Wegweisende Urteile im Arzthaftungsrecht - Teil ​4

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Die ärztliche Aufklärungspflicht vor einer Koloskopie

Gemäß einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden ist es vor einer Koloskopie notwendig, den Patienten über das Risiko einer iatrogenen Perforation des Darms während der Untersuchung aufzuklären. Dies gilt auch für seltene Risiken, die, selbst wenn sie selten auftreten, erhebliche Auswirkungen auf die Lebensführung haben und für den Laien überraschend sein können. Zu diesen seltenen, aber schwerwiegenden Risiken gehört die Perforation des Darms, die zwar selten ist, aber schwerwiegende Folgen haben kann. Es reicht nicht aus, lediglich ein Aufklärungsformular vorzulegen; stattdessen ist in der Regel die Zeugenvernehmung oder Parteianhörung des aufklärenden Arztes erforderlich.

Sekundäre Darlegungslast bei Hygieneverstoß

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat festgelegt, dass im Arzthaftungsprozess eine erweiterte - sekundäre - Darlegungslast für die Behandlungsseite gilt, wenn die primäre Darlegung des Konfliktstoffs durch den Patienten den maßvollen Anforderungen genügt und die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für ihn zulässig ist. Dies ist insbesondere bei Behauptungen eines Hygieneverstoßes der Fall. Für das Auslösen der sekundären Darlegungslast ist nicht erforderlich, dass der Patient konkrete Anhaltspunkte für einen Hygieneverstoß vorbringt.

Doppelt versichertes Risiko führt zu Ausgleichspflichten zwischen den Versicherern

Das OLG Frankfurt hat festgestellt, dass, wenn ein Risiko, wie beispielsweise die Inanspruchnahme als Hebamme wegen Geburtsschäden, sowohl über die Versicherung des Belegarztes als auch über die des Anstellungskrankenhauses der Hebamme versichert ist, die Versicherung des Arztes die Hebamme persönlich auf anteiligen Ausgleich in Anspruch nehmen kann. Die Versicherung des Krankenhauses sollte jedoch vorrangig in Anspruch genommen werden.

Arzthaftung bei der Implantation einer Hüftgelenksendoprothese

Das OLG Naumburg betont, dass der Arzt konkrete Fragen des Patienten zu Umständen, die für seine Einwilligung in den operativen Eingriff von Bedeutung sind, wahrheitsgemäß beantworten muss. Dies ist entscheidend für die selbstbestimmte Entscheidung des Patienten, die der Arzt nicht durch Desinformation beeinflussen darf. Dies gilt insbesondere für die Routine und Erfahrung des behandelnden Orthopäden im Hinblick auf die geplante Operation, wie beispielsweise die Implantation einer zementfreien Hüftgelenksendoprothese.

Kein Erfordernis des Kausalitätsnachweises auf Seiten des Patienten bei grobem Behandlungsfehler

Nach einer Entscheidung des OLG München führen fachübergreifende Behandlungsfehler, die teils für sich, zumindest aber in der Gesamtschau als grob zu bewerten sind, zu einer Beweislastumkehr für die Kausalität zugunsten des Patienten. Die Aufklärung des Behandlungsgeschehens ist aufgrund der Schwere des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung besonders schwierig, was zu einer Unzumutbarkeit des Kausalitätsnachweises durch den Patienten führt.

Aufklärung am Operationstag kann ausreichen

Das OLG Dresden hat entschieden, dass bei ambulanten Eingriffen eine Aufklärung des Patienten noch am Operationstag ausreichend sein kann, solange dem Patienten die eigenständige Entscheidung überlassen bleibt, ob er den Eingriff durchführen lassen möchte. Dies gilt auch für ambulante Koloskopien, selbst wenn die Aufklärung erst erfolgt, nachdem der Patient die zur Vorbereitung erforderliche medikamentöse Darmreinigung abgeschlossen hat.

Diagnoseirrtum eines Arztes bei einer Brustuntersuchung

Das OLG Dresden betont, dass ein Diagnoseirrtum, der objektiv auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen ist, nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden sollte. Die Wertung einer objektiv unrichtigen Diagnose als Behandlungsfehler setzt eine vorwerfbare Fehlinterpretation erhobener Befunde oder die Unterlassung für die Diagnosestellung oder ihre Überprüfung notwendiger Befunderhebung voraus.

Ärztliche Aufklärung über Behandlungsalternativen

Gemäß einer Entscheidung des OLG Brandenburg muss der Arzt den Patienten über Behandlungsalternativen informieren, wenn indizierte und übliche Behandlungsmethoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen. Dem Patienten muss in diesem Fall nach vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Weg die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen möchte. Der Arzt muss dem Patienten im Allgemeinen nicht unaufgefordert erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen, solange er eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt.

Ordnungsgemäße Information über voraussichtliche Behandlungskosten bei noch nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethoden

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass die Pflicht des Behandlers zur wirtschaftlichen Information des Patienten nicht auf eine umfassende Aufklärung über die wirtschaftlichen Folgen einer Behandlung abzielt. Ein Arzt, der eine neue, noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode anwendet, sollte jedoch bedenken, dass der private Krankenversicherer möglicherweise die dafür erforderlichen Kosten nicht vollständig erstattet. Eine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten erfolgt nicht.

Haben Sie Fragen zum Thema Arzthaftungsrecht? Rufen Sie uns gerne unverbindlich in einer unserer Kanzleien an. Der zuständige Rechtsanwalt steht Ihnen gerne zur Verfügung.

Weitere allgemeine Informationen zum Artzhaftungsrecht finden Sie auf unserem Blog zum Thema und auf unserem Projekt www.recht-und-rat.info.

Foto(s): www.kanzlei-steinwachs.de

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