Welche Strafen drohen Jugendlichen und Erwachsenen bis 21 Jahre bei Verurteilung wegen einer Straftat?

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Das Jugendstrafrecht hat das Ziel, insbesondere der wiederholten Begehung von Straftaten durch junge Menschen entgegenzuwirken (vgl. § 2 Abs.1 Jugendgerichtsgesetz). Aus diesem Grund steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund des Verfahrens sowie der rechtlichen Konsequenzen. Das Jugendstrafrecht wird daher oftmals auch als „Erziehungsstrafrecht“ bezeichnet.

Um den erzieherischen und entwicklungsbezogenen Besonderheiten gerecht werden zu können, sieht das Jugendstrafrecht andere Rechtsfolgen vor, als das allgemeine Strafrecht für Erwachsene. 

Die Geld- und Freiheitsstrafe gibt es zwar in ähnlicher Form auch im Jugendstrafrecht, allerdings existieren darüber hinaus vielzählige weitere Möglichkeiten, um begangenes Unrecht zu ahnden. 


Welche Personen können nach dem Jugendstrafrecht sanktioniert werden?

Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) ist anwendbar, wenn die handelnde Person ein Jugendlicher ist, sowie teilweise bei Heranwachsenden. Maßgeblich ist das Alter zum Zeitpunkt der Begehung der Straftat. 


Jugendliche sind Personen ab 14 Jahren und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Erforderlich ist zusätzlich, dass zum Tatzeitpunkt auch eine gewisse Reife vorhanden ist, um das Unrecht der Tat einzusehen und dementsprechend zu handeln. 


Heranwachsende sind Personen ab 18 Jahren und bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres. Für die Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften des Jugendstrafrechts, bedarf es eines moralischen und geistigen Entwicklungsstandes, der dem von Jugendlichen gleichstand. Oder das eindeutige Vorliegen einer Jugendverfehlung, die aus jugendlichem Leichtsinn oder Gruppenzwang begangen wurde (z.B. Mutproben). 


Wegen welcher Straftaten können sich Jugendliche strafbar machen?

Jugendliche können sich wegen derselben Straftaten strafbar machen, wie das bei Erwachsenen der Fall ist. Es gibt also nicht nur bestimmte Straftaten, wegen derer sich Jugendliche und Heranwachsende strafbar machen können. Die Besonderheiten des Jugendstrafrechts spielen sich nämlich insbesondere auf der Ebene der möglichen Strafen ab.

Das Jugendgerichtsgesetz ist anwendbar, wenn Jugendliche oder Heranwachsende eine Handlung begehen, welche nach den allgemeinen Vorschriften eine Strafe vorgesehen ist.  

Neben den Vorschriften aus dem Strafgesetzbuch (StGB) (z.B. Diebstahl, Raub, Körperverletzung, Volksverhetzung, Brandstiftung etc.), erfasst dies auch Taten, welche beispielsweise auf Grundlage des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) (z.B. Drogenbesitz, Drogenhandel) oder Waffengesetzes (WaffG) sanktioniert werden.


Welche Strafen können gegenüber Jugendlichen/ Heranwachsenden verhängt werden?


Bei einer von einer jugendlichen Person begangenen Straftat kommen als rechtliche Folgen 

  • Erziehungsmaßregeln
  • Zuchtmittel oder
  • Jugendstrafe

in Betracht. Ersatzweise ist eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt möglich.


Erziehungsmaßregel – Erziehungshilfe Anti-Aggressionstraining, Entziehungskur und Co

Erziehungsmaßregeln (§§ 9–12 JGG) zielen primär auf eine erzieherische Wirkung ab. Es wird unterschieden zwischen Weisungen und der Anordnung, Erziehungshilfe in Anspruch zu nehmen

Für Heranwachsende sowie Soldatinnen und Soldaten sind lediglich Weisungen möglich.


In § 10 Abs. 1 JGG sind beispielhafte Weisungen enthalten. Konkret handelt es sich dabei um Ge- und Verbote, welche einen positiven Einfluss auf die Lebensführung haben sollen

Die Art der Weisung ist auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmt, da die individuellen Umstände von besonderer Bedeutung sind. Dies kann die Bestimmung eines bestimmten Wohnortes oder die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs (z.B. einem Anti-Aggressionstraining) sein.

Weiterhin sind auch – mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters – therapeutische Weisungen möglich, wie eine Entziehungskur


Erziehungshilfe (§ 12 JGG) kann in Form der Bereitstellung eines Erziehungsbeistands oder einer Unterbringung in einer geeigneten Wohneinrichtung erfolgen. 


Zuchtmittel – von Verwarnung über Arbeitsleistung, Geldauflage bis zu Jugendarrest

Zuchtmittel (§§ 13–16a JGG) sollen neben dem erzieherischen Gedanken auch einen ahnenden Charakter haben. Sie können eine Verwarnung, die Erteilung von Auflagen oder der Jugendarrest sein. 


Bei der Verwarnung wird die jugendliche Person nach dem rechtskräftigen Urteil durch das Jugendgericht schriftlich oder mündlich zurechtgewiesen. 


Als Auflagen können die in § 15 Abs. 1 JGG aufgelisteten gewählt werden. Es handelt sich um eine Schadenswiedergutmachung, Entschuldigung, Arbeitsleistung oder Geldauflage


Der Jugendarrest kann als Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest nach § 16 JGG verhängt werden. Abgeleistet wird dieser in einer Jugendarrestanstalt. 

Der Freizeitarrest wird überwiegend am Wochenende vollzogen, in der Regel für maximal 48 Stunden. Dies kann bis zu zwei Freizeiten, also Wochenenden betreffen. 

