Was man aus dem Hoeness-Urteil lernen kann - Anleitung zur Vermeidung einer unwirksamen Selbstanzeige

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Die am 30.10.2014 veröffentlichte Begründung des „Hoeness-Urteils“ des Münchener Landgerichts bestätigt vieles, was vorher bereits vermutet oder in Teilen bekannt war.

Dabei zeigt das Gericht eine ganze Reihe markanter Punkte auf, die vor Abgabe einer Selbstanzeige unbedingt beachtet werden sollten, um unnötige Risiken zu vermeiden. Stellt sich die Selbstanzeige – wie im Fall Hoeness – nachträglich als unvollständig heraus, droht erhebliches steuerstrafrechtliches Ungemach bis hin zu langjährigen Haftstrafen, wie sich nun gezeigt hat.

Was also hält die Urteilsbegründung an Erkenntnissen für Anzeigewillige und deren Berater bereit?

1. Offensichtliche Ungereimtheiten vermeiden

a) Jahresend- und Jahresanfangsbestände klären

Das Landgericht führt beispielsweise aus:

„Zu Recht waren die Gesamterfolgstabellen mit einem Warnhinweis („Disclaimer“) versehen. In der Tabelle zu Konto 001 stimmten die Jahresendvermögen 2006 bzw. 2008 nicht mit den Jahresanfangsvermögen 2007 bzw. 2009 überein, ohne dass dies erklärt oder belegt war.

Auch die ausgewiesenen Gesamterfolge für die Jahre 2009 bis 2012 stimmten nicht mit dem Ergebnis einer Berechnung des Gesamterfolgs nach der angegebenen Formel überein (…).“

Das Jahresendvermögen eines Kontos, das z.B. am 31.12.2008 mit einem Betrag von € 10,0 Mio. ausgewiesen ist, muss zwangsläufig auch am 01.01.2009 einen Betrag von € 10,0 Mio. ausweisen. Gibt es hingegen Abweichungen zwischen dem Jahresendbestand des Vorjahres und dem Jahresanfangsbestand des Folgejahres legt dies zwingend den Schluss nahe, dass einer der beiden unterschiedlichen Beträge unzutreffend sein muss.

Werden von der sich selbst anzeigenden Person Berechnungen angestellt, die im Ergebnis von den eingereichten Belegen (Erträgnisaufstellungen, Kontoauszüge) abweichen, ohne dass dies bis ins kleinste Detail erläutert wird, werden zusätzliche Fragen eröffnet, die ansonsten eventuell gar nicht gestellt worden wären.

Jede solche Ungereimtheit erregt jeweils die Aufmerksamkeit der Finanzbeamten und muss zwangsläufig zu Rückfragen und weiteren Nachforschungen führen. Daher sollten alle eingereichten Unterlagen strikt auf Plausibilität und Nachvollziehbarkeit hin überprüft werden, bevor die Selbstanzeige eingereicht wird.

b) Vermögensverhältnisse vorher klarstellen

Ebenso konstatiert das Landgericht wie folgt:

„Mit Schreiben vom 20.02.2013 teilte die Bank A AG schließlich mit, der am 16.01.2013 übermittelte Vermögenswert könne nicht als Grundlage für die Besteuerung von positiven oder negativen Werten verwendet werden.

Bei Würdigung nur dieser Werte konnte die Kammer daher nicht zweifelsfrei feststellen, dass diese lediglich existierende Eigenmittel des Angeklagten widerspiegelten. Genauso möglich war es, dass darin Fremdmittel in erheblicher Höhe enthalten waren.“

Auch hier zeigt sich, dass jede nachträglich erforderlich werdende Klarstellung oder gar Korrektur zuvor mitgeteilter Sachverhaltsangaben die Annahme einer vollständigen – und somit strafbefreienden – Selbstanzeige fast zwangsläufig unmöglich macht.

c) Erläuterungsbedürftige Zahlen erklären

Des Weiteren stellt das Gericht fest:

Zwar lagen der Selbstanzeige vom 17.01.2013 elf Belege für Zu- und Abflüsse (…) bei. Jedoch enthielt die Selbstanzeige hinsichtlich der Abflüsse (…) keine Erklärung.

Erst mit Schreiben vom 20.02.2013 teilte die Bank (…) mit, dass es sich hierbei um Rückzahlungen von Fremdmitteln und die Zahlung von Zinsen hieraus handelte.“

Auch hier zeigt sich, dass die Einreichung von unkommentierten Belegen u.U. nachteiliger sein kann, als die bloße Angabe zunächst zu hoch geschätzter Werte, die nachträglich lediglich konkretisiert werden.

