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Mondpreise, Beutelschneiderei & Co. – das müssen Sie über Wucher wissen

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Mondpreise, Beutelschneiderei & Co. – das müssen Sie über Wucher wissen

Experten-Autorin dieses Themas

„Das ist ja Wucher!“ Diesen Ausruf haben viele Menschen bestimmt schon mal gehört oder selbst benutzt, wenn sie sich im rechtsgeschäftlichen Verkehr beispielsweise von hohen Preisen extrem benachteiligt fühlten. Doch was ist Wucher eigentlich? Wann liegt ein Wuchergeschäft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vor? Und kann Wucher auch eine Straftat sein? In diesem Ratgeber erfahren Sie, welche Voraussetzungen für Wucher vorliegen müssen und wann Wucher tatsächlich strafbar ist. Am Ende des Ratgebers finden Sie eine kompakte Auflistung typischer Wucherfälle und aktuelle Beispiele aus der Rechtsprechung für sittenwidrige Wuchergeschäfte.

Voraussetzungen für Wucher nach dem BGB

Im deutschen Zivilrecht ist der Wucher in § 138 Absatz 2 des BGB geregelt. Ist der Wuchertatbestand bei einem Rechtsgeschäft erfüllt, führt dies zur Unwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung. Wucher ist nach der gesetzlichen Vorschrift ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Die Voraussetzungen für Wucher bestehen somit aus objektiven und subjektiven Elementen. Wichtigstes subjektives Element ist die erforderliche besondere Motivation des Bewuchernden. Motivation muss das „Ausbeuten“ als bewusstes Ausnutzen der gegebenen schlechten Situation des Bewucherten sein. Dabei muss der Bewuchernde mit Vorsatz handeln. Bloße Fahrlässigkeit reicht nicht aus.

  • Eine Zwangslage liegt vor, wenn dem Opfer des Wuchergeschäftes das Eingehen dieses Geschäfts als das kleinere Übel erscheint. Ein Beispiel hierfür ist, wenn jemand bei einer Privatperson einen Kredit aufnimmt, der monatliche Zinsen von 20 Prozent vorsieht, um eine drohende Zwangsversteigerung seines Hauses abzuwenden.
  • Unerfahrenheit ist bei einem Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung anzunehmen. Beispielsweise handelt ein Einwanderer aus Unerfahrenheit, wenn er sich darauf einlässt, für eine kleine Einzimmerwohnung eine völlig überzogene Miete in Höhe von 2.000 Euro pro Monat zu bezahlen, weil er mit den Preisen nicht vertraut ist.
  • Ein mangelhaftes Urteilsvermögen besteht, wenn einer Person in erheblichem Maße die Fähigkeit fehlt, sich bei rechtsgeschäftlichem Handeln von vernünftigen Beweggründen leiten zu lassen oder das Äquivalenzverhältnis der beiderseitigen Leistungen richtig einzuordnen und zu bewerten. Beispiel hierfür ist eine Person mit geringer Intelligenz, die einen für sie eindeutig nachteiligen komplizierten Vertrag abschließt.
  • Von einer erheblichen Willensschwäche ist auszugehen, wenn eine verminderte Widerstandsfähigkeit besteht, beispielsweise bei einer gravierenden Abhängigkeitserkrankung wie Alkoholismus.

Wucherzinsen und Wucherpreise

Wucherzinsen – umgangssprachliche auch Zinswucher genannt – sind eine Unterart des Wuchers nach § 138 Absatz 2 BGB. Es gelten daher auch dieselben Voraussetzungen. Zinswucher ist ein Darlehen, bei dem zum Nachteil des Darlehensnehmers wucherische Zinsen ausbedungen worden sind und ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Wann ein Zinssatz als Wucher einzuordnen ist, bestimmt sich immer nach den Umständen des Einzelfalls. Hierfür kann folgende grobe Faustregel herangezogen werden: Wucher im Sinne von § 138 BGB liegt vor, wenn der erhobene Zins mindestens doppelt so hoch ist wie der marktübliche Zins oder erhobener und marktüblicher Zins eine Differenz von mehr als 12 Prozent aufweisen. In der Regel greift dies auch bei einem Zinssatz von mehr als 40 Prozent. Daher gilt, dass Kreditgeschäfte mit derartigen Bedingungen sittenwidrig und folglich nichtig sind.

