Wie verhalte ich mich bei Festnahme durch die Polizei? – Fachanwalt für Strafrecht bei Festnahme und Untersuchungshaft

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Von der Polizei festgenommen zu werden, dürfte für die meisten eine gänzlich ungewohnte und zugleich unangenehme Situation darstellen. Davon sollte man sich aber nicht überrumpeln lassen, sondern ruhig bleiben und bedacht vorgehen. Nicht selten verbauen Beschuldigte (ob schuldig oder unschuldig) bereits Wege, mit denen sich eine Strafverteidigung gut oder noch besser gehen ließe.


Daher ist es zu empfehlen, folgende fünf Grundregeln bei einer Festnahme durch die Polizei im eigenen Interesse zu beachten:

  1. Bleiben Sie ruhig.
  2. Leisten Sie keinen Widerstand.
  3. Machen Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch.
  4. Unterschreiben Sie nichts.
  5. Bestehen Sie auf Ihr Recht und rufen Sie Ihren Strafverteidiger an.

1 | Bleiben Sie ruhig.

Die eigene Festnahme ist eine missliche Lage und oft emotional aufgeladen. Gerade, wenn man solch eine Situation zum ersten Mal erfährt, ist einem verständlicherweise daran gelegen, die Sache so schnell wie möglich zu erledigen. Genau dies zu gewährleisten, ist im Übrigen auch der Anspruch jedes Strafverteidigers.

Wie immer zeigt sich aber auch hier: Dazu ist ein besonnenes Vorgehen notwendig; übereilte Reaktionen helfen in der Regel nicht wirklich weiter und verschlimmern die Situation meistens nur. Gerade zu Beginn des Strafverfahrens werden wichtige Weichen für den weiteren Verlauf des Verfahrens gestellt. Es empfiehlt sich, es mit Helmut Schmidt zu halten: „Wenn anderen heiß wird, werd' ich kalt. Wenn andere kalt werden, werd' ich eiskalt.“

2 | Leisten Sie keinen Widerstand.

Es wird wohl vergleichsweise selten vorkommen, dass eine Festnahme gegen einen Beschuldigten widerrechtlich geschieht, dieser sich also theoretisch dagegen zur Wehr setzen dürfte; oft kann das ad hoc auch nicht korrekt festgestellt werden. Daher sollte man besser keinen Widerstand gegen die Maßnahmen der festnehmenden Beamten leisten und höflich auftreten.

Schnell steht andernfalls der Vorwurf des Widerstands oder tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte oder gegebenenfalls auch der Körperverletzung im Raum. Das muss nicht sein. Sollten Sie den Eindruck haben, rechtswidrig behandelt zu werden, merken Sie sich die Umstände und sprechen diese bei Ihrem Rechtsanwalt an.

3 | Machen Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch.

Jeder Mensch hat von Verfassung wegen das Recht, sich nicht selbst zu belasten. Daher müssen Sie auch gegenüber der Polizei und der Staatsanwaltschaft keine Angaben zur Sache machen. Verpflichtet sind Sie im Wesentlichen nur, Auskunft über Ihre Person zu erteilen. Aus der anwaltlichen Erfahrung heraus können meine Kollegen und ich nur dringend davon abraten, sich auf Gespräche mit den Strafverfolgungsbehörden einzulassen. Nicht selten erschwert das die anwaltliche Arbeit enorm und schließt ganze Verteidigungsansätze aus.


Dieser Hinweis gilt explizit auch dann, wenn Sie sich selbst für unschuldig halten. Auch hier können durch eine kleine ungünstige Einlassung mit Leichtigkeit eigentlich gut vermeidbare Schwierigkeiten herbeigeführt werden.

Bitte lassen Sie sich auch nicht von Einwänden verunsichern, das Schweigen mache Sie verdächtig, ein Unschuldiger hätte keinen Grund dazu und würde die Wahrheit mitteilen. Auch – bei teilweise nebulöser Darlegung des Tatvorwurfs – empfiehlt es sich nicht, diesen wie durch die Polizei mitunter vorgeschlagen, rasch klarzustellen oder aus der Welt zu räumen. Diese Aufforderungen zur Abgabe einer Aussage übergehen nicht nur verfassungsrechtlich verbürgte Rechte, sondern sind auch in der Sache falsch. Eine Einlassung nach Rücksprache mit dem Rechtsanwalt ist gleichwertig mit einer, die ad hoc gegeben wird. Zu Schweigen bedeutet kein besonderes Verdachtsmoment.


