Wirecard AG: Aktionäre können Ansprüche gegen Wirtschaftsprüfer (Ernst & Young) im Musterverfahren anmelden

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Im Musterverfahren der Aktionäre gegen die Wirtschaftsprüfer der Wirecard AG vor dem Bayrischen Obersten Landgericht (Az. 101 Kap 1/22) haben Aktionäre und Anleger nunmehr die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche zum Musterverfahren anzumelden. Die Anmeldung ist bis Mitte September 2023 möglich. Mit der Anmeldung kann die Verjährung von möglichen Schadenersatzansprüchen gehemmt werden. Mögliche Ansprüche verjähren im Zweifel zum Ende des Jahres 2023.

Vorwürfe gegen Prüfer im Musterverfahren

Das Musterverfahren wendet sich gegen die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, gegen die Wirtschaftsprüfer persönlich sowie die Vorstände der Wirecard AG. Die Kläger des Musterverfahrens werfen den Wirtschaftsprüfern vor, den jeweils uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Konzernabschlüsse der Jahre 2014 bis 2018 billigend in Kauf genommen zu haben. Dabei werfen die Kläger den u. a. Prüfern vor, sich nicht Originalkontoauszüge und Banksaldenbestätigungen zu den Treuhandkonten zeigen gelassen zu haben. Ebenso wird darauf verwiesen, dass Zahlungseingänge auf den Treuhandkonten nicht geprüft worden sind. Zudem verweisen die Kläger darauf, dass öffentlich geäußerte Vorwürfe gegen die Wirecard AG ignoriert wurden und die Prüfer gegen Prüfungsstandards verstoßen haben, weil Sie nicht, wie erforderlich, Unterlagen vertieft eingesehen haben.

Die Rechtslage

Für eine Haftung der Wirtschaftsprüfer ist u. a. entscheidend, ob Sie vorsätzlich gegen ihre Pflichten verstoßen haben. Die Rechtsprechung fordert zudem, dass die Prüfer ihre Aufgaben nachlässig erledigt haben und dabei in gewissenloser Weise rücksichtslos zu Lasten der Anleger gehandelt haben. Entscheidend wird also sein, wie schwerwiegend die Pflichtverstöße der Prüfer gewesen sind und ob diesen ein gewissenloses Handeln im rechtlichen Sinne vorgeworfen werden kann.

Die Musterkläger berufen sich zudem auf eine Mithaftung der Wirtschaftsprüfer bei der Verletzung von Pflichten der Wirecard AG. Eine solche Mithaftung der Wirtschaftsprüfer für Pflichtverletzungen der Wirecard AG kommt aber nur dann in Betracht, wenn § 830 Abs. 2 BGB des Bürgerlichen Gesetzbuches anwendbar ist, weil man die kapitalmarktrechtlichen Informationspflichtverletzungen der Wirecard AG nach dem Wertpapierhandelsgesetz als unerlaubte Handlungen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ansieht. Dies ist unter Juristen umstritten.

Eine Haftung der Vorstände wird man im Zweifel bejahen können. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob in Anbetracht eines Urteils noch vollstreckbares Vermögen bei den Vorständen vorhanden ist.

Anmeldung im Musterverfahren

Die Anmeldung von Ansprüchen im Musterverfahren hat durch einen Anwalt zu erfolgenerfolgen (§ 10 Abs. 2 S. 3 KapMuG). Mit der Anmeldung wird die Verjährung möglicher Ansprüche gegen die Musterbeklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens und gehemmt (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB).  Der Anmelder kann also abwarten, wie das Musterverfahren ausgeht. Wird mit Abschluss des Verfahrens ein Anspruch der Anleger bejaht, kann der Anleger nunmehr Klage gegen die Beklagten erheben und den angemeldeten Anspruch geltend machen. Jedoch wird das mit der Klage befasste Gericht durch die Entscheidung im Musterverfahren nicht gebunden. Es ist aber damit zu rechnen, dass sich das Gericht an dem rechtskräftigen Musterentscheid orientiert oder die unterliegenden Beklagten den Anmeldern Vergleichsangebote machen.

Kosten der Anmeldung

Die Anmeldung erfolgt zu einer reduzierten Anwaltsgebühr (0,8-Verfahrensgebühr, VV RVG Nr. 3338), die auf folgende Gebühren des möglichen Klageverfahrens angerechnet wird. Dasselbe gilt für die Gerichtsgebühren (0,5 Gerichtsgebühren gemäß KV GKG Nr. 1902). Die Höhe der Gebühren richten sich nach der Höhe des angemeldeten Anspruchs (z. B. Erwerbsaufwand für die Aktien abzüglich Verkaufserlös; bei Totalverlust Erwerbsaufwand für die Aktien; Kursdifferenzschaden: Differenz aus Aktienwert bei Erwerb und wahrem Wert der Aktien unter Einbeziehung der Tatsache fehlender Treuhandkonten).


Die Kanzlei 2vier2 ist auf Vertretung von Aktionären in Kapitalmarktstreitigkeiten spezialisiert. Entsprechend hat Rechtsanwalt Philipp Neumann bereits Aktionäre gegen die Telekom AG, die IKB AG, HRE sowie die Volkswagen AG zum Vorwurf der Fehlinformation des Kapitalmarktes vertreten. Bei Fragen wenden Sie sich entweder telefonisch (069-770394690) bzw. per E-Mail (neumann@kanzlie-2vier2.de) an Rechtsanwalt Philipp Neumann.



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