Auch bei Preisen für Dienstleistungen oder Waren stellen sich Verbraucher häufiger die Frage, ab wie viel Prozent Wucher anzunehmen ist. Hier gilt der Grundsatz: Man geht von einem auffälligen Missverhältnis aus, wenn die Gegenleistung den Wert der Leistung um 100 Prozent über- oder unterschreitet. Doch maßgeblich sind auch hier stets die Umstände des konkreten Einzelfalls. Prozentwerte sind nur ein Aspekt der maßgeblichen Umstände. Kriterien wie der Vertragstyp, die Risikoverteilung oder auch die allgemeine Marktlage sind in die rechtliche Bewertung miteinzubeziehen. Ob ein unzulässiger Wucher im Einzelfall vorliegt, sollten Betroffene daher im Zweifelsfall von einem erfahrenen Juristen prüfen lassen.

Wucher ist in Deutschland eine Straftat

Was viele nicht wissen: § 291 des Strafgesetzbuches (StGB) regelt die Strafbarkeit von Wucher. Auch in dieser Vorschrift finden sich die Voraussetzungen Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen sowie erhebliche Willensschwäche eines anderen, die ausgenutzt werden, um sich oder einem Dritten Vermögensvorteile zu verschaffen.

Die Straftat des Wuchers wird vom Gesetz in vier Arten geregelt. Die Straftat Wucher liegt demnach vor allem dann vor, wenn sich der Täter Vermögensvorteile durch Wucher sichert, so z. B. bei:

  • Mietwucher = Wucher bei der Vermietung von Räumen zum Wohnen und damit verbundenen Nebenleistungen
  • Kreditwucher = Wucher bei der Gewährung eines Kredites
  • Leistungswucher = Wucher bei sonstigen Leistungen
  • Vermittlungswucher = Wucher bei der Vermittlung der genannten Leistungen

Wucher nach § 291 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen wie etwa dem gewerbsmäßigen Handel erhöht sich das Strafmaß auf eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Typisches Beispiel: Sittenwidriger Wucher bei Schlüsseldiensten

Ein kleiner Moment der Unaufmerksamkeit reicht, aber dann ist der Ärger groß: Die Haustür fällt zu und der Schlüssel wurde in der Wohnung vergessen. Schlüsseldienste sind dafür bekannt, zum Teil horrende Preise für das oft nur wenige Minuten dauernde Türöffnen zu verlangen. Zwar sind nicht alle überhöhten Preise gleich sittenwidrig, jedoch müssen Verbraucher Wucherpreise beim Schlüsseldienst nicht akzeptieren. So bejahte zum Beispiel das Landgericht Essen mit Urteil vom 08.10.2019 (Az.: 15 S 263/18) die Sittenwidrigkeit eines Schlüsseldienstvertrages, da die Kosten in dem entschiedenen Fall für eine Türöffnung mehr als das Dreifache des Durchschnittspreises betrugen.

Noch mehr typische Wucherfälle im Finanzbereich

Viele Verbraucher denken bei Wucher nicht nur an Schlüsseldienste, sondern vor allem auch an Wohnungsmieten und Inkassogebühren. Seit Beginn der Coronapandemie und den damit einhergehenden finanziellen Engpässen bei manchen Verbrauchern häufen sich offenbar Wucherfälle insbesondere bei Verbraucherkrediten mit Restschuldversicherungen, bei Mini- und Kurzzeitkrediten, Baufinanzierungen, Kreditkartenkrediten oder Lohnsteuerkrediten. Die Verbraucherzentralen nehmen regelmäßig Wucherfälle im Finanzbereich unter die Lupe, mit teils erschreckenden Ergebnissen.

Weitere interessante Urteile zum Wucher

In der Rechtsprechung wurden bereits zahlreiche gerichtliche Entscheidungen zu Wucher gefällt. Hier finden Sie eine kleine Auswahl der interessantesten Wucher-Urteile deutscher Gerichte der vergangenen Jahre:

  • „sale and rent back“-Geschäftsmodell des Autopfandleihers Pfando wegen Wuchers sittenwidrig (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 16.11.2022, Az.: VIII ZR 221/21)
  • Pachtvertrag bei massiv überhöhtem Pachtzins wegen sittenwidrigen Wuchers unwirksam (Landgericht Coburg, Urteil vom 18.04.2016, Az. :14 O 194/15)
  • Missverhältnis zwischen ortsüblicher Marktmiete und tatsächlicher Miete um mehr als 50 % führt wegen Wuchers zur Unwirksamkeit des Wohnungsmietvertrags (Landgericht Hamburg, Urteil vom 31.05.2016, Az.: 316 S 81/15)
  • kein Wucher aufgrund monatlicher Betriebskostenpauschale von 145 Euro (Landgericht Berlin, Hinweisbeschluss vom 10.11.2015, Az.: 67 S 369/15)
  • Lohndumping: Stundenlohn von weniger als zwei Euro ist Lohnwucher und unzulässig (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.11.2014, Az.: 6 Sa 1148/14)
Foto(s): ©Pexels/lado2016

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