„Wer pflegt, kann mehr erben“

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Eine kaum bekannte Vorschrift: Ausgleichungspflicht bei besonderen Leistungen eines Abkömmlings (Kinder, Enkel, Urenkel) 


Tochter übernahm immer mehr Aufgaben 


Ein kleiner Beispielsfall mitten aus dem Leben: Die Mutter ist vorverstorben, der Vater war 10 Jahre lang pflegebedürftig.


Tochter Claudia kümmerte sich aufopferungsvoll um ihren Vater, in den ersten 5 Jahren 15 Stunden wöchentlich, in den darauffolgenden 5 Jahren aufgrund intensiver Pflegebedürftigkeit 30 Stunden wöchentlich. 


Mit heranschreitendem Bedarf übernahm Claudia immer mehr Pflege- und Versorgungsleistungen. 


So kümmerte sie sich in den ersten 5 Jahren um die Pflege sozialer Kontakte und um den Wocheneinkauf. 


In den weiteren 5 Jahren übernahm sie zusätzlich Aufgaben der medizinischen Versorgung und sämtliche Aufgaben des Haushalts. 


Tochter Petra hingegen kümmerte sich nicht. Es existiert ein Testament. 


Beide Töchter erben zu gleichen Teilen. In Fällen wie diesem kommt die kaum bekannte Vorschrift des § 2057a BGB und damit eine Ausgleichung für Tochter Claudia in Betracht. Die Vorschrift des § 2057a BGB soll bei der Erbauseinandersetzung einen Ausgleich für besondere Leistungen gewähren, welche ein Abkömmling zum Wohle des Vermögens des Erblassers erbracht hat. 


So heißt es in § 2057a Abs. 1 S. 1 BGB: Ein Abkömmling, der durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit durch erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde, kann bei der Auseinandersetzung eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen verlangen, die mit ihm als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen. 


Auch ein Abkömmling, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat, kann gemäß § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen bei der Auseinandersetzung verlangen.


Ohne Regelung benachteiligt


§ 2057a BGB beruht auf der Erwägung, dass zu Lebzeiten des Erblassers ein Abkömmling nicht selten mehr als die anderen Abkömmlinge zur Vermehrung oder Erhaltung des Erblasservermögens beiträgt, ohne für diese Tätigkeiten ein angemessenes Entgelt zu erhalten. 


Dieser Abkömmling wäre ohne die Regelung des § 2057a BGB benachteiligt, denn die anderen Abkömmlinge sind in gleichem Maße als Erben berufen, haben jedoch nichts zum Erblasservermögen beigetragen. Zweck des § 2057a BGB ist die Verhinderung dieser Schlechterstellung.


Voraussetzung: Vermögen erhalten oder vermehren


Grundvoraussetzung ist stets, dass durch die Leistungen des Abkömmlings das Vermögen des Erblassers tatsächlich erhalten oder vermehrt wurde. 


Dies entspricht dem Gerechtigkeitsgedanken. Hat der Mitarbeitende bzw. Pflegende das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt, so sollte dieser auch an dem Mehrwert partizipieren. 


Im vorliegenden Beispielsfall kann Tochter Claudia eine Ausgleichung für die von ihr erbrachten Pflege- und Versorgungsleistungen bei der Erbauseinandersetzung verlangen. 


Dabei orientiert sich diese Ausgleichung an den Kosten, die etwa ein Pflegedienst für die von ihr erbrachten Leistungen verlangt hätte. 


Aber nicht nur Abkömmlinge, die gesetzliche Erben sind, sind ausgleichungsberechtigt. Durch die am Ende des § 2057a Abs. 1 S. 1 BGB angeordnete entsprechende Anwendung des § 2052 BGB gilt die Vorschrift auch bei gewillkürter Erbfolge (Testament oder Erbvertrag), soweit die Abkömmlinge auf ihre gesetzlichen Erbteile eingesetzt sind oder die Erbteile zueinander dem Verhältnis der gesetzlichen Erbteile entsprechen. 


Mitarbeit in § 2057a Abs. 1 BGB umfasst dabei jede geistige oder körperliche Tätigkeit, diese muss allerdings planmäßig über einen gewissen Zeitraum hinweg und nicht nur gelegentlich erfolgen. 


Unter den Begriff des Haushalts fallen sämtliche Angelegenheiten der privaten Lebensführung, also beispielsweise das Reinigen der Wohnung oder die Zubereitung von Mahlzeiten. 


Für eine Ausgleichung unter den Abkömmlingen nach § 2057a BGB gibt es keine zeitliche Mindestgrenze. 


So kann beispielsweise bei hoher Intensität eine Pflege von nur einmonatiger Dauer genügen. Dabei muss der Abkömmling die Pflegeleistungen auch nicht ausschließlich selbst erbringen, sondern er kann auch Familienangehörige, Hilfskräfte oder sonstige Dritte hinzuziehen, sofern diese auf seine Veranlassung hin tätig werden oder von ihm bezahlt werden.


Pflege – eine Herausforderung


Insbesondere für den Bereich der Pflege stellt der demografische Wandel eine besondere Herausforderung dar. 


Die Verteilung der Altersgruppen verändert sich, immer mehr Menschen werden zu einem Pflegefall. 


Der Bedarf an beruflich Pflegenden steigt kontinuierlich und kann kaum aufgefangen werden. 


§ 2057a BGB soll einen Anreiz dafür bieten, Pflegeleistungen zugunsten der Eltern oder Großeltern selbst vorzunehmen. 


Die Ausgleichung von besonderen Leistungen nach § 2057a BGB ist Teil der Auseinandersetzung unter Miterben und führt zu einer von der Erbquote abweichenden Teilungsquote. 


Die Vorschrift des § 2057a BGB verschafft dem ausgleichungsberechtigten Abkömmling also weder einen Zahlungsanspruch noch einen Anspruch auf nachträgliche Vergütung. 


Der Ausgleichungsanspruch kann nur im Rahmen der Auseinandersetzung geltend gemacht werden. 


In § 2057a Abs. 3 BGB heißt es: Die Ausgleichung ist so zu bemessen, wie es mit Rücksicht auf die Dauer und den Umfang der Leistungen und auf den Wert des Nachlasses der Billigkeit entspricht. 


Hierbei muss immer der Einzelfall betrachtet werden. Auch auf nichteheliche Kinder trifft die Vorschrift des § 2057a BGB zu. Allergings könnte eine Ausgleichungspflicht nach § 2057a BGB, welche nicht selten zu Familienstreitigkeiten führen wird, vermieden werden. 


Der Erblasser kann bereits durch notarielles Testament oder in einem Erbvertrag für Gerechtigkeit sorgen. So kann der Erblasser schon zu Lebzeiten beispielsweise ein Vermächtnis zugunsten desjenigen, der mehr leistet, in sein Testament einpreisen. Bei Fragen geben wir Ihnen gerne eine umfassende Beratung.


Beste Empfehlungen

Ihr Andreas Krau,

Rechtsanwalt und Notar,

zertifizierter Testamentsvollstrecker

(DVEV)

KRAU Rechtsanwälte,

Hohenahr-Hohensolms


Foto(s): info@rechtsanwalt-krau.de

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