Wie sollte man sich im Erbfall verhalten – was ist zu beachten?

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In meiner anwaltlichen Praxis erreichen mich immer wieder Anfragen, wie man sich nach einem Erbfall verhalten sollte und was nun zu tun ist. Wenn ein Verwandter oder Familienangehöriger verstorben ist, sind neben der Bewältigung der Trauer trotz allem zahlreiche Dinge zu regeln und zu klären, angefangen bei der Beerdigung und deren Kosten, über die Wohnungsauflösung und den Verbleib des Hausrats, der Beendigung des Mietvertrags und der Versorgerverträge für Telefon, Strom und Gas, von Versicherungen oder dem Umgang mit unbezahlten Rechnungen usw.

Bei allem stellt sich für viele Betroffene zunächst die Frage, wer denn überhaupt Erbe geworden ist und was man überhaupt tun darf.

Vollmacht und Erbfolge 

Hat der Erblasser bereits zu Lebzeiten einer Person eine Vollmacht erteilt, die über den Tod hinaus Gültigkeit hat, so kann der Bevollmächtigte die wichtigen Dinge erledigen, die von der Vollmacht umfasst sind, bis die Erbfolge geklärt ist. Bis zur Eröffnung eines notariellen oder handschriftlichen Testaments bzw. Erbvertrages oder der Erteilung eines Erbscheins kann nämlich einige Zeit vergehen. Stehen die gesetzlichen oder testamentarischen Erben fest, so werden diese die Vollmacht über den Tod hinaus widerrufen. Bei handschriftlichen Testamenten, die vom Erblasser nicht in die amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht gegeben wurden, muss dieses im Nachlass aufgefundene Testament unverzüglich beim Nachlassgericht des Wohn-/Sterbeortes des Erblassers abgeliefert werden. Andernfalls begeht man möglicherweise eine Straftat (Urkundenunterdrückung) und kann aus diesem Grund sogar selbst erbunwürdig sein.

Hat der Erblasser kein Testament oder Erbvertrag hinterlassen, gilt die gesetzliche Erbfolge. Bei im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheirateten Eheleuten mit beispielsweise zwei Kindern erbt die Ehefrau die Hälfte und die beiden Kinder die andere Hälfte zu gleichen Teilen, also zu je 1/4. Haben die Eheleute keine Kinder und lebt z.B. noch ein Elternteil des verstorbenen Ehegatten, so erbt der überlebende Ehegatte nach gesetzlicher Erbfolge ¾ und der Elternteil ¼. Diese zumeist unerwünschte gesetzliche Erbfolge können Eheleute zu Lebzeiten in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament (sog. gewillkürte Erbfolge) mit wechselseitiger Alleinerbeinsetzung vermeiden. Für unverheiratete Paare gibt es im Hinblick auf die Vorsorge für den Todesfall die Möglichkeit, entweder jeweils handschriftliche Einzeltestamente mit Erbeinsetzung des anderen Lebensgefährten zu errichten oder aber einen notariell beurkundeten Erbvertrag zu errichten.

Nachweis der Erbenstellung

Gibt es keine solchen letztwilligen Verfügungen (Testament/Erbvertrag), kann und sollte wegen des Nachweises über die gesetzliche Erbfolge vom Alleinerben ein Erbschein oder bei mehreren Erben von einem der Miterben ein gemeinschaftlicher Erbschein beantragt werden. Dies kann entweder direkt beim Nachlassgericht, einer Abteilung des Amtsgerichtes am letzten Wohnort oder dem Sterbeort des Erblassers, oder im Wege der Beurkundung über einen Notar erfolgen. Von den Gebühren ist dies bis auf die beim Notar anfallende Mehrwertsteuer kaum ein Unterschied. Ein Erbschein ist erforderlich, wenn zum Nachlass Immobilien, Firmenbeteiligungen usw. gehören. Auch Banken bestehen in der Regel auf die Vorlage eines Erbscheins (oder vom Nachlassgericht eröffneten notariellen Testaments).

Streitiges Erbscheinverfahren

Gar nicht so selten ist der Fall, dass Streit darüber entsteht, aufgrund welchen Testaments jemand eigentlich beerbt wurde. Dies kann sich daraus ergeben, dass der Erblasser beim letzten Testament angeblich nicht mehr testierfähig gewesen sein soll, weiterhin auch aus Bindungswirkungen früherer letztwilliger Verfügungen, die bei einem späteren Testament übersehen oder als nicht mehr relevant bewertet wurden.  

Streitigkeiten um das Erbe und die Erbfolge können in einem Erbscheinverfahren oder aber mit einer Erbenfeststellungsklage geklärt werden.

