Worauf es beim Berliner Testament ankommt

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Es wundert mich immer wieder, auf welch großes Interesse doch juristische Themen - und sogar sehr spezielle juristische Fragestellungen - bei der Allgemeinheit offenbar stoßen.


So bewirbt eine Münchner Tageszeitung ihre letzte Freitagsausgabe auf dem Zeitungskasten mit dem Topthema: Worauf es beim Berliner Testament ankommt. 

Zeitungskasten, Aufsteller… Wie heißt das Ding eigentlich? Egal, in 20 oder 30 Jahren wird es das sowieso nicht mehr geben, dann lesen wir alle nur noch digital. Wenn wir dann überhaupt noch lesen…

Und: Wie alt ist eigentlich der durchschnittliche Leser dieser Zeitung? Also auf der Titelseite ist dann noch das Foto einer Frau, die gerade im Alter von 103 Jahren gestorben ist, und ein Beitrag über den dienstältesten Coach einer Casting Show. Was die Leute immer mit dem Thema Alter haben? … 

Aber egal, werden wir juristisch. Wir sind ja hier schließlich auf anwalt.de.


Also ich muss zugeben: Da bekommt man, wenn auch erst auf Seite 8 der Zeitung, für 2,50 € doch eine recht kompetente juristische Ausarbeitung, um nicht von Beratung zu sprechen, zum Thema Berliner Testament.


Und um das ganze noch toppen, bekommen Sie hier die Quintessenz dieser Erläuterungen jetzt sogar kostenlos.


1. Ein bisschen Urheberrecht vorweg – Können Sie überspringen, wenn Sie sich nur für Erbrecht interessieren. Weiter geht es für Sie dann bei Ziffer 2


Vielleicht fragen Sie sich ja: Darf der denn einfach so aus der Zeitung „abschreiben“? So etwas geht doch nicht, oder?


Doch, unter Beachtung gewisser Grenzen geht das schon.


Denn: Wissen und Ideen als solche sind rechtlich nicht geschützt. Man begeht also keine Urheberrechtsverletzung, wenn man den Inhalt eines Zeitungsartikels kommentiert und dabei mit eigenen Worten wiedergibt. Zum Plagiat wird das ganze erst, wenn man  einzelne Formulierungen, welche die urheberrechtliche „Schöpfungshöhe“ erreichen, abpinselt.  Aber das tun wir sicher nicht. Unter uns: Das, was in dem Zeitungsartikel oder auch in meinem Beitrag hier steht, finden Sie so oder so ähnlich auch in tausend anderen Aufsätzen. Auf den Inhalt werden also weder der „Zeitungskollege“ noch ich irgendwelche Monopolansprüche erheben können. So ist das eben. Wissen ist für alle da.


2. Worauf kommt es bei einem Berliner Testament an? 


a) Was ist überhaupt ein Berliner Testament?


Als Berliner Testament bezeichnet man im deutschen Erbrecht ein gemeinschaftliches Testament von Ehepartnern oder Lebenspartnern, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und bestimmen, dass mit dem Tod des zuletzt Verstorbenen der Nachlass an einen Dritten fallen soll.


Fun Fact am Rande: Diese (richtige) Antwort bekommen Sie, wenn Sie in eine kleine (zB) weiß-graue Kugel sprechen: Alexa, was ist ein Berliner Testament? Ja, soweit ist die KI (Künstliche Intelligenz) schon lange, dass sie Ihnen eine solche Frage beantworten kann. Und Chat GPT hätte Ihnen wahrscheinlich sogar den ganzen Aufsatz hier schreiben können.


Das Berliner Testament regelt also zwei Erbfälle, nämlich erstens den Tod des einen Ehegatten – da erbt der andere alles – und zweitens den (späteren) Tod des zweiten Ehegatten – da erben dann zB die (gemeinsamen) Kinder. Man nennt diese übrigens Schlusserben (nicht Nacherben, das ist etwas anderes).


b) Wie errichtet man ein Berliner Testament?


Grundsätzlich so, wie jedes andere Testament auch, also entweder handschriftlich oder vor einem Notar.


Handschriftlich heißt: Eigenhändig geschrieben und unterschrieben, wobei es bei einem Berliner Testament ausreicht, wenn einer der Ehegatten das Testament schreibt. Sie müssen den Griffel also nicht gemeinsam in der Hand halten. Unterschreiben müssen dann aber natürlich beide. Sie können Ihr Berliner Testament auch in einer Fremdsprache verfassen oder am Rand mit Blümchen oder Herzchen verzieren. Ihrer Kreativität sind in dieser Hinsicht keine Grenzen gesetzt.


c) Berliner Testament und Pflichtteil


Da sich die Ehegatten beim Tod des zuerst versterbenden Ehegatten wechselseitig zu Alleinerben einsetzen, werden die Kinder bei diesem ersten Erbfall effektiv enterbt. Sie bekommen als (zunächst) nichts. Das führt dazu, dass die Kinder in diesem Fall einen Pflichtteilsanspruch haben.