Beachten Sie dabei: Ihre Entscheidung zu schweigen ist erst einmal nur vorläufiger Natur. Ein von Ihnen beauftragter Rechtsanwalt wird zunächst Akteneinsicht nehmen. Damit soll zwischen Ihnen und den Strafverfolgungsbehörden „Waffengleichheit“ herrschen. Sie wissen nunmehr, welche Ermittlungshypothesen im Raum stehen und welche Beweise dazu herangezogen werden sollen. Hiernach werden Sie und ihr Anwalt miteinander ins Gespräch gehen und das weitere Vorgehen erörtern. Das Ergebnis dieses Gespräch kann es durchaus sein, dass Sie sich dann doch zur Sache einlassen. Vor der anwaltlichen Prüfung der Angelegenheit empfiehlt es sich allerdings dringend, von Einlassungen abzusehen. Dies gilt auch für „kleine Gespräche am Rande“ und Smalltalk mit Polizei oder Staatsanwaltschaft.

4 | Unterschreiben Sie nichts.

Diese Grundregel ähnelt der vorhergehenden. Sehen Sie sich auch nicht dazu veranlasst, irgendwelche Schriftstücke wie Protokolle oder dergleichen zu unterzeichnen. Bedenken Sie auch, dass mit Ihrer Unterschrift ggf. Schriftproben durchgeführt werden können.

5 | Bestehen Sie auf Ihr Recht: Rufen Sie Ihren Strafverteidiger an.

Neben dem Schweigerecht haben Sie einen weiteren zentralen Anspruch: den auf rechtlichen Beistand durch einen Rechtsanwalt. Diesen sollten Sie unbedingt nutzen. Insistieren Sie freundlich und bestimmt darauf, sich mit einem Rechtsanwalt Ihrer Wahl zu beraten. Dieser wird wie bereits angeklungen Akteneinsicht nehmen, um Ihre aktuelle Lage von allen Seiten zu beleuchten und rechtlich einzuordnen.

Mit ihm gemeinsam haben Sie die besten Chancen, die Sache gut zu händeln. Er ist die einzige Institution im ganzen Ermittlungsverfahren, die in diesem Maße auch Ihnen verpflichtet ist. Der Auftrag der Polizei und der Staatsanwaltschaft ist anders, sie sind zur Strafverfolgung berufen und Sie als Festgenommener tatverdächtig. Bitte schenken Sie daher „nett gemeinten“ Angeboten, Hinweisen, man könnte das auch zu zweit lösen usw. keinen Glauben. Polizei und Staatsanwaltschaft steht in diesem Kontext nicht unbedingt auf Ihrer Seite.

Erfahrene Fachanwälte für Strafrecht sind mit Festnahmesituationen bestens vertraut und entsprechend in der Lage, zügig und zielgenau einzuschreiten.

Oft ist es auch sinnvoll, einen Angehörigen oder Vertrauen anzurufen und diesen zu bitten, einen Anwalt zu beauftragen. Ihm stehen weiterreichende Recherchemöglichkeiten zur Seite und er befindet sich in einer Atmosphäre, die besonnenes Nachdenken leichter macht als die polizeiliche Sammelstelle.

Wie geht es nach der Festnahme nun weiter?

Dass die Polizei einen abführt, kann aus insbesondere zweierlei Gründen erfolgen: Zwecks Gefahrenabwehr und aufgrund eines laufenden Strafverfahrens, dann regelmäßig mit anschließender Untersuchungshaft im Rahmen eines Strafverfahrens.

Ersteres (Gefahrenabwehr) geschieht nach Einschätzung der Polizei. Diese nimmt Personen zB in Gewahrsam, wenn diese wegen starker Trunkenheit eine Gefahr für sich selbst darstellen oder um schwere bevorstehende Straftaten abzuwenden. Da die Polizei hier zunächst „auf eigene Faust“ tätig wird, ist diese grundsätzlich dazu verpflichtet, unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Freiheitsentziehung herbeizuführen. Die Regelungen hierfür variieren von Bundesland zu Bundesland.


Die andere Variante der Festnahme ist die Festnahme im Rahmen eines Strafverfahrens, wobei diese regelmäßig zur Durchsetzung einer angeordneten Untersuchungshaft dient. Ihr liegt der Haftbefehl des Richters zugrunde. Die Untersuchungshaft dient der Sicherung des Strafverfahrens, wenn zB anzunehmen ist, dass der Verdächtige sich dem Verfahren entziehen (Fluchtgefahr) oder Beweismittel beiseite schaffen (Verdunkelungsgefahr) wird. Auch bei einer solchen Festnahme ist spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen der Verhaftete dem Richter vorzuführen, der über den Fortgang der Freiheitsentziehung eine Entscheidung trifft. Dabei wird dieser vor allem die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft prüfen. Deshalb empfiehlt es sich, zu dieser Vorführung bereits in Begleitung des eigenen Strafverteidigers zu erscheinen – dieser kann möglicherweise entlastende Tatsachen oder Erwägungen vortragen.

