Wie erhalte ich Verfahrenskostenhilfe (VKH) für die Scheidung?

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Ihre Scheidung sollte nicht am Geld scheitern. Auch wenn Sie wenig Geld haben, nichts oder kaum etwas verdienen oder Hartz IV-Leistungen beziehen, werden Sie Ihre Scheidung realisieren können. Der Staat gewährt Ihnen nämlich Verfahrenskostenhilfe (VKH). Verfahrenskostenhilfe ist eine staatliche Fürsorgeleistung für Menschen mit wenig Geld.

So erhalten Sie Verfahrenskostenhilfe für Ihre Scheidung

Verfahrenskostenhilfe erhalten Sie nur auf Antrag. Sie stellen den Antrag mithilfe des eigens dafür vorgesehenen Formulars „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe“. In dem Formular werden Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse abgefragt. Sie müssen wahrheitsgemäß Auskunft erteilen. Machen Sie keine Angaben zur Finanzierung Ihres Lebensunterhalts, wird der Antrag abgelehnt.

Hinweise, wie Sie das Formular ausfüllen müssen, finden Sie im „Hinweisblatt“ zum Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe. Wegen der vielfach komplexen Details sollten Sie jedoch stets Rücksprache mit Ihrem Rechtsanwalt oder Ihrer Rechtsanwältin halten.

In Abhängigkeit von Ihren Einkommensverhältnissen kann das Gericht Verfahrenskostenhilfe mit oder ohne Ratenzahlung bewilligen. Ohne Ratenzahlung bedeutet, dass Ihnen überhaupt keine Kosten entstehen. Sie werden gebührenfrei geschieden. Wird Ihnen hingegen Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlung bewilligt, verauslagt der Staat die Gebühren für Gericht und Anwalt. Sie müssen den verauslagten Betrag in 48 Monatsraten an die Gerichtskasse zurückzahlen. Sofern Sie Hartz IV-Leistungen beziehen oder trotz gutem Einkommen hohe Schulden haben, dürfen Sie im Regelfall davon ausgehen, dass Sie weitgehend problemlos Verfahrenskostenhilfe bewilligt bekommen.

Sie gehen kein Risiko ein

Es ist meist zweckmäßig, wenn Sie Ihren Scheidungsantrag einreichen und zugleich Verfahrenskostenhilfe beantragen. Ihr Scheidungsantrag wird vom Familienrichter erst bearbeitet, wenn Ihnen das Gericht zuvor Verfahrenskostenhilfe bewilligt hat. Sollte Ihr VKH-Antrag zurückgewiesen werden, brauchen Sie sich nicht auf das Scheidungsverfahren einzulassen. Soweit Ihr Ehepartner selbst Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe hätte, kann es in diesem Fall zielführend sein, wenn der Ehepartner den Scheidungsantrag stellt und für seine Person VKH beantragt. Auf jeden Fall gehen Sie kein Risiko ein. Ihr Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin kann Sie vorab beraten, inwieweit Ihr Antrag auf VKH Aussichten auf Erfolg hat.

Welche Nachweise müssen Sie erbringen?

Da Sie staatliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen, müssen Sie Ihre finanzielle Bedürftigkeit nachweisen. Dazu kommt es maßgeblich auf Ihr Einkommen und Ihre Vermögenswerte an. Von Ihrem Bruttoeinkommen dürfen Sie Steuern, Sozialversicherungsabgaben, Miete, Kapitaldienst für die eheliche Wohnung, Nebenkosten, Werbungskosten und besondere Belastungen abziehen. Zusätzlich können Sie Freibeträge in Anspruch nehmen. Außerdem bleibt ein gewisses Schonvermögen außer Betracht.

Welche Freibeträge gibt es?

Sie dürfen von Ihrem Einkommen bestimmte Freibeträge abziehen (Prozesskostenhilfebekanntmachung 2023 zu § 115 ZPO, Stand 1.1.2023) und zwar:

  • Für sich selbst erhalten Sie einen Freibetrag von 552 EUR.
  • Sind Sie berufstätig, kommen zusätzlich 251 EUR in Abzug.
  • Leisten Sie gesetzlichen Unterhalt, erhalten Sie für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres einen Freibetrag von 350 EUR,
  • für Kinder vom 7. - 14. Lebensjahr 383 EUR,
  • für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren 462 EUR und
  • für volljährige Kinder im Haushalt 442 EUR.

Welches Schonvermögen wird zu Ihren Gunsten berücksichtigt?

Beantragen Sie Verfahrenskostenhilfe, müssen Sie vorab Ihr verwertbares Vermögen aufbrauchen. Dabei wird Ihnen ein Schonvermögen von 10.000 EUR zugestanden. Schonvermögen sind Vermögenswerte, die Sie nicht zur Finanzierung eines gerichtlichen Verfahrens einsetzen müssen. Ihr Vermögen wird also „geschont“. Sie dürfen es für sich behalten und brauchen es nicht zu verwerten.

Bargeld als Schonvermögen

Verfügen Sie also über ein Sparbuch mit 12.000 EUR Guthaben, müssen Sie 2.000 EUR davon für die Scheidungskosten einsetzen und zwar auch dann, wenn Sie ansonsten nur ein geringes Einkommen haben. Leisten Sie gesetzlichen Unterhalt für ein Kind, erhöht sich der Freibetrag um weitere 500 EUR. Unterhalten Sie zwei Kinder, haben Sie ein Schonvermögen von 10.000 EUR + 500 EUR + 500 EUR = 11.000 EUR. Im Übrigen kommt es dann auf Ihre Einkommensverhältnisse an, ob und inwieweit ratenfreie Verfahrenskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe gegen Ratenauflage bewilligt wird.