Das kann man rechtlich nicht verhindern, da der Pflichtteil nicht ohne Grund entziehbar ist. Ausnahmen – für Spezialisten - finden Sie in den §§ 2333ff BGB.


Man kann allerdings Anreize für die Kinder schaffen, den Pflichtteilsanspruch nicht geltend zu machen, indem man etwa schreibt:


Falls ein Kind im Falle des Todes des zuerst Versterbenden seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, soll es auch beim Tode des zuletzt Versterbenden nur den Pflichtteil bekommen.


Das bedeutet: Wenn  das Kind, wie vorgesehen, im vollen Umfang Schlusserbe werden will, darf es beim Tod des zuerst versterbenden Elternteils keinen Pflichtteilsanspruch geltend machen. Ansonsten wird es beim Tod des später versterbenden Ehegatten nicht vollumfänglich Schlusserbe, sondern bekommt auch nur den Pflichtteil, also die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.  


Auf diese Weise verhindert man die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen zwar nicht sicher, aber man schafft zumindest einen starken Anreiz für das Kind, den Willen der Erblasser (Eltern) zu respektieren.


d) Berliner Testament und steuerliche Aspekte


Der Zeitungsartikel geht dann auch noch recht detailliert und anschaulich auf steuerliche Fragen ein, also auf die Erbschaftssteuer, auf Freibeträge und so weiter.


Das möchte ich jetzt an dieser Stelle nicht weiter referieren und auch nichts weiter dazu sagen, da ich kein Steuerberater bin. Im Übrigen bin ich auch grundsätzlich eher der Meinung, dass man die Dinge rechtlich so gestalten sollte, wie man sie von der Sache her haben möchte. Und die Steuer ist dann eben so, wie sie ist. Wenn man sich umgekehrt bei der (erb)rechtlichen Gestaltung immer daran orientiert, was steuerlich am günstigsten ist, dann kommt am Schluss möglicherweise etwas heraus, was zwar steuerlich vorteilhaft ist, was man aber im Kern eigentlich gar nicht will. Frei nach dem Motto: Es passt mir zwar nicht, aber dafür war es billig. 


3. Das optimierte Berliner Testament


a) Kinder als Miterben und Nießbrauch für den überlebenden Ehegatten


Die vorgeschlagenen Optimierungen des standardmäßigen Berliner Testaments betreffen in erster Linie steuerliche Fragen. So wird zum Beispiel vorgeschlagen, dass die Kinder schon beim ersten Erbfall nicht gänzlich leer ausgehen sollen, sondern zum Beispiel Miteigentümer (Miterben) einer in die Erbmasse fallenden Immobilie werden.


Um sicherzustellen, dass der überlebende Ehegatte das Haus oder die Wohnung nach wie vor allein nutzen kann, kann diesem ein Nießbrauch eingeräumt werden.


Bei dieser Gestaltung können die steuerlichen Freibeträge der Kinder besser ausgenutzt werden, was im Ergebnis zu einer geringeren Erbschaftsteuerbelastung führen kann. Aber das kommt natürlich, wie so häufig bei Steuerfragen, immer auf die individuellen finanziellen Verhältnisse an, insbesondere auf den Umfang des vererbten Vermögens.


b) Die Wechselfälle des Lebens: Scheidung, Wiederverheiratung usw


Weitere Optimierungen des Berliner Testament betreffen u.a. die Themen


- Scheidung


- Bindung des überlebenden Ehegatten an die wechselseitigen Verfügungen im Berliner Testament, also insbesondere an die Erbeinsetzung der Kinder als Schlusserben


- Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten nach dem Tod des zuerst Versterbenden usw.


4. Erbrechtliche Beratung im Einzelfall


So, jetzt wissen Sie in allgemeiner Form „alles“ über das Berliner Testament. Ohne dass Sie dafür 2,50 € ausgeben mussten.


Aber Achtung: Weitere Fragen zu Ihrer individuellen erbrechtlichen Situation oder die konkrete Ausgestaltung (Formulierung, Abfassung) eines Berliner Testaments in Ihrem speziellen Fall werden Sie leider von keinem Anwalt kostenlos bekommen. Man soll´s mit dem „Geiz ist geil“-Denken auch nicht übertreiben. Also fragen Sie erst gar nicht nach einer kostenlosen Beratung. Auch der nette Herr aus der Zeitung wird Ihre individuellen Fragen vermutlich nicht kostenlos beantworten.


Und ob Alexa das (heute schon) hinbekommt, also da hätte ich so meine Zweifel.



Dr. Wolfgang Gottwald

Rechtsanwalt


Foto(s): wogo

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