Erbauseinandersetzung

Einzelfragen im Rahmen der Erbauseinandersetzung, z.B. Fragen der Anrechnung von lebzeitigen Zuwendungen, der Berücksichtigung von Pflegeleistungen, des Wertes von Gegenständen usw. sind mit Feststellungsklagen gerichtlich zu klären, sollte innerhalb der Erbengemeinschaft dazu kein Einvernehmen hergestellt werden.

Das Gesetz kennt zwar die sog. Erbteilungsklage (§§ 2042 ff. BGB). Als Mittel zur Erbauseinandersetzung im Streitfall ist diese allerdings meist ungeeignet, da hinsichtlich der Nachlassaufstellung und des Wertes des zu verteilenden Nachlasses Teilungsreife bestehen muss, d.h. die Vorlage eines detaillierten Teilungsplans ist erforderlich. Hierzu muss aber auch der gesamte Nachlass bekannt, alle Schulden beglichen und der verbliebene Nachlass teilbar sein. Dies ist jedoch meist gerade das Problem zerstrittener Erbengemeinschaften. Hier bleibt dann nur der Weg, einzelne Streitfragen im Wege von Feststellungsklagen gerichtlich zu klären und z.B. bei Immobilienbesitz die Teilungsversteigerung zu wählen und bewegliche Wertgegenstände im Wege des sog. Pfandverkaufs vorab zu Geld zu machen. Außerdem darf der Erblasser eine Teilung des Nachlasses nicht in seinem Testament ausgeschlossen oder eine anderslautende Teilungsanordnung getroffen haben. 

Pflichtteil-/Pflichtteilsergänzungsanspruch

Im Falle der testamentarischen Enterbung besteht für Ehegatten und Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel – ehelich wie nichtehelich oder adoptiert) sowie für die Eltern des Erblassers ein Anspruch auf den sog. Pflichtteil gem. §§ 2303 ff. BGB. Der Pflichtteilsberechtigte hat Anspruch auf Auskunft über den Nachlass zum Todeszeitpunkt, über lebzeitige Schenkungen des Erblassers und über Zuwendungen unter Ehegatten, die für den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch bedeutsam sein können, weiterhin ein Anspruch auf Wertermittlung (z.B. bei Immobilien im Nachlass, aber auch bei Schmuck, Sammlungen und Antiquitäten) sowie auf Erstellung eines sog. Bestands- bzw. Nachlassverzeichnis in geordneter Weise, d.h. aufgeteilt nach Aktiva (Haben/Vermögen) und Passiva (Erblasser- wie Nachlassverbindlichkeiten). Die Höhe des Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte des Erbteils nach gesetzlicher Erbfolge und ist ein reiner Zahlungsanspruch gegen den Nachlass, der mit dem Erbfall fällig wird. Der Pflichtteilsberechtigte ist nicht Erbe und nicht Teil der Erbengemeinschaft, auch wenn er sonst zum Kreis der Familie gehören mag, hat also kein Mitspracherecht bei der Verteilung des Nachlasses oder dem Verbleib und Schicksal einzelner Nachlassgegenstände. Pflichtteilsansprüche bestehen nicht bei Verwandtschaft in der sog. Seitenlinie, d.h. unter Geschwistern oder bei Tante/Onkel und Neffen/Nichten und unter Cousins/Cousinen. Der Pflichtteilsanspruch sowie der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB verjähren jeweils nach 3 Jahren, wobei hier das Jahr des Todes bzw. Erbfalles nicht mitgezählt wird. Verstirbt also jemand am 31. Januar 2022, so zählt man die 3 Jahre ab dem 01.01.2023, wonach Verjährung mit Ablauf des 31.12.2025, d.h. zum 01.01.2026 eintreten würde, soweit sich der Erbe darauf beruft, d.h. die Einrede der Verjährung erhebt. Für Ansprüche wegen Schenkung unmittelbar gegen vom Erblasser Beschenkte nach § 2329 BGB sind es gem. § 2332 Abs. 1 BGB genau 3 Jahre ab dem Erbfall, d.h. im obigen Beispiel wäre Verjährungseintritt bereits mit Ablauf des 31. Januar 2025.

Mit der Geltendmachung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen, insbesondere mit der Auskunft zum Nachlass zur Bezifferung der Ansprüche, sollte man aufgrund der kurzen Verjährungsdauer nicht lange zögern und sich von Erben außergerichtlich nicht längere Zeit hinhalten lassen oder bei fehlender Reaktion einfach abwarten, was passiert. Den Eintritt der Verjährung kann man nur durch eine Verjährungsverzichtserklärung des oder der Erben oder aber mit rechtzeitiger Erhebung einer sog. Stufenklage hemmen. Ein einfaches Schreiben an den oder die Erben, mit dem man seine Ansprüche vorgerichtlich geltend macht, reicht zur Hemmung der Verjährung nicht aus.