Im Fall Hoeness ist durch die nachträglichen Richtigstellungen der zwangsläufige Eindruck entstanden, dass die zunächst mitgeteilten Informationen in wesentlicher Hinsicht unzutreffend gewesen sind. Dies hat dem Gericht dann auch keinen Interpretationsspielraum hin zu einer bloß ungenauen Sachverhaltsschilderung mehr gelassen, die nachträglich im Sinne einer „gestuften Selbstanzeige“ noch hätte ergänzt werden können.

d) Unterlagen sortiert einreichen

Außerdem teilt das Gericht mit:

„Zwar seien die Unterlagen in den PDF-Dateien nicht vollständig sortiert gewesen. Jedoch habe die Zeugin (…) eine Auswertung anhand von Suchläufen durchführen und so (…) die Vermögensentwicklung (…) nachvollziehen können.“

Wenngleich die Ausführungen der Zeugin erkennen lassen, dass diese durch Eigeninitiative zumindest Teile des Zahlenwerks nachvollziehen konnte, sei jedem sich selbst Anzeigenden Folgendes versichert: Die Einreichung geordneter und kategorisierter Unterlagen erhöht die Sicherheit der erfolgreichen Durchführung eines Selbstanzeigeverfahrens um ein Vielfaches. Die Verwendung nicht gut strukturierter Unterlagen lässt umgekehrt schnell den Verdacht aufkommen, dass der Anzeigende (oder Berater) selbst den Überblick über den Fall (noch) nicht gewonnen hat. Auch dies führt nach bisheriger Erfahrung mit nahezu einhundertprozentiger Sicherheit zu weiteren Nachforschungen der Finanzbehörden.

2. Nicht dauerhaft auf fehlende Entdeckung vertrauen

Der nunmehr verurteilte Uli Hoeness hat über Jahre hinweg darauf vertraut, das Bankgeheimnis werde ihn schützen und der Ankauf von Steuer-CDs werde jedenfalls nicht zur Entdeckung seiner steuerrechtlich relevanten Verfehlungen führen.

Spätestens seit dem 29.10.2014 ist klar, dass das jahrzehntelang gehütete Bankgeheimnis endgültig der Vergangenheit angehört. An diesem Tag haben 51 Staaten vereinbart, ab 2017 jedenfalls u.a. Informationen über Kontostände, Zinsen, Dividenden, Veräußerungsgewinne und Steuer-ID-Nummern auszutauschen. Neben Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien zählen auch Großbritannien sowie die bisherigen Steueroasen Bermuda, die Cayman Islands und Liechtenstein zu den Erstunterzeichnern. Die Schweiz hat bereits signalisiert, ab 2018 auch beitreten zu wollen.

3. Der Steuerpflichtige bedarf unabhängiger und kompetenter Unterstützung

Gerade im Fall Hoeness drängt sich der Verdacht auf, dass die bestimmende Art des Betroffenen seine damals hinzugezogenen Vertrauten dazu bewegt hat, unvollständige und zum Teil widersprüchliche Angaben zu machen. Dies mag dadurch zustande gekommen sein, dass der Steuerpflichtige – getrieben von eigener Panik – zu stark Einfluss darauf genommen hat, was aus seiner Sicht in die Selbstanzeige gehörte und was nicht. Die von ihm favorisierten Unterstützer waren offenbar einerseits mit dem Vorgehen zum Abfassen einer geeigneten Selbstanzeige zu wenig vertraut und andererseits zu sehr abhängig vom Votum ihres Auftraggebers. Gerade bei umfangreicheren Einzelfällen hat der Betroffene oft eine einseitige Sicht der Dinge. Die erforderliche Distanz zum Fall ist aber eine unerlässliche Voraussetzung für das Gelingen einer strafbefreienden Selbstanzeige, insbesondere wenn der Betroffene meint, gewisse Einkünfte einfach weglassen zu können, weil diese „nicht relevant“ seien. 

Fazit:

Die Urteilsbegründung im Fall Hoeness hat an verschiedenen Stellen gezeigt, dass jegliches Aufkommenlassen von Zweifeln an der Richtigkeit der Darstellung die positive Wirkung einer Selbstanzeige nachhaltig gefährden kann. Fehlen geeignete Unterlagen, während eine kurzfristige Abgabe der Selbstanzeige unerlässlich ist, kann es taktisch klüger sein, weniger Unterlagen einzureichen, aber die nachzuzahlenden Steuern höher zu schätzen, als tatsächlich erwartet. Können durch ein solches Vorgehen Ungereimtheiten vermieden werden, sollte es jedenfalls bei Einschaltung geeigneter Experten möglich sein, auch jetzt noch eine strafbefreiende Selbstanzeige zugunsten eines Steuerpflichtigen zu erstatten. Ein blindes Vertrauen auf dauerhaftes Unentdecktbleiben erscheint mit jedem zusätzlichen Tag weniger gerechtfertigt. Betroffenen sei zugerufen: „Nutzen Sie die Chance zum Handeln, bevor es dafür zu spät ist.“


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