Wann und bei wem wirkt einrichtungsbezogene Impfnachweispflicht nach § 20a Infektionsschutzgesetz?

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Der Gesetzgeber hat mit § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) – genau genommen - keine Impfpflicht im eigentlichen Sinn kreiert, sondern eine sogenannte Immunitätsnachweispflicht. Mitarbeiter der in § 20a Abs. 1 IfSG genannten Einrichtungen oder solche, die in diesen beschäftigt werden sollen (zu denen wohl auch Hilfsdienstleistungen wie Reinigungsservice etc. gehört), sind nicht gesetzlich per se verpflichtet, sich gegen Covid 19 impfen zu lassen, sondern dürfen nur noch beschäftigt werden, soweit sie den Nachweis der Impfung, der Genesung oder der Unverträglichkeit einer Impfung erbringen können. Der Unterschied zur Impfpflicht besteht u.a. darin, dass Sie sich nicht grundsätzlich gesetzeswidrig verhalten, wenn Sie sich nicht impfen lassen, sondern nur ggf. nicht mehr beschäftigt werden dürfen.

Niemand wird  durch diese Norm - direkt - zur Impfung gezwungen, sondern allenfalls (was die Sache nicht wirklich besser macht) "sanft gedrängt", was ich persönlich als einen nicht gerechtfertigten Grundrechtseingriff bei Berücksichtigung der Wirksamkeit des Impfstoffes und des fehlenden Schutzes vor Ansteckung anderer durch die Impfung beurteile. Ich halte diese Norm daher für verfassungswidrig, aber bis zu deren Feststellung für grundsätzlich anwendbar. 

Dies möchte ich ausdrücklich als persönliche Erklärung vorausschicken, was ich nachzusehen bitte.

Obwohl die Norm an sich eine Unterscheidung zwischen Mitarbeitern, die vor dem 15.03.2022 ihre Tätigkeit aufgenommen haben und solche, die dies nach dem 15.03.2022 getan haben, nicht enthält, verweist das FAQ des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) unter Ziff. 17 auf eine solche Unterscheidung.

Es ist irritierend (um mich vorsichtig auszudrücken), dass Gesetze nunmehr durch „Anwendungshinweise“ der Ministerien verändert, ausgelegt oder interpretiert werden.

Im Bundesgesundheitsministerium leitet man dies offensichtlich aus der unterschiedlichen Formulierung in den Absätzen 2 und 3 in § 20a IfSG her, ohne dass es nach dem Wortlaut zu entnehmen wäre:

1.         Personen, die bis 15.03.2022 eingestellt waren

Diese Personen sollen den Impf- Genesenen oder Unverträglichkeitsnachweis im Sinne von Abs. 2 S. 1 Ziff. 1-3 bis spätestens 15.03.2022 ihrer Einrichtung vorlegen. Die Einrichtung wiederum soll dem Gesundheitsamt die „personenbezogenen Daten“ übermitteln, soweit der Nachweis nicht erbracht wird. Ein unmittelbar geltendes Tätigkeits- oder Betretungsverbot soll nach den FAQs für diese Personen zunächst nicht gelten, soweit und in dem Umfang das Gesundheitsamt ein solches Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot nicht ausdrücklich ausgesprochen hat. Dies ergibt sich zwar aus der gesetzlichen Regelung an sich nicht, jedoch aus dem beigefügten FAQ des Bundesgesundheitsministeriums. Insoweit sollte man aber bedenken, dass das Ministerium die FAQs jederzeit „geräuschlos“ ändern kann, man die Äderung – anders als bei Gesetzesänderungen – nur eher Zufällig durch einen „vorher-nachher-Vergleich“ erhält.

In der gesetzlichen Norm des Absatz 2 an sich ist weder ausdrücklich geregelt, dass diese Personen zunächst weiter beschäftigt werden dürfen, ebenso wenig, dass diese nicht weiter beschäftigt werden dürfen, ebenso wenig wie eine ausdrückliche Ermächtigung des Gesundheitsamtes, ein Betretungsverbot auszusprechen. Eine solche Ermächtigung ergibt sich nur aus Abs. 5 S. 3, aber eben nur im dortigen Fall (Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit der vorgelegten Atteste), nicht für den Fall des Absatz 2. Auf welcher Grundlage die Gesundheitsämter in einem solchen Fall Betretungs- oder/und Tätigkeitsverbote aussprechen wollen, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Ein ausdrückliches und automatisches Tätigkeitverbot findet sich in Absatz 3 Satz 3 und 4, welches nach dem Normtext für alle Mitarbeiter gelten solle, „die ab 16.03.2020 in den benannten Einrichtungen tätig werden sollen“, woraus man schlussfolgern sollte, dass dies für alle gilt, die ab 16.03.2022 dort Arbeiten verrichten (weil "tätig werden" etwas anderes als "neu eingestellt werden" sein sollte). Das BMG möchte diese – von ihr selbst formulierte – Regelung nunmehr aber offensichtlich so verstanden wissen, dass dieses automatische Verbot nur für die Personen gelten solle, die nach dem 15.03.2022 erstmals ihre Tätigkeit beginnen/aufnehmen. Warum man das dann nicht im Gesetz so formuliert hat, weiß ich nicht. Der Gesetzeswortlaut gibt dies – meiner Meinung nach – so nicht her.

