Wer trägt das "Werkstattrisiko" bei unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Reparatur eines Unfallschadens ?

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Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (insbesondere Auswahl oder Überwachungs-) Verschulden trifft, so sind die dadurch anfallenden Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt im Vergleich zu dem, was für eine entsprechende Reparatur sonst üblich ist, unangemessen sind (Bundesgerichtshof: Urteil vom 26.04.2022 – VI ZR 147/21).

Das Werkstattrisiko verbleibt damit - wie bei § 249 Abs. 1 BGB - auch im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger beim Schädiger.

Gegenständlich wurde das Fahrzeug des Klägers bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Die volle Haftung der Beklagten als Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners steht vorliegend nicht in Streit.

Ein Sachverständigengutachten wurde eingeholt, das voraussichtliche Reparaturkosten von brutto 12.574,40 € auswies. Der Kläger ließ daraufhin das Fahrzeug von der Werkstatt instand setzen, wofür diese ihm einen Gesamtbetrag von brutto 14.457,36 € in Rechnung stellte. Die Beklagte zahlte hierauf einen Betrag von 13.372,08 €. Der Restbetrag von 1.085,28 € ist noch offen. Die parallele Problematik der erfolgten Abtretung der Ansprüche an die ausführende Werkstatt soll hier nicht thematisiert werden.

Insbesondere mit der Behauptung, die von der Werkstatt in Bezug auf die Instandsetzung im Einzelnen abgerechneten Leistungen seien erforderlich gewesen und von dieser auch tatsächlich erbracht worden, hat der Kläger die Beklagte darauf in Anspruch genommen, ihn von den restlichen Reparaturkosten in Höhe von 1.085,28 € (aufgrund der erfolgten Abtretung) gegenüber der Werkstatt freizustellen.

Der Versicherer des Schädigers kann im Ergebnis einen Anspruch des Schädigers auf Ersatz auch der Kosten in Höhe der Differenz zwischen der gutachterlichen Schadens-(beseitigungs-)bewertung und der tatsächlich von der Werkstatt abgerechneten, weil angefallenen Kosten, nicht verneinen.

Es ist zwar zutreffend, dass die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des dabei teilweise auch zur Schätzung berechtigten Tatrichters ist und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar ist, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Derartige Fehler sind hier jedoch gemacht worden.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass der Anspruch des Geschädigten im Rahmen der Ersetzungsbefugnis auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von Rechnungen gerichtet ist. Die dem Geschädigten zur Verfügung zu stellenden Mittel müssen so bemessen sein, dass er, sofern er nur wirtschaftlich vernünftig verfährt, durch die Ausübung der Ersetzungsbefugnis nicht reicher, aber auch nicht ärmer wird, als wenn der Schädiger den Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB beseitigt.

Nach dem Grundsatz der subjektbezogenen Schadensbetrachtung wird der "erforderliche" Herstellungsaufwand dabei nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens sowie die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch durch die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten bestimmt (BGH vom 17. Dezember 2019 - VI ZR 315/18).

Zu berücksichtigen ist etwa auch die Abhängigkeit des Geschädigten von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss BGH vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73).

Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, so sind die dadurch anfallenden Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger deshalb auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt im Vergleich zu dem, was für eine entsprechende Reparatur sonst üblich ist, unangemessen sind (BGH vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73).

Demnach scheidet insoweit der Einwand – möge dieser auch sachverständig belegt sein - die Arbeiten seien teilweise objektiv nicht erforderlich gewesen, gegenüber dem Geschädigten aus.

Im Ergebnis hat der Geschädigte vorliegend durch die unangemessene und unwirtschaftliche Reparatur keinen Mehrwert erfahren und die Reparatur entzog sich der Höhe nach auch seiner Einflussnahmemöglichkeit, weshalb der Haftpflichtversicherer des Schädigers den Schaden in voller Höhe der Werkstattrechnung ausgleichen muss.



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