Gerichtliche Durchsetzung 

Zeigen sich die Erben unkooperativ, lassen sich alle Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten auch gerichtlich durchsetzen. Hier gibt es z.B. die sog. Stufenklage, die in mehreren Stufen die Ansprüche, die dem Pflichtteilsberechtigten zustehen, durchsetzt. Da für dieses Verfahren sehr viele Verfahrensschritte und Verfahrenshandlungen nötig sind, sollten betroffene Pflichtteilsberechtigte sich in jedem Fall rechtlich beraten und vertreten lassen.

Denkbar ist unter bestimmten Voraussetzungen auch ein sog. Arrest bzw. dinglicher Arrest in das Vermögen des Erben, z.B. wenn der Erbe keine oder bewusst falsche Angaben zum Nachlass erteilt und hektische Vermögensübertragungen und/oder sonstige Vermögensverschiebungen  durch den oder die Erben anstehen sollten.

Erbausschlagung

Schließlich gibt es noch Fälle, in denen der Erbe die Erbschaft nicht annehmen möchte. Dies wird im Erbfall meist bei Überschuldung des Nachlasses der Fall sein. Hier ist die Erbausschlagung nur binnen 6 Wochen ab Kenntnis vom Erbfall und der eigenen Erbenstellung möglich und ist entweder zu Protokoll beim Nachlassgericht am Wohnort des Erblassers oder am eigenen Wohnort möglich (§ 344 Abs. 7 FamFG). Für minderjährige Kinder ist vom Sorgeberechtigten eine familiengerichtliche Genehmigung zur Erbausschlagung einzuholen und beim Nachlassgericht ab Erhalt unverzüglich einzureichen. Für die Dauer dieses familiengerichtlichen Genehmigungsverfahrens ist die 6 Wochenfrist zur Erbausschlagung nur unterbrochen, d.h. beginnt nicht von vorn.

Existiert kein Testament, beginnt die Erbausschlagungsfrist ab Kenntnis vom Erbfall (Nachricht vom Tod) und der eigenen Erbenstellung, ansonsten ab Erhalt des Eröffnungsprotokolls mit der beglaubigten Kopie des eröffneten Testaments vom Nachlassgericht, welches einen als Erben ausweist.

Eine Erbausschlagungserklärung kann man auch von einem Notariat öffentlich beglaubigen lassen und dann beim Nachlassgericht einreichen. Für den fristgerechten Eingang der notariell beglaubigten Erbausschlagung beim Nachlassgericht muss der Erbe allerdings selbst sorgen.

War man zu Beginn der Ausschlagungsfrist im Ausland oder ist der Erblasser im Ausland verstorben (z.B. im Urlaub), beträgt die Frist zur Erbausschlagung 6 Monate statt 6 Wochen.

Beschränkung der Erbenhaftung

Hat man die Erbausschlagungsfrist verpasst und ist eine Anfechtung der Erbschaftsannahme nicht möglich, besteht trotzdem noch die Möglichkeit der Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass, z.B. mittels Nachlassverwaltung oder Beantragung der Nachlassinsolvenz, bei Dürftigkeit des Nachlasses mittels sog. Dürftigkeitseinrede gegenüber den Nachlassgläubigern.

Für Rückforderungsansprüchen des Sozialamts gegenüber den Erben bei lebzeitig erbrachten Sozialleistungen, die aufgrund rechtswidrigen Leistungsbescheides z.B. wegen unrichtiger Angaben zum Vermögen usw. zu einer Rückforderung von zu Unrecht erbrachten Leistungen führen, enthält das SGB XII Regelungen in den §§ 103, 104 SGB XII im Hinblick auf die §§ 45 - 50 SGB X. Gemäß § 103 Abs. 2 S. 2 SGB XII findet die Vorschrift des § 102 Abs. 2 S. 2 SGB XII Anwendung, wonach der Erbe nur mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses haftet, sollte man als Erbe eine Erbausschlagung verpasst haben.  

Gestaltungsmöglichkeiten 

Das Erbrecht ist breit gefächert und hier können sich für Erben wie Enterbte, aber auch für Personen mit lebzeitigem Willen zur rechtzeitigen Vorsorge auf den Todesfall zahlreiche rechtliche Einzelfragen ergeben, z.B. mit Blick auf das Sozialrecht (z.B. sog. Behindertentestament), aber auch dahingehend, wie z.B. ein wegen Testament mit dem vorverstorbenen Ehegatten in seiner Testierfreiheit gebundene(r) Witwer/Witwe für eine neue Ehe die Testierfreiheit wiedererlangen könnte, z.B. durch notariellen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag mit den Kindern aus erster Ehe.  

Sprechen Sie mich daher gerne an!

Jens-Uwe Friemann

     Rechtsanwalt


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