Welche Unterhaltsansprüche habe ich während Ausbildung und Studium?

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Seit 1.1.2023 erhalten auswärts lebende Auszubildende und Studierende 930 EUR Unterhalt. Oft steht der Betrag jedoch auf dem Papier, da eine ganze Reihe weiterer Faktoren Auswirkungen auf die Höhe des Unterhalts hat.

Warum besteht die Unterhaltspflicht?

Ihre Eltern sind als Verwandte in gerader Linie verpflichtet, Ihren Lebensbedarf sicherzustellen. Die Unterhaltspflicht endet nicht mit Ihrer Volljährigkeit. Ihre Eltern sind verpflichtet, Ihnen die Finanzierung einer Ausbildung zu ermöglichen, die Ihren Fähigkeiten, Ihrem Leistungswillen und Ihren Neigungen am besten entspricht und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern berücksichtigt. Erst wenn Sie in der Lage sind, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, wird der Unterhaltsanspruch hinfällig. Aber auch hier gelten gewisse Einschränkungen.

Unterhaltspflicht, wenn Sie noch zu Hause wohnen

Solange Sie noch im Haushalt Ihrer Eltern oder eines Elternteils wohnen, dürfen die Eltern grundsätzlich bestimmen, dass sie den Unterhalt im Elternhaus allein durch Kost und Logis und ein angemessenes Taschengeld gewähren. Ihr Recht, Ihr Leben als Auszubildender oder Studierender finanziell selber bestimmen zu dürfen, tritt insoweit hinter die finanziellen Interessen Ihrer Eltern zurück. Soweit Sie eine Berufsausbildung absolvieren und im Haushalt Ihrer Eltern oder eines Elternteils wohnen, müssen Sie sich die Ausbildungsvergütung auf Ihren Unterhaltsanspruch anrechnen lassen. Vorher dürfen Sie einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf von monatlich 100 EUR abziehen.

Müssen oder möchten Sie jedoch aus nachvollziehbaren Gründen auswärts studieren (ggf. auch als schon 16-jährige/r), müssen die Eltern auf Ihre Belange die gebotene Rücksicht nehmen. In der Konsequenz haben die Eltern dann Barunterhalt zu leisten. Eigene Einkünfte, sei es als Auszubildender oder Studierender, werden im Regelfall in voller Höhe auf Ihren Unterhaltsanspruch angerechnet.

Wie ist der Unterhaltsanspruch von 930 EUR zu verstehen?

Der Betrag von 930 EUR ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle. In der Düsseldorfer Tabelle sind die Unterhaltssätze für den Kindesunterhalt bestimmt. Die Düsseldorfer Tabelle wird von den Familiengerichten zur Grundlage genommen, um die Höhe der Unterhaltsbeträge zu bestimmen. Der Unterhaltsbetrag von 930 EUR findet sich in Ziffer 7 zu den Anmerkungen der Düsseldorfer Tabelle. Dort steht auch, dass in den 930 EUR bis 410 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung enthalten sind.

Wie viel Unterhalt bekommen Sie in Ihrer Berufsausbildung?

Als Auszubildender haben Sie genauso Unterhaltsansprüche, als wenn Sie sich an einer Hochschule einschreiben und ein Studium absolvieren. Soweit Sie eine Auszubildendenvergütung beziehen, müssen Sie sich allerdings die Vergütung auf den rechnerisch bestehenden Unterhaltsanspruch anrechnen lassen. Vorher dürfen Sie noch eine Ausbildungspauschale von 100 EUR abziehen.

Beispiel

Sie erhalten monatlich netto 500 EUR Auszubildendenvergütung. Davon dürfen Sie 100 EUR Ausbildungspauschale abziehen, so dass 400 EUR auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen sind. Sie können von Ihren Eltern dann noch 460 EUR Unterhalt erwarten. Da Ihnen ab der Volljährigkeit das volle Kindergeld zusteht, sind 250 EUR bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Sie hätten dann noch Anspruch 210 EUR Unterhalt (siehe unten)

Unterhalt bei einem freiwilligen sozialen Jahr

Soweit Sie ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren, haben Sie zwar Anspruch auf elterlichen Unterhalt, müssen sich das Ausbildungsgeld aber auf den Unterhaltsanspruch anrechnen lassen. Ihr Unterhaltsanspruch im freiwilligen sozialen Jahr besteht unabhängig davon, ob das soziale Jahr Voraussetzung für Ihre spätere Ausbildung oder das angestrebte Studium ist.

