverweigerung ist mit der Auflehnung gegen den Befehl bereits erfüllt, es handelt sich nicht um eine bloß versuchte Straftat. 


Ein Soldat beharrt darauf, einen Befehl trotz Wiederholung nicht zu befolgen (Nr. 2), wenn er einen Befehl nicht ausführt, ohne sich gegen ihn aufzulehnen und ihm nach erneuter Anweisung nicht nachkommt. 


Welche Strafe droht für Gehorsamsverweigerung?

Das Gesetz sieht für Gehorsamsverweigerung eines Soldaten eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. 

Dem Gericht wird in § 20 Abs. 2 WStG die Möglichkeit eingeräumt, von der Strafe abzusehen. Es besteht aber keine Verpflichtung, dies bei Vorliegen der Voraussetzungen zu tun. 

Ein Absehen von der Bestrafung wegen Gehorsamsverweigerung ist dann möglich, wenn ein Soldat sich zunächst gegenüber einem Befehl verweigert, der erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgeführt werden muss, sofern er schlussendlich rechtzeitig und freiwillig befolgt wird. 

Darüber hinaus können in engen Grenzen zusätzlich disziplinarrechtliche Konsequenzen erfolgen.  


Welche Grenzen hat die Gehorsamspflicht der Soldaten?

In der heutigen Zeit wird bei der Bundeswehr kein bedingungsloser Gehorsam mehr gefordert. Stattdessen soll dieser geprägt sein von Mitdenken sowie Bedenken der Folgen der Befehlsausführung. 

Dementsprechend gibt es Grenzen hinsichtlich der Gehorsamspflicht. 

Vorgesetzte müssen bei der Erteilung von Befehlen insbesondere völkerrechtliche Regeln und Gesetze beachten und dürfen diese nur zu dienstlichen Zwecken erteilen (§ 10 Abs. 4 SG). Bei Beachtung dieser Vorgaben handelt es sich um rechtmäßige Befehle, welche für die Soldaten verbindlich sind und damit befolgt werden müssen. 

Unverbindliche Befehle müssen dagegen nicht befolgt werden. Solche liegen vor, wenn sie die Menschenwürde verletzen oder zu nicht-dienstlichen Zwecken erteilt wurden (§ 11 Abs. 1 S. 3 SG). 

Sogenannte „rechtswidrige Befehle“ dürfen Soldaten nicht befolgen, d.h. wenn dadurch eine Straftat begangen würde (§ 11 Abs. 1 S. 1 SG). 


Welches Gericht ist bei Straftaten von Soldaten zuständig?

In Deutschland gibt es keine Strafgerichte, die ausschließlich für die Strafsachen von Soldaten zuständig sind. 

Im Grundgesetz (Art. 96 Abs. 2 GG) ist die Möglichkeit verankert, dass Wehrstrafgerichte errichtet werden können. Davon ist bisher jedoch kein Gebrauch gemacht worden. 

Die Strafverfolgung und der Strafprozess richten sich nach den allgemeinen Regelungen der Strafprozessordnung. Örtlich richtet sich die Zuständigkeit des Gerichtes daher in der Regel nach dem Tatort oder Wohnort des angeschuldigten Soldaten. 

Eine Ausnahme gilt lediglich für Straftaten, die von deutschen Soldaten während eines Auslandseinsatzes begangen wurden. Für diese Fälle wurde im Jahre 2013 die bundesweite Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Kempten und auch die örtliche Zuständigkeit der Gerichte in Kempten begründet (vgl. § 11a StPO). 

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