Wann sollte man am besten die Scheidung einreichen?

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Sie sind sich sicher: Ihre Ehe soll geschieden werden. Aber wann reicht man eigentlich den Antrag beim Gericht ein? Mit dieser Frage stehen Sie nicht alleine da, denn für den Scheidungsantrag müssen Sie vor Gericht ohnehin anwaltlich vertreten werden. Ihr Anwalt wird Sie für Ihren individuellen Fall beraten, wann der richtige Zeitpunkt ist. Ebenso sollte geklärt werden, wer die Scheidung am besten einreichen sollte und welche Vor- bzw. Nachteile es für den Antragsteller bzw. -gegner gibt. In diesem Beitrag erhalten Sie einen Überblick, welche Faktoren dabei Dauer sowie Kosten des Verfahrens beeinflussen.

Zu welchem Zeitpunkt die Scheidung einreichen?

Wer sich damit beschäftigt, wann der richtige Zeitpunkt für den Antrag ist, muss unterscheiden zwischen den Zeitpunkten

  • wann es rechtlich frühestens möglich ist und
  • wann es strategisch am sinnvollsten ist,

die Scheidung einzureichen. Rein rechtlich betrachtet sollten die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ehescheidung erfüllt sein, bevor der Antrag eingereicht wird: Der Ablauf des Trennungsjahres ist im Regelfall Voraussetzung für die Scheidung. So soll verhindert werden, dass Ehepaare sich voreilig scheiden lassen. Erst wenn ein Ehepaar die Trennung von Tisch und Bett ein Jahr lang eingehalten hat und die Ehe als endgültig zerrüttet ansieht, soll das Gericht die Scheidung beschließen.

Doch nur weil das Trennungsjahr bereits abgelaufen und es somit rechtlich möglich ist, sich scheiden zu lassen, ist das nicht unbedingt auch strategisch der beste Zeitpunkt im Einzelfall. Hierbei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, z.B. ob eine einvernehmliche Scheidung möglich ist.

Unterhalt und Sorgerecht vor der Scheidung außergerichtlich klären

Gerichts- und Anwaltskosten fallen für jede Scheidung an. Deren Höhe richtet sich nach gesetzlichen Vorgaben und ist für jede Scheidung individuell zu ermitteln – mit ein paar Tipps lässt sich dennoch einiges an Geld sparen. Zum Beispiel, indem Sie sich darum bemühen, die rechtlichen Folgen der Scheidung außergerichtlich zu klären. Dazu zählen etwa

  • Aufteilung des Hausrats,
  • Ausgleich des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens,
  • Rentenansprüche,
  • Unterhalt,
  • sowie Sorge- und Umgangsrecht für gemeinsame Kinder.

Bevor Sie die Scheidung einreichen, sollten Sie sich über diese sowie weitere für Sie relevante Folgen informieren und versuchen, sich mit Ihrem Noch-Ehepartner zu einigen. Jeder Streitpunkt, der vor Gericht ausgetragen wird, zieht das Verfahren schließlich in die Länge und verursacht zusätzliche Kosten. Vielleicht haben Sie bereits vorgesorgt und einen Ehevertrag geschlossen. Wenn nicht, können Sie dies nun mit der so genannten Scheidungsfolgenvereinbarung nachholen. Lassen Sie diese notariell beurkunden, ist sie rechtlich bindend und kann zur Not zwangsweise durchgesetzt werden. Sofern Kompromisse bei Ihnen noch möglich sind, gilt also: Erst Scheidungsfolgen klären, dann die - nunmehr einvernehmliche - Scheidung einreichen.

Kann man die Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres einreichen?

Im Grundsatz ist dies wie erläutert nicht vorgesehen, in der Praxis sieht das meist aber anders aus. Denn: Aufgrund der Bearbeitungszeit, die je nach Auslastung des Gerichts mal kürzer, mal länger ausfällt, vergehen in der Praxis einige Wochen oder Monate zwischen Einreichung des Scheidungsantrags, der Ladung zum Gerichtstermin und dessen Durchführung – selbst bei einer einvernehmlichen Scheidung. Daher ist es durchaus gängig, die Unterlagen bereits kurz vor Ablauf des Trennungsjahres fertig zu stellen und etwas früher einzureichen.

Aber Achtung: Ein deutlich verfrüht gestellter Antrag kann dazu führen, dass das Gericht diesen kostenpflichtig zurückweist und Sie die Scheidung erneut beantragen müssen. Ihr Rechtsanwalt bzw. Ihre Rechtsanwältin wird Sie beraten und auf dieses ggf. bestehende Risiko hinweisen.

Eine Ausnahme von der Einhaltung des Trennungsjahres besteht bei so genannten Härtefällen. Dabei handelt es sich um Situationen, in denen es dem antragstellenden Ehepartner nicht zuzumuten ist, diesen Zeitraum abzuwarten und so lange noch weiter verheiratet zu sein. Typische Fälle betreffen

  • häusliche Gewalt,
  • anhaltenden Alkohol- und Drogenmissbrauch
  • oder eine außereheliche Beziehung mit Schwangerschaft.