Unterhalt über die Erstausbildung hinaus nur im Ausnahmefall

Sie haben Anspruch auf die Finanzierung einer ersten Ausbildung. Hängen Sie nach Abschluss Ihrer Erstausbildung eine weitere Berufsausbildung an, brauchen Ihre Eltern Sie nicht weiter zu unterhalten. Schließlich könnten Sie aufgrund Ihrer Erstausbildung bereits eigenes Geld verdienen.

Wechseln Sie den Lehrberuf, müssen die Eltern weiterhin Unterhalt zahlen, während sie eine Zweitausbildung aus persönlichen Gründen nur dann finanzieren müssen, wenn Sie den erlernten Erstberuf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können (z.B., wenn Sie das Bäckerhandwerk gelernt haben und sich herausstellt, dass Sie in der Backstube allergisch reagieren).

Unterhalt für Studium nach Lehre

Möchten Sie nach Abschluss Ihrer Lehre studieren, haben Sie Anspruch auf Unterhalt auch für das Studium, wenn das Studium in einem inhaltlichen Zusammenhang mit Ihrer Lehre steht und Sie das Studium unmittelbar nach dem Ende Ihrer Ausbildung beginnen. Dabei reicht es, wenn die Lehre als Vorbereitung auf Ihr Studium sinnvoll und nützlich erscheint, auch wenn sich der enge Zusammenhang auf den ersten Blick nicht gleich erschließt.

Soweit Sie eine gewisse Orientierungsphase in Anspruch nehmen oder die Einschreibungsfrist an der Universität nach der Lehre bereits abgelaufen ist, kann noch immer ein zeitlicher Zusammenhang bestehen. Sofern Sie durch den Numerus clausus beim Medizinstudium Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, verlieren Sie bei Aufnahme des Studiums nicht Ihren Anspruch auf Unterhalt. Auch der Wechsel der Fachrichtung bis zum 2. oder 3. Semester schadet nicht, wenn Sie feststellen müssen, dass das gewählte Studienfach nicht Ihren Vorstellungen entspricht und Sie in einem anderen Fach besser aufgehoben sind.

Beispiel

Sie haben eine Banklehre absolviert und studieren danach BWL. Ähnlich ist es, wenn Sie nach Ihrer Ausbildung zum Bauzeichner Architektur studieren wollen.

Kein Unterhalt bei verzögertem Studium

Allerdings brauchen Ihre Eltern keinen Unterhalt mehr zu zahlen, wenn sie nicht mehr damit rechnen mussten, dass Sie nach Abschluss der Lehre noch studieren werden. Dabei wird den Eltern zugestanden, dass sie ihre eigene Lebensplanung danach ausrichten dürfen, wenn das Kind mit Abschluss der Erstausbildung sein Lebensziel erreicht habe. In einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall brauchte der Vater das Studium seiner Tochter nicht zu bezahlen, weil die Tochter mit ihm nie über ihre Studienpläne gesprochen hatte und sich erst zwei Jahre nach dem Ende ihrer Lehrzeit für ein Medizinstudium entschied.

Bachelor, Master und Promotion

Ihr Unterhaltsanspruch besteht fort, wenn Sie nach dem Bachelorabschluss ein Masterstudium anschließen. Voraussetzung ist auch hier, dass der Master im fachlichen und zeitlichen Zusammenhang zum Bachelorstudium steht. Bachelor und Master gelten als einheitlicher Ausbildungsgang. Möchten Sie nach dem Studium noch promovieren und könnten sich eigentlich selbst unterhalten, brauchen Ihre Eltern Sie normalerweise nicht mehr zu unterhalten. Sie können das Problem insoweit umgehen, wenn Sie als wissenschaftliche Hilfskraft oder Angestellter eigenes Geld verdienen.

