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Wird das Betreuungsgeld vor dem Verfassungsgericht scheitern?

  • 3 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Seit August 2013 gibt es das Betreuungsgeld. Schon seine Einführung war politisch wie rechtlich stark umstritten. Noch vor Inkrafttreten des Betreuungsgeldgesetzes hat der Hamburger Senat dessen Überprüfung beim Bundesverfassungsgericht beantragt. Nun wird in Karlsruhe über die Verfassungsmäßigkeit des Betreuungsgelds verhandelt (Az.: 1 BvF 2/13).

Mehr Freiheit in Erziehungsfragen oder Fessel an den Herd

Betreuungsgeld erhalten Eltern, die für die Betreuung ihres Kindes keine öffentlich geförderte Tageseinrichtung oder Tagespflege nutzen. Das Kind muss dazu nach dem 31. Juli 2012 geboren sein und zwischen 15 und 36 Monate alt sein. Dann erhalten Eltern pro Kind monatlich 150 Euro Betreuungsgeld vom Staat.

Gegner des Betreuungsgelds bezeichnen dieses jedoch gerne als „Herdprämie“. Gerade Mütter mit keinem oder geringem Einkommen verleite es, auf eine Erwerbstätigkeit ganz oder größtenteils zu verzichten und stattdessen ihr Kind zu Hause selbst zu betreuen. Den Kindern selbst fehle ohne den Besuch einer Kita oder Tagespflege der Kontakt zu gleichaltrigen Kindern mit entsprechenden Folgen für ihre Entwicklung. Dabei setze sich dies durch die Konzeption des Betreuungsgelds, das an die 14-monatige Bezugszeit des Elterngelds anknüpft, fort.

Die Befürworter betonen auf der anderen Seite besonders die größere Flexibilität, die das Betreuungsgeld Eltern bei der Betreuung ermöglicht. Sie hätten mehr Wahlfreiheit bei den verschiedenen Betreuungsmöglichkeiten. Für die gesellschaftspolitische Bewertung des Betreuungsgelds sind solche Ansichten sicher wichtig. Für das Bundesverfassungsgericht kommt es bei seiner jetzigen Entscheidung vorrangig auf die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (GG) an.

Gesetzgebungskompetenz des Bundes zweifelhaft

Hier wirft das Betreuungsgeld bereits die Frage auf, ob der Bund es überhaupt erlassen durfte? Kurz gesagt: Hatte der Bundestag überhaupt die Gesetzgebungskompetenz dazu? Gestützt wurde das Betreuungsgeld auf die Kompetenz für den Bereich der öffentlichen Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG). Verknüpft wurde die Zuständigkeit des Bundes mit der angeblich notwendigen Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet, damit das Gesetzgebungsrecht nicht bei den Bundesländern liegt.

Bei der öffentlichen Fürsorge geht es um Fragen der Hilfe bei wirtschaftlicher Notlage bzw. zu deren Verhinderung. Eine solche setzt das Betreuungsgeld jedoch nicht voraus. Wegen der Anrechnung des Betreuungsgelds auf Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Kinderzuschlag ist eher vom Gegenteil auszugehen. Entscheidend ist neben dem Kindesalter nur der Verzicht auf Inanspruchnahme einer öffentlich geförderten Tageseinrichtung.

Staat muss Familien in neutraler Weise fördern

Kritik am Betreuungsgeld ergibt sich auch hinsichtlich des Familiengrundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG. Ehe und Familie stehen demnach unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Der Staat hat dadurch die Pflicht, Familien zu fördern. Geburt, Pflege und Erziehung von Kindern sind schließlich entscheidend für das Gemeinwohl. Wie der Staat Familien zum Erreichen dieses Ziels fördert, ist weitgehend ihm überlassen. Die Förderung kann in Form von Geld-, Sach- oder Dienstleistungen erfolgen. Es darf dabei bloß nicht zu einer Benachteiligung einzelner Familienformen kommen. Das heißt, für die gleiche Pflege- und Erziehungsleistung muss es die gleiche finanzielle Förderung geben.

Eine unterschiedliche, staatliche Förderung, weil Eltern ihr Kind in eine öffentlich geförderte Einrichtung bringen oder nicht, verbietet sich jedoch. Eltern sind nicht deshalb bessere oder schlechtere Eltern, nur weil sie ihr Kind selbst betreuen bzw. zeitweise in fremde Obhut geben. Im Übrigen setzt auch das Betreuungsgeld nicht voraus, dass Eltern ihr Kind selbst betreuen. Sie können es stattdessen auch einer privaten Einrichtung, einer Tagespflege, einem Kindermädchen oder den Großeltern anvertrauen, ohne deshalb Einbußen hinnehmen zu müssen.

Weniger Förderung bei Betreuungsgeldbezug

Eine Begründung für das Betreuungsgeld ist der finanzielle Ausgleich für Nichtinanspruchnahme einer öffentlich geförderten Tageseinrichtung bzw. Tagespflege. Während Eltern durch das Betreuungsgeld für ein Kind pro Jahr 1800 Euro erhalten, liegt die öffentliche Förderung eines Betreuungsplatzes weit darüber. Bei einem Kita-Platz für Kinder unter drei Jahren ist durchschnittlich mit etwa 1000 Euro im Monat zu rechnen. In der Tagespflege sind es durchschnittlich 790 Euro (BT-Drucks. 17/9917). Auch unter Anrechnung der von Eltern für den Besuch bzw. die Nutzung zu zahlender Gebühren, liegt diese Förderung über derjenigen, die sich durch das Betreuungsgeld ergibt. Insofern ist das Betreuungsgeld auch wegen dieser unterschiedlichen staatlichen Förderung verfassungsrechtlich zweifelhaft. Angesichts des ebenfalls seit August 2013 bestehenden Anspruchs auf einen Kita-Platz wirkt das Betreuungsgeld vielmehr wie der Versuch, Kosten zu vermeiden.

Die Bundesregierung, die vertreten durch das Bundesfamilienministerium das Betreuungsgeld nun verteidigen muss, sieht die gesetzgeberischen Spielräume hingegen gewahrt. Eine Entscheidung der Verfassungsrichter zum Betreuungsgeld ist erst in einigen Monaten zu erwarten.

(GUE)

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