WEG Versammlung: Nichtigkeit von Beschlüssen während Corona-Beschränkungen

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Die Corona-Pandemie hat auch die Wohnungseigentümergemeinschaften und Verwaltungen vor große Herausforderungen gestellt. Zurzeit bestehen in den Reihen der Verwalter/Wohnungseigentümern große Unsicherheiten wie Eigentümerversammlungen rechtssicher abgehalten werden können.

WEG-Versammlungen während des Corona-Lockdowns (Versammlungsverbot):

Nach der aktuellen gesetzlichen Lage und nach Ansicht der Gerichte durfte und konnte eine Eigentümerversammlung während eines coronabedingten Versammlungsverbots (Ende 2020 bis Mitte/Ende Mai 2021) nicht stattfinden.

Wie die bisherige Rechtsprechung zeigt, führt die Veranstaltung einer Eigentümerversammlung währen Corona-Beschränkungen (Versammlungsverbot) zu einer Nichtigkeit der dort gefassten Beschlüsse. Nichtige Beschlüsse entfalten keine Wirkung und können mittels Nichtigkeitsfeststellungsklage (auch nach Ablauf der 1-Monatigen Anfechtungsfrist gem. § 45 S. 1 WEG) gerichtlich angegriffen werden. 

Mit Urteil vom 29.10.2020 hat das AG München, 483 C 8456/20 WEG entschieden, dass Beschlüsse einer Ein-Mann-Eigentümerversammlung während der Corona-Pandemie (bei geltendem Versammlungsverbot) nichtig sind.

Im Urteilsfall hat der Verwalter mit Einladungsschreiben darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie nur eine sog. Ein-Mann-Versammlung durchgeführt werden kann. Hierzu werde der Versammlungsort in die Geschäftsräume der Verwaltung verlegt und die Beschlussfassung mittels Auszählung der detaillierten Vollmachten vollzogen. Die Eigentümer wurden gebeten, von ihrer Vollmacht Gebrauch zu machen und entsprechende Weisung zu dem jeweiligen Tagesordnungspunkt zu erteilen, um trotz der bestehenden Versammlungsbeschränkungen einen Beschluss fassen zu können.  Die Versammlung wurde in den Geschäftsräumen dergestalt durchgeführt, dass allein der Geschäftsführer der Verwalterin anwesend war, zugleich als Versammlungsleiter und als Vertreter der Wohnungseigentümer.

Diese Form der Einladung verletzte  -so das Amtsgericht München- die Wohnungseigentümer im Kernbereich ihrer Rechte, nämlich dem Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung und Ausübung des Stimmrechts. Zwar konnten die Wohnungseigentümer schriftlich ihr Stimmrecht ausüben. Eine Auseinandersetzung und Diskussion über die verschiedenen Beschlussanträge konnte indes nicht stattfinden. Genau dies stellt jedoch den Wesensgehalt einer Eigentümerversammlung als Willensbildungsorgan der Wohnungseigentümergemeinschaft im Sinne des § 23 Abs. 1 WEG dar.

Eine persönliche Teilnahme an der Eigentümerversammlung hätte zudem gegen ein gesetzliches Verbot (Corona-Versammlungsverbot) verstoßen.

Am Tag der Eigentümerversammlung richtete sich die Frage der Möglichkeit der Teilnahme an dieser Eigentümerversammlung nach den Beschränkungen der zu diesem Zeitpunkt geltenden 2. BaylfSMV.

Gem. § 1 Abs. 1 Satz1 der 2. BaylfSMV waren Veranstaltungen und Versammlungen landesweit untersagt also auch die hier im Büro der Hausverwaltung abgehaltene Eigentümerversammlung. Keinem Eigentümer war es somit möglich, an der Versammlung teilzunehmen, ohne damit gegen das in der 2. BaylfSMV enthaltene Verbot der Abhaltung von Veranstaltungen und Versammlungen zu verstoßen. Ein derartiger Verstoß war auch keinem Eigentümer zumutbar, weil diese - unabhängig davon, dass sie dadurch gegebenenfalls ihre und die Gesundheit anderer gefährdet hätten - eine Ordnungswidrigkeit gem. § 7 Nr. 1 2. BaylfSMV, die Bußgeld nach sich gezogen hätte, begangen hätten.

Mit Urteil vom 07.01.2021 hat ebenfalls das Amtsgericht Hannover Az: 480 C 8302/20 Beschlüsse einer Eigentümerversammlung für ungültig/nichtig erklärt, nachdem eine "1-Mann-Versammlung" veranstaltet wurde. Die Einladung wurde in dem zu entscheidenden Fall folgendermaßen formuliert:

 „Wir laden zu mit den beiliegenden Unterlagen ordnungsgemäß zu einer Eigentümerversammlung ein, zu der sie aber bitte nicht erscheinen. Sollten Eigentümer/innen erscheinen, wären wir zum sofortigen Abbruch der Veranstaltung gezwungen“.