Semester im Ausland

Studieren Sie ein Semester im Ausland, haben Sie Anspruch auf Unterhalt, wenn der Auslandsaufenthalt sachlich begründet und sinnvoll ist, um Ihr angestrebtes Ausbildungsziel zu erreichen, der zusätzliche Unterhaltsbedarf insgesamt angemessen und die finanzielle Mehrbelastung Ihren Eltern wirtschaftlich zumutbar ist.

Müssen Sie eigenes Geld verdienen?

Um Ihr Studienziel zügig zu erreichen, sollen Sie sich voll auf das Studium konzentrieren und sind nicht verpflichtet fühlen, eigenes Geld zu verdienen. Eventuelle eigene Einkünfte brauchen Sie sich daher nicht auf den Unterhaltsanspruch anrechnen lassen, wenn Sie nur gelegentlich während der Semesterferien arbeiten. Sind Sie jedoch regelmäßig geringfügig beschäftigt, müssen Sie sich Ihr Einkommen nach Abzug einer Aufwendungspauschale von 100 EUR auf den Unterhaltsanspruch anrechnen lassen.

Wer bekommt das Kindergeld?

Bis zur Vollendung Ihres 25. Lebensjahres haben ihre Eltern Anspruch auf Kindergeld. Werden Sie volljährig, steht das Kindergeld Ihnen zu. Das Kindergeld wird in voller Höhe auf Ihren Unterhaltsanspruch angerechnet.

Beispiel

Ihre Eltern erhalten 250 EUR Kindergeld. Ihr Unterhaltsanspruch beträgt also nur noch 680 EUR (930 EUR - 250 EUR). Zusammen mit dem Kindergeld stehen Ihnen gleichfalls 930 EUR zur Verfügung. BAföG mindert allerdings Ihren Bedarf und ist anzurechnen

BAföG ist Pflicht

Soweit Sie in Ihrer Berufsausbildung oder als Studierender Anspruch auf BAföG haben, müssen Sie BAföG beantragen und auch in Anspruch nehmen. Diese Pflicht besteht auch, wenn Sie die staatliche Ausbildungsförderung nur als Darlehen erhalten. Ihre Eltern dürfen nämlich verlangen, dass Sie vorrangig BAföG in Anspruch nehmen und die Haushaltskasse der Eltern insoweit schonen. BAföG mindert als eigenes Einkommen Ihren Unterhaltsanspruch.

Wie lange haben Sie Anspruch auf Unterhalt?

Im Normalfall haben Sie Anspruch, solange Sie die Ausbildung oder Ihr Studium im üblichen Rahmen (Lehrzeit, Regelstudienzeit) absolvieren. Bestimmte Altersgrenzen gibt es nicht. Sie müssen zügig und zielorientiert studieren. Erweisen Sie sich als Langzeitstudierender, brauchen Ihre Eltern ein "Bummelstudium" nicht zu unterstützen. Ihre Eltern dürfen auch erwarten, dass Sie diese über den Fortgang Ihrer Ausbildung regelmäßig informieren. Nur so lässt sich einschätzen, wie lange sie noch Unterhalt zahlen müssen. Gewisse Leerlaufphasen, für die es nachvollziehbare Gründe gibt, schaden nicht.

Was ist, wenn die Eltern getrennt leben?

Leben Ihre Eltern getrennt oder sind geschieden, stehen beide Elternteile in der Unterhaltspflicht. Soweit die Eltern unterschiedlich verdienen, haftet jeder Elternteil anteilig in Höhe seines unterhaltsrelevanten Einkommens. Insoweit geht es also darum, das unterhaltsrelevante, sogenannte bereinigte Nettoeinkommen zu bestimmen. Dabei steht jedem Elternteil zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts ein Selbstbehalt zu. Dieser beträgt 1.370 EUR, wenn der Elternteil arbeitet und 1.120 EUR, wenn der Elternteil nicht erwerbstätig ist.

Alles in allem

Im Unterhaltsrecht gibt es keine pauschalen Empfehlungen. Vieles hängt vom Einzelfall und davon ab, wie Sie Ihren Unterhaltsanspruch im Detail begründen. Es empfiehlt sich, dass Sie Ihren Unterhaltsanspruch im Hinblick auf Ihre eigene Lebenssituation und die Verhältnisse Ihrer Eltern individuell berechnen lassen.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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