Kfz als Schonvermögen

Besitzen Sie ein Kraftfahrzeug, brauchen Sie das Fahrzeug nicht unbedingt zu verwerten und den Ertrag für Ihr Scheidungsverfahren zu verwenden. Möglicherweise zählt Ihr Fahrzeug als Schonvermögen. Dann kommt es darauf an, inwieweit Sie auf dessen Nutzung angewiesen sind und ob das Fahrzeug einen für Sie angemessenen Wert hat. Sind Sie im Besitz eines Schwerbehindertenausweises oder benötigen Sie das Fahrzeug unbedingt für die Fahrt zu Ihrem Arbeitsplatz, sind Sie wahrscheinlich auf die Nutzung angewiesen. Soweit das Fahrzeug einen Verkehrswert bis zu 7.500 EUR hat, dürfen Sie es gleichfalls behalten. Liegt der Verkehrswert über 7.500 EUR, wird es Ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach zuzumuten sein, das Fahrzeug gegen ein geringwertigeres Fahrzeug einzutauschen. Den Übererlös müssten Sie dann für Ihr Scheidungsverfahren einsetzen.

Immobilie als Schonvermögen

Sind Sie Eigentümer eines „angemessenen kleinen Hausgrundstücks“, brauchen Sie die Immobilie im Regelfall nicht zu verwerten. Diese gilt als Schonvermögen. Ansonsten ist Voraussetzung für eine Verwertung, dass es Ihnen angesichts der Marktverhältnisse überhaupt möglich ist, die Immobilie als Vermögenswert zu verwerten. Außerdem muss es Ihnen zumutbar sein, die Immobilie für die Verfahrenskosten verwenden zu müssen. Ob eine Immobilie angemessen ist, bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf, der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstückes einschließlich des Wohngebäudes.

Sind Sie Eigentümer eines Mietobjekts, zählen Ihre Mieteinnahmen zu Ihrem Einkommen. Benötigen Sie die Mieteinnahmen für den Kapitaldienst oder die Unterhaltung des Objekts, müssen Sie das Objekt möglicherweise verkaufen, unter der Voraussetzung, dass der Verkaufserlös ausreicht, um die Verfahrenskosten für das Verfahren vor Gericht zu bezahlen. Auch hier stellt sich die Frage, inwieweit es Ihnen im konkreten Fall überhaupt zuzumuten ist, das Objekt unter den aktuellen Gegebenheiten zu verkaufen.

Welche Optionen haben Sie noch, um Ihre Scheidung zu finanzieren?

Bevor Sie Verfahrenskostenhilfe beantragen, müssen Sie prüfen und in Ihrem Antrag erklären, ob Ihr Ehepartner finanziell in der Lage ist, Ihnen zur Finanzierung des Scheidungsverfahrens einen Verfahrenskostenhilfezuschuss zu zahlen. Da der Ehepartner auch nach der Trennung noch unterhaltspflichtig bleibt, ist er/sie verpflichtet, Ihnen die Scheidungskosten zu finanzieren, auch wenn er/sie damit die eigene Scheidung bezahlt.

Sind Sie rechtsschutzversichert oder über Ihren Ehepartner rechtsschutzversichert, müssen Sie davon ausgehen, dass Ihre Rechtsschutzversicherung nur die familienrechtliche Erstberatung bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin bezahlt. Die Scheidungskosten für Ihr Scheidungsverfahren werden in der Regel nicht übernommen.

Scheitern all diese Optionen, bleibt zu prüfen, ob Sie mit Ihrem Rechtsanwalt oder Ihrer Rechtsanwältin, der bzw. die Sie in Ihrem Scheidungsverfahren vertreten soll, Ratenzahlungen für Ihr Scheidungsverfahren vereinbaren können. Sofern Sie mit einer iurFRIEND-Kanzlei Ratenzahlungen für Ihr Scheidungsverfahren vereinbaren, gestalten Sie die Zahlungen nach Maßgabe Ihrer Einkommensverhältnisse weitgehend selbstständig. Sie zahlen keine Zinsen.

Praxistipp

Ungeachtet der Möglichkeiten, dass Sie Ihre Scheidung mit fremder Hilfe bezahlen, sollten Sie dennoch alles dafür tun, dass Sie die Scheidungskosten so gering wie möglich halten. Der Weg dorthin ist die einvernehmliche Scheidung. Sie sollten trotz aller emotionalen Vorbehalt alles daransetzen, Ihre Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen mit Ihrem Ehepartner abzuwickeln. Verzichten Sie möglichst auf eine streitige Auseinandersetzung vor Gericht.

Jeder Streit, den Sie wegen Ihrer Scheidung im Hinblick auf eine Scheidungsfolge gerichtlich austragen, verursacht zusätzliche Gebühren für das Gericht und die notwendigerweise beiden beteiligten Anwälte. Sie vermeiden diese streitige Scheidung, wenn Sie sich einvernehmlich scheiden lassen und eventuelle Scheidungsfolgen außergerichtlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung regeln. Ihr Anwalt wird Sie beraten, wie Sie dabei zweckmäßigerweise vorgehen. Die beste Scheidung ist immer die, die friedlich, konstruktiv und kostensparend abgewickelt wird.

Alles in allem

Eine Scheidung zum Nulltarif oder eine Gratis-Scheidung gibt es nicht. Dennoch haben Sie die Option, Ihre Scheidung weitgehend gebührenfrei zu realisieren. Sprechen Sie Ihren Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin an, welche Option für Sie die Richtige ist. Es gibt immer einen Weg.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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