Was sind die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft?

Ausgangspunkt für die Untersuchungshaft ist der dringende Tatverdacht. Dieser bedeutet, dass nach dem aktuellen Ermittlungsstand eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat. Dabei liegt auf der Hand: Der Ermittlungsstand kann sich stetig verändern, weshalb immer wieder neu geprüft werden muss, ob der dringende Tatverdacht noch vorliegt. Kommt man zum Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist, ist der Haftbefehl grundsätzlich auszuheben und der Festgehaltene freizulassen. Dies liegt insbesondere daran, dass die Untersuchungshaft zu den gravierendsten und belastendsten Ermittlungsmaßnahmen gehört.


Zusätzlich dazu muss ein Haftgrund vorliegen. Dabei sind Flucht- und Verdunklungsgefahr praktisch am relevantesten; es genügt, wenn einer der beiden vorliegt. Die Fluchtgefahr besteht in der Annahme, der Beschuldigte werde sich dem Strafverfahren entziehen. Hier kann durch gelungene Argumentation möglicherweise davon überzeugt werden, dass es an dieser Fluchtgefahr fehlt (etwa wegen einer milden zu erwartenden Strafe; mangelnder Kenntnis von Fremdsprachen, mangelnder Kontakte im Ausland; persönlicher Bindungen wie ein fester Arbeitsplatz und eine Familie in Deutschland).


Ein anderer Haftgrund ist die sog. Verdunklungsgefahr. Dieser erfasst die Gefahr, der Beschuldigte würde in Freiheit zB Beweismittel vernichten oder manipulieren, auf Zeugen unlauter einwirken oder andere zu solchem Verhalten veranlassen. Auch diese Erwägung bedarf einer Betrachtung aller Einzelumstände. Auch hier kann ein erfahrender Rechtsanwalt in Kenntnis der Aktenlage und persönlichen Verhältnisse des dringend Tatverdächtigen mitunter argumentieren, dass eine solche Gefahr nicht besteht.


Schlussendlich muss die Verhängung der Untersuchungshaft auch verhältnismäßig sein. Gerade bei sehr geringen Straftaten (Ladendiebstahl etc.) gibt es oft mildere Maßnahmen, mit denen das Strafverfahren sichergestellt werden kann wie zB die Weisung, sich regelmäßig an einer bestimmten Stelle zu melden, einen bestimmten örtlich abgegrenzten Bereich nicht zu verlassen oder mit bestimmten Personen nicht in Kontakt zu treten.

Kann man sich gegen die Anordnung von Untersuchungshaft / den Haftbefehl wehren?

Ja, es bestehen gegen den Haftbefehl zwei sog. Rechtsbehelfe, also Mittel, mit denen man sich zur Wehr setzen kann.

Im Rahmen der Haftprüfung entscheidet der Richter, der den Haftbefehl selbst erlassen hat. Daher wird dieses Mittel in der Regel immer dann zu nutzen sein, wenn neue Tatsachen ans Licht kommen, unter deren Kenntnis der Richter den Haftbefehl wahrscheinlich nicht erlassen hätte. Damit sollte die Hoffnung bestehen, dass der Richter den Haftbefehl aufheben oder aussetzen wird.


Auch über die Haftbeschwerde entscheidet zunächst der Richter, der den Haftbefehl erlassen hat. Entscheidet dieser aber nicht im Sinne des Verhafteten, muss der Antrag dem Beschwerdegericht (in der Regel dem nächsthöheren Gericht) vorgelegt werden. Das bedeutet, dass andere Richter mit der Angelegenheit befasst werden. Eine solche Beschwerde ist in der Regel dann einschlägig, wenn der Verhaftete die Auffassung vertritt, der Haftbefehl hätte von vornherein aufgrund der vorliegenden Tatsachen nicht erlassen werden dürfen.


Beide Verfahren können indes nicht zeitgleich betrieben werden, weshalb eine bedachte Auswahl des Vorgehens angezeigt ist. Zudem kann die Haftbeschwerde nur einmal pro Instanz eingelegt werden. Nicht nur deshalb ist es zu empfehlen, so früh wie möglich einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Dieser kann den Einzelfall würdigen und hat die notwendigen Erfahrungen, um rasch und zielsicher im Sinne seines Mandanten zu agieren.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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