Für die Arbeitgeber bedeutet dies jedoch zunächst einmal, dass er sich ohne Schuldvorwurf auf Ziff. 17 des FAQ des Bundesgesundheitsministeriums verlassen kann, soweit und in dem Umfang dies unverändert verbleibt, dass er– ohne ausgesprochenes Betretungs- und Tätigkeitsverbot durch das Gesundheitsamt - diese Mitarbeiter (Beschäftigte mit Einstellung vor dem 16.03.2022) weiterbeschäftigen darf, die einen solchen Nachweis nicht bringen, soweit der Arbeitgeber das Nichtvorliegen der Nachweise dem Gesundheitsamt ordnungsgemäß angezeigt hat.

Für die Mitarbeiter der Einrichtung bedeutet dies, dass die Arbeitgeber sie grundsätzlich weiterbeschäftigen darf, wenn sie die Nichtvorlage der Atteste dem Gesundheitsamt angezeigt haben und von diesem ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot nicht ausgesprochen wurde.

Wiederum bedeutet dies allerdings auch, dass Arbeitgeber wohl die ordnungsgemäß angebotene Arbeitsleistung dieser Arbeitnehmer ohne durch das Gesundheitsamt ausgesprochenes Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot nicht ablehnen dürfen, mithin der Mitarbeiter einen Beschäftigungsanspruch – widrigenfalls einen Verzugslohnanspruch – hat.

2.         Mitarbeiter, die nach dem 15.03.2022 ihre Tätigkeit aufnehmen 

Hier vermerkt sowohl das Gesetz in Abs. 3 als auch die FAQs des BMG, dass die betroffene Einrichtung den Mitarbeiter nicht beschäftigen darf - unabhängig von einer vorherigen Entscheidung des Gesundheitsamtes. Insoweit gibt es ein gesetzliches Tätigkeitsverbot mit der Folge, dass der Arbeitgeber oder der Träger der Einrichtung bei externen Kräften, die in der Einrichtung tätig sind, diese nicht tätig werden lassen dürfen, auf der anderen Seite der Arbeitnehmer auch keinen Tätigkeitsanspruch hat - mit der Folge, dass der Beschäftigte keine Vergütung und keinen Verzugslohn beanspruchen kann.

Das Bundesgesundheitsministeriums leite dies wohl aus der Formulierung des Abs. 3 her, dass dieser Absatz nur für die Mitarbeiter gelte, die ihre Tätigkeit nach dem 15.03.2022 erstmals beginnen. Dies halte ich zwar für falsch, da in der Norm steht „ab dem 16.03.2022 tätig werden sollen.“, jedoch entspricht dies der Lesart des Ministeriums (und wohl auch des Sächsischen Gesundheitsministeriums). Der Arbeitsrechtler unterschreitet die Einstellung (erstmaliger Beginn der Tätigkeit) und der Tätigkeit an sich. Dass man aus der Formulierung „Personen, die in den in Abs. 1 S. 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen ab dem 16.03.2022 tätig werden sollen…“ die Schlussfolgerung ziehen soll, dass dies nur auf Personen anwendbar sei, die ab dem 16.03.2022 eingestellt worden sind, ist nicht so recht nach vollziehbar und durchaus verblüffend.

Aber auch insoweit gilt, dass sich alle Arbeitgeber verschuldensbefreiend auf die Auslegung der FAQ des Bundesgesundheitsministeriums berufen können.

Daher gilt Abs. 3 (automatisches Tätigkeitsverbot) jedenfalls und unabänderlich für die Arbeitnehmer, die nach dem 15.03.2022 ihre Tätigkeit erstmals „aufnehmen werden“.

3.         Personen, deren Nachweis nach dem 15.03.2022 seine Gültigkeit verliert 

Insoweit verweist FAQ Nr. 18 des Bundesministeriums für Gesundheit darauf, dass diese Mitarbeiter zunächst einen Monat Zeit haben, einen neuen und gültigen Nachweis für eine der drei genannten Ausnahmen (Impfung, Genesung oder Unverträglichkeit) vorzulegen. Erfolgt dies innerhalb eines Monats nicht, ist offensichtlich so zu verfahren, wie bei Mitarbeitern, die vor dem 16.03.2022 bereits beschäftigt waren, aber einen solchen Nachweis am 15.03.2022 nicht vorlegen konnten (Meldung an das Gesundheitsamt und Abwarten der dortigen Entscheidung).

Diese FAQs bieten daher Arbeitgebern und den Gesundheitsämtern einen sehr weiten Gestaltungspielraum, jedenfalls was die Mitarbeiter betrifft, die bereits vor dem 16.03.32022 dort tätig waren. Dieser sollte auch – im Interesse der fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort sowie auch im Interesse der zu betreuenden und zu pflegenden Personen – bis zur letzten Kante ausgenutzt werden.

Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung.


Karsten Zobel

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

www.kanzlei-frauenkirche.de


Foto(s): Karsten Zobel

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