Bereits durch die Formulierung in dem Einladungsschreiben - so das Gericht- wurde den Wohnungseigentümern die Teilnahme verwehrt. So werden die Eigentümer ausdrücklich aufgefordert, nicht zu erscheinen. Ein Wahlrecht der Eigentümer, gleichwohl zu erscheinen, eröffnet diese Formulierung nicht. Darüber hinaus ist bereits an dieser Stelle angekündigt, dass die Veranstaltung sofort abgebrochen werden würde, wenn einzelne Eigentümer erscheinen. In der Gesamtschau sind diese Formulierungen als ausdrückliches Verbot zu verstehen.

WEG-Versammlungen und länderspezifische 2-G Regelungen (Kontaktbeschränkungen):

Bestimmte länderspezifische Regelungen sehen vor, dass ungeimpfte Personen oder geimpfte und genesene Personen Kontaktbeschränkungen unterliegen und an privaten Versammlungen u.a. WEG-Versammlungen nicht teilnehmen dürfen. 

Auch der Ausschluss einzelner - insbesondere ungeimpfter -  Wohneigentümer von der persönlichen Teilnahme an der Eigentümerversammlung führt in der Regel zur Nichtigkeit von Beschlüssen. Die Herausforderungen der Hausverwaltungen besteht hierbei insbesondere bei größeren Wohnungseigentümergemeinschaften herauszufinden, ob örtliche Regelungen Kontaktbeschränkungen für ungeimpfte, geimpfte oder genesene Personen vorsehen.

In der Praxis wird die Verwaltung nicht zweifelsfrei verifizieren können, ob ungeimpfte Personen vorhanden sind. So kann es je nach Konstellation zur Nichtigkeit oder vermeintlichen Nichtigkeit der getroffenen Beschlüsse kommen, da einzelne ungeimpfte Wohnungseigentümer an einer persönlichen Teilnahme an einer Eigentümerversammlung per Gesetz ausgeschlossen sind. Dies führt zu einer sehr großen Rechtsunsicherheit in der Praxis der Verwaltungen und Wohnungseigentümern. Nicht zuletzt, da die Nichtigkeit der Beschlüsse und die daraus entstehenden Prozesskosten (z.B. im Rahmen einer gerichtlichen Nichtigkeitsfeststellung) zu einer (Schadenersatz-)Haftung der Verwalter führen kann.

Zudem können nichtige Beschlüsse auch nach Ablauf der 1-monatigen Anfechtungsfrist aufgehoben werden.

Bei der Planung der Eigentümerversammlung ist den Verwaltern daher zu raten auf die aktuellen und örtlichen Corona-Versammlungsbeschränkungen zu achten. 

Daneben gibt es bestimmte Möglichkeiten wirksame Beschlüsse herbeizuführen, ohne dass es zu einem Ausschluss einzelner - ungeimpfter- Personengruppen gibt.

Amtsgericht München vom 25.02.2021 - Az. 1291 - C 2946/21 zur Eigentümerversammlung während Corona bedingten Beschränkungen:


  • Eine Verwalterin handelt nicht pflichtwidrig, wenn sie eine Eigentümerversammlung nicht einberuft, wenn jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Absage der Versammlung hätte
  • Beruft der Verwaltungsbeirat die Eigentümerversammlung ein, kann die WEG, vertreten durch die Verwalterin, die Durchführung der Versammlung durch einstweilige Verfügung untersagen lassen.
  • Ist zum Zeitpunkt der Einladung klar, dass ein Absageanspruch besteht, weil entweder Eigentümern die Anreise nicht zumutbar ist oder mit Anreisen aus Infektionsgebieten zu rechnen ist oder fällt die Versammlung gar unter eine Schutzempfehlung nach dem IfSG, ist die Ladung pflichtwidrig und würde Ersatzansprüche begründen.
  • Eine Formulierung der Einladung kann geeignet sein, einen psychischen Zwang bei den einzelnen Wohnungseigentümern auszulösen, der sie von der Wahrnehmung ihrer Kernrechte abhält.


Rechtsanwaltskanzlei Felix Kushnir vertritt bundesweit WEG-Gemeinschaften oder Wohnungseigentümer bei rechtlichen Auseinandersetzungen im WEG-Recht. Aufgrund der hohen Anfrage/Rückfragen zur Wirksamkeit von Beschlussfassungen bitten wir die Anfrage an kontakt@fk-kanzlei.de zu richten.

Foto(s): Felix Kushnir

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