Härtefallscheidung vor Ablauf des Trennungsjahres beantragen

Wer davon betroffen ist, kann die Scheidung bereits während des Trennungsjahres einreichen und vorzeitig geschieden werden. Der Härtefall ist allerdings zu benennen und nachzuweisen. Sollte es problematisch sein, den Härtefall zur Überzeugung des Gerichts darzulegen und zu beweisen, wird Ihre anwaltliche Vertretung mit Ihnen abwägen, ob Sie diesen Versuch wagen oder doch lieber das Trennungsjahr abwarten sollten. Letzteres ist eher zu empfehlen, wenn absehbar ist, dass sich das Verfahren ansonsten ohnehin so lange hinziehen würde, dass das Trennungsjahr sicher abgeschlossen wäre.

Wenn Sie sich trotz Härtefall aus strategischen Gründen dafür entscheiden, die Scheidung erst kurz vor oder nach Ablauf des Trennungsjahres einzureichen, hat dies folgende Vorteile:

  • Sie müssen den Härtefall nicht nachweisen. Der Grund für die Scheidung spielt keine Rolle und wird auch nicht erfragt.
  • Sie ersparen sich ein längeres und wahrscheinlich psychisch belastendes Verfahren, bei dem Sie unter Druck stehen, Beweise für den Härtefall zu erbringen.
  • Es fallen keine höheren Scheidungskosten dadurch an, dass ggf. weitere Termine in der Kanzlei oder vor Gericht nötig sind, anwaltliche Schreiben mit der Gegenseite ausgetauscht werden oder Gutachten eingeholt werden müssen.

Keine Sorge: Auch wenn Sie das Trennungsjahr noch abwarten, steht natürlich Ihre Sicherheit sowie die Ihrer Kinder an erster Stelle, wenn Sie von häuslicher Gewalt betroffen sein sollten. Auf die verschiedenen Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz, wie etwa die Zuweisung der Ehewohnung, dürfen und sollten Sie dennoch zurückgreifen, um sich zu schützen.

Wer sollte die Scheidung einreichen?

Eng an die Frage des „Wann?“ ist die des „Wer?“ geknüpft. Sollten Sie lieber selber aktiv werden, doch dem Ehepartner den Vortritt lassen oder spielt das am Ende gar keine Rolle? Wie immer kommt es auf die Umstände im Einzelfall an.

Nachteile, wenn man selbst die Scheidung einreicht

Wenn Sie selber die Scheidung einreichen, ist Folgendes zu beachten:

  • Als Antragsteller müssen Sie in Vorleistung treten und den Gerichtskostenvorschuss zahlen. Nur nach erfolgter Zahlung wird der Antrag an den Ehepartner zugestellt und das weitere Verfahren in die Wege geleitet. Tipp: Bei geringem Einkommen beider Ehepartner können Sie Verfahrenskostenhilfe beantragen. Verdient Ihr Ehepartner mehr als Sie, haben Sie Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegen ihn bzw. sie.
  • Da Sie den Rechtsanwalt beauftragen, haben Sie die anwaltlichen Kosten zu tragen. Tipp: Lassen Sie sich bzgl. einer Kostenteilungsvereinbarung mit dem Ehepartner beraten!

Vorteile, wenn man selbst die Scheidung einreicht

Wenn Sie selber die Scheidung einreichen, hat dies folgende Vorteile:

  • Sie bestimmen über den Zeitpunkt. Damit sind Sie nicht nur emotional auf das Verfahren eingestellt, sondern beeinflussen auch den Stichtag für Zugewinn- und Versorgungsausgleich. Dieser richtet sich nämlich nach dem Tag der Zustellung des Scheidungsantrags an den Ehepartner.
  • Sobald die Scheidung bei dem Gericht beantragt ist und dieses sich des Verfahrens angenommen hat, steht das Gericht fest – sollte etwa bei Auslandsbezug noch ein anderes Gericht in Frage kommen und der Ehepartner dort einen Antrag stellen, wird dieses darauf verweisen, dass bereits ein Verfahren vor einem anderen Gericht läuft.
  • Sie sind auf jeden Fall anwaltlich vertreten und müssen sich nicht mehr auf die Suche nach einem Rechtsanwalt begeben, falls Sie während des Verfahrens doch noch einen benötigen.

Als Antragsgegner eigene Anträge stellen?

Vielleicht sind Sie in der Situation, dass Ihr Ehepartner die Scheidung bereits eingereicht hat. Was bedeutet das für Sie und wann lohnt sich ein eigener Antrag? Wenn Sie mit der Scheidung einverstanden sind, müssen Sie im Grunde keine eigene anwaltliche Vertretung beauftragen und auch keine eigenen Anträge stellen. In bestimmten Fällen sichern Sie sich auf diese Weise jedoch ab, z.B. wenn

  • Sie mit der Scheidung (zum jetzigen Zeitpunkt) nicht einverstanden sind,
  • Sie die Scheidungsfolgen anders regeln möchten oder weitere Anliegen haben, die vor Gericht zu klären sind,
  • oder Sie befürchten, dass der Ehepartner den Antrag wieder zurücknehmen könnte und dadurch ein komplett neues Verfahren nötig wäre.

Fazit

Wenn Sie sich unsicher sind, ob Sie die Scheidung als Antragsteller schon einreichen, als Antragsgegner auf einen zugestellten Scheidungsantrag reagieren sollten oder noch Scheidungsfolgen außergerichtlich zu klären sind, können Sie sich vertrauensvoll an uns wenden. Gerne beraten wir Sie, wann in Ihrem konkreten Fall der beste Zeitpunkt für den Scheidungsantrag ist und vertreten Sie in dem gerichtlichen Verfahren.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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