Anstelle des Freizeitarrestes kann für maximal vier Tage ein Kurzarrest verhängt werden.

Der Dauerarrest wird für einen Zeitraum von einer bis vier Wochen angeordnet. 


Jugendstrafe – „Jugendknast“

Die Jugendstrafe (§§ 17–19 JGG) ist ein Freiheitsentzug, welcher in einer Jugendstrafanstalt stattfindet.  


Der Strafrahmen einer Jugendstrafe liegt zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. 

Die Höchststrafe kann bis zu zehn Jahre betragen, wenn für die Tat nach allgemeinen strafrechtlichen Vorschriften eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu über zehn Jahren zu erwarten ist. Beispiele dafür sind Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) und Raub (§ 249 StGB).


Eine Jugendstrafe bis zu zwei Jahren kann zur Bewährung ausgesetzt werden. Für die Dauer der Bewährungszeit werden regelmäßig Weisungen oder Auflagen erteilt. 


Neben den beschriebenen Rechtsfolgen kann auch ein Fahrverbot oder die Einziehung von aus der Tat gewonnenen Vorteilen verhängt werden. Allerdings muss auch dabei der Erziehungsgedanke leitend sein. 


Wonach richtet sich, welche Maßnahme verhängt wird? 

Die Wahl der Rechtsfolge wird an dem Ziel ausgerichtet, der erneuten Begehung von Straftaten entgegenzuwirken. 

Grundsätzlich ist stets die geringste erzieherische Maßnahme zu wählen, welche zur Erreichung eines straffreien Lebens erforderlich ist. 


Die mildeste Konsequenz ist die Anordnung von Erziehungsmaßregeln. Zuchtmittel oder auch eine Jugendstrafe kommen in Betracht, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen. Möglich ist auch, die verschiedenen Rechtsfolgen miteinander zu verknüpfen. 


Entscheidend ist, welche Maßnahme diesem Ziel am besten Rechnung tragen kann. Dafür ist maßgeblich dort anzuknüpfen, wo der Ursprung der Straffälligkeit liegt, beziehungsweise wodurch eine Wiederholung bestmöglich vermieden wird. 

Bei gleicher Tat kann die Strafe damit für jede Person sehr unterschiedlich ausfallen. 


Unter welchen Voraussetzungen wird eine Jugendstrafe verhängt?

Die Jugendstrafe nach § 17 JGG ist die schwerwiegendste rechtliche Konsequenz, die im Jugendgerichtsgesetz vorgesehen ist. 

Sie wird verhängt, wenn wegen „schädlicher Neigungen“, die „in der Tat hervorgetreten“ sind, Erziehungsmaßnahmen oder Zuchtmittel als nicht ausreichend erachtet werden. 


Schädliche Neigungen bedeutet, dass die junge Person gewisse Persönlichkeitsmängeln aufweist. Auf Grund dieser Mängel wird erwartet, dass wiederholt schwerwiegenderen Straftaten begangen werden, wenn nicht eine längerfristige Gesamterziehung vorgenommen wird. 

Diese kriminellen Neigungen sind in der Tat hervorgetreten, wenn sie bei der Tatbegehung vorlagen und die Straftat das Ergebnis dessen darstellt.  


Eine Jugendstrafe wird auch verhängt, wenn dies wegen der „Schwere der Schuld“ für erforderlich gehalten wird.  

Es wird daran angeknüpft, dass der jugendlichen/ heranwachsenden Person ein so schwerer persönlicher Vorwurf gemacht wird, dass eine andere rechtliche Konsequenz dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden widersprechen würde. Entscheidend ist, inwieweit sich die Persönlichkeit in der Tat widerspiegelt, beispielsweise durch die Tatmotivation, Charakterzüge oder bestimmte Haltungen.


Wird eine Verurteilung oder Einstellung im Jugendstrafverfahren in das Führungszeugnis eingetragen?

In das Führungszeugnis eingetragen werden lediglich Jugendstrafen von über zwei Jahren oder Jugendstrafen, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.  

Dies gilt nicht, wenn der Strafmakel für beseitigt erklärt wurde oder nach § 27 JGG die Verhängung einer Jugendstrafe zunächst ausgesetzt und vom Verlauf der verhängten Bewährungszeit abhängig gemacht wird.   


Erziehungsmaßregeln (§ 9 JGG) und Zuchtmittel (§ 13 JGG) werden grundsätzlich nicht in das Führungszeugnis eingetragen. 


Diejenigen Rechtsfolgen, die keinen Eintrag in das Führungszeugnis nach sich ziehen, werden stattdessen in das Erziehungsregister eingetragen. Mit Vollendung des 24. Lebensjahres werden diese Einträge gelöscht, es sei denn im Zentralregister ist weiterhin eine Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung eingetragen. 

Durch einen Eintrag in das Erziehungsregister gelten Personen nicht als „vorbestraft“. Die Eintragungen dürfen zudem nur bestimmten Behörden zu bestimmten Zwecken mitgeteilt werden (§ 61 BZRG).   


Sollten Sie als Jugendlicher eine polizeiliche Vorladung, eine Anklage oder einen Strafbefehl erhalten haben oder beispielsweise mit einer Hausdurchsuchung konfrontiert sein, so wenden Sie sich am besten so schnell wie möglich an einen spezialisierten Anwalt für Jugendstrafrecht. Dieser kennt sich mit den Besonderheiten und den geltenden Leitgedanken im Jugendstrafverfahren aus und kann Sie nicht nur umfassend darüber beraten, wie es nun weitergeht und welche Strafen auf Sie zukommen können, sondern kann auch eine gerade für Ihren Fall passende Verteidigungsstrategie für Sie erarbeiten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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