Wenn die Immobilie das gesamte Vermögen ausmacht …

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Bei den heutigen Immobilienpreisen, zumal in einer Stadt wie München, kann es durchaus vorkommen, dass eine einzelne Immobilie praktisch das gesamte Vermögen einer Person ausmacht.


Ebenso gibt es Immobiliengesellschaften, die exakt eine Immobilie, zB ein Hotel, in ihrem Portfolio haben und so gut wie kein sonstiges Vermögen.


Was gilt nun, wenn diese eine Immobilie - und somit mehr oder weniger das gesamte Vermögen einer Person oder Gesellschaft - veräußert werden soll? Ist das ein Verkauf wie jeder andere oder gelten hierfür Sonderregelungen?


Sehen wir es uns der Reihe nach an. Vielleicht stolpern Sie ja auch einmal über eine solche Konstellation.


1. Einzelperson als Eigentümer (§ 1365 BGB)


Gemäß Paragraph 1365 BGB kann sich ein Ehegatte nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen, also zum Beispiel einen Verkauf zu tätigen.


Der Verkauf beziehungsweise die Verfügung muss sich nicht explizit auf „das Vermögen im Ganzen“ beziehen, sondern es kann sich auch um den Verkauf eines einzelnen Grundstücks handeln, wenn dieses nahezu das gesamte Vermögen ausmacht.


Nach der Rechtsprechung ist dies der Fall, wenn das Grundstück mehr als 90% des Gesamtvermögens ausmacht.


Hier braucht ein Ehegatte also die Einwilligung des anderen Ehegatten für den Verkauf.


Für Singles gilt die Regelung natürlich nicht.


2. Aktiengesellschaft als Eigentümer (§ 179a Aktiengesetz)


Wie Sie wissen, wird eine AG grundsätzlich von dessen Vorstand unter eigener Verantwortung geleitet ( § 76 AktG).


Eine von der Wertung her meines Erachtens mit § 1365 BGB vergleichbare Regelung findet man für die Aktiengesellschaft in § 179a AktG. Dort heißt es (sinngemäß):


Ein Vertrag, durch den sich eine Aktienesellschaft zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögen verpflichtet, bedarf eines Beschlusses der Hauptversammlung nach § 179 Aktiengesetz.


Und § 179 AktG ergänzt, dass ein solcher Beschluss der Hauptversammlung einer Mehrheit bedarf, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst.


Geschäfte über das Gesellschaftsvermögen im ganzen (oder eben einen Gegenstand, der im wesentlichen das gesamte Gesellschaftsvermögen umfasst), darf in der Aktiengesellschaft also nicht der Vorstand allein tätigen, sondern er muss hierfür einen Beschluss der Hauptversammlung einholen.


3. Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Eigentümer


Und wie sieht es in der GmbH aus? Gilt § 179a Aktiengesetz analog auch für die GmbH? Oder gilt für die GmbH gar § 1365 BGB?


Nun, § 1365 BGB findet auf die GmbH sicherlich keine Anwendung. Trotz gewisser Bindungen der Gesellschafter untereinander ist eine GmbH eben keine Ehe.


Aber wie sieht es mit § 179a Aktiengesetz aus?


Dazu hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 8. Januar 2019 (Aktenzeichen II ZR 364/18) folgendes entschieden:


a) § 179a Aktiengesetz ist auf die GmbH nicht analog anwendbar.


b) Die Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer GmbH ist (jedoch) ein besonders bedeutsames Geschäft, zu dessen Vornahme der Geschäftsführer einen zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeiführen muss, selbst wenn der Gesellschaftsvertrag einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt nicht enthält.


Vereinfacht ausgedrückt: Der BGH wendet in der GmbH zwar nicht die entsprechende Bestimmung aus dem Aktiengesetz an, kommt aber aufgrund allgemeiner Überlegungen mehr oder weniger zum gleichen Ergebnis.


In der Urteilsbegründung heißt es dazu unter Rz 37:


Dem Geschäftsführer einer GmbH kommt … Geschäftsführungsbefugnis nur dann und insoweit zu, als die Gesellschafterversammlung von ihrer Geschäftsführungskompetenz weder durch Regelung im Gesellschaftsvertrag noch durch Beschlussweisung an die Geschäftsführer Gebrauch macht, § 37 Abs. 1 GmbHG. … Namentlich ist der Geschäftsführer bei besonders bedeutsamen Geschäften verpflichtet, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung von sich aus einzuholen. … Ungeachtet dessen … sind die GmbH-Geschäftsführer auch bei Fehlen einer entsprechenden Satzungsregelung aufgrund der Bedeutung des Geschäfts gehalten, eine Willensbildung der Gesellschafterversammlung herbeizuführen.“


Was ist die ratio dahinter? Lesen wir in dem Urteil weiter (Rz 38):


Das Beschlusserfordernis sichert nicht nur das Kontrollrecht der Gesellschafterversammlung in ihrer Gesamtheit, sondern schützt zudem den Minderheitsgesellschafter vor einer unangemessenen Vertragsgestaltung oder einer Selbstbedienung des Mehrheitsgesellschafters.


4. Fazit


Verfügungen über das Vermögen im Ganzen unterliegen sowohl bei Ehegatten als auch in der Aktiengesellschaft und in der GmbH besonderen Regelungen. Sie bedürfen der Zustimmung des anderen Ehegatten beziehungsweise eines Beschlusses der Hauptversammlung (Aktiengesellschaft) oder der Gesellschafter (GmbH).


Bei Verstoß gegen diese Regelungen droht Unwirksamkeit und eine entsprechende Haftung des Vorstands/der Geschäftsführer. Es lohnt sich also, dieser Konstellation - als Handelnder und/oder Berater - besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.



Dr. Wolfgang Gottwald

Rechtsanwalt



Foto(s): wogo Bild beispielhaft, nicht fallbezogen


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