Yacht Kaskoversicherung und grobe Fahrlässigkeit, wann die Versicherung zahlt oder nicht zahlt

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Yacht Kaskoversicherung und grobe Fahrlässigkeit

Jeder Eigner, der von der schweren Sturmflut am 20.10.2023 an der Ostsee betroffen war und einen Schaden erlitten hat (Schaden am Schiff oder Totalschaden) wird als erstes prüfen, ob er eine gültige Kaskoversicherung hat, welche Deckungssumme vereinbart ist und welche Selbstbeteiligung. Er sollte unverzüglich Beweise sichern durch Fotos, die Versicherungsgesellschaft ("Versicherer" VR) informieren und den Schadensfall melden. Dabei sollte so gut wie möglich der Schadenshergang geschildert werden, z.B. ob die Yacht am Liegeplatz beschädigt wurde oder gesunken ist oder durch andere Yachten beschädigt wurde und was Ursache des Schadens war und welcher Schaden entstanden ist. Zugleich sollten alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, weitere Schäden zu vermeiden (Schadensminderungsobliegenheit).

Der VR entscheidet dann, ob ein Gutachter den Schaden und den Hergang überprüft und ob vorläufige Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden. Vorher sollte das Schadensbild nicht verändert und keine Reparaturen vorgenommen werden.

Die üblichen Yachtkaskobedingungen und das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sehen vor, das der VR bei grober Fahrlässigkeit des VN (Versicherungsnehmer) die Leistung ganz oder teilweise kürzen kann. Als Beispiel die Kaskobedingungen der Nautima (Mannheimer Versicherung):

§ 15 Vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles; arglistige Täuschung im Schadenfall

1. Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbei, ist der Versicherer gemäß § 81 Abs. 1 VVG von der Entschädigungspflicht frei.

Ist die Herbeiführung des Schadens durch rechtskräftiges Strafurteil wegen Vorsatzes in der Person des Versicherungsnehmers festgestellt, gilt die vor-

sätzliche Herbeiführung des Schadens als bewiesen.

2 Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer gemäß § 81 Abs. 2 VVG berechtigt, seine Leistung

in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

3 Bei Schadenfällen mit einer Gesamtschadenhöhe bis EUR 10.000,00 verzichtet der Versicherer auf einen Abzug nach Nr. 2. Liegt die Gesamtschadenhöhe über EUR 10.000,00 gilt dieser Verzicht - auch für den darunter

liegenden Schadenanteil - nicht.

4 Der Versicherer ist von der Entschädigungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer arglistig über Tatsachen, die für den Grund

oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, täuscht oder zu täuschen versucht. Ist die Täuschung oder der Täuschungsversuch durch

rechtskräftiges Strafurteil gegen den Versicherungsnehmer wegen Betruges oder Betrugsversuches festgestellt, gelten die Voraussetzungen des Satzes

1 als bewiesen.

Jetzt stellt sich die Frage, ob der VR wegen grober Fahrlässigkeit die Leistung ganz oder teilweise kürzen darf.

Es wird diskutiert, ob die Schiffe möglicherweise nicht richtig festgemacht waren oder in andere Häfen hätten verlegt werden müssen, die mehr Schutz bieten. Jetzt wird es anspruchsvoll, weil jeder Einzelfall anders ist und keine allgemeine, für alle gültige Aussage möglich ist. Es fängt schon damit an, dass die Wettervorhersagen unterschiedlich waren, nicht alle haben frühzeitig die schwere Sturmflut  für sämtliche Ostseehäfen in D prognostiziert. Die Häfen haben unterschiedliche Risiken je nach Ausrichtung und Schwellschutz, teilweise waren bestimmte Hafententeile stark betroffen, andere deutlich weniger. Die Heckpfähle und Klampen sind auch nicht überall gleich. Und dann unterscheiden sich natürlich die Schiffe und ihre Klampen sowie die verwendeten Festmacher und eventuell Ruckdämpfer und die Art der Vertäuung.

Jedenfalls muss der VR die grobe Fahrlässigkeit einwenden und beweisen. In diesem Fall sollte der VN dagegen vorgehen, wenn er den Einwand für unberechtigt hält. Dann muss gegebenenfalls auf eine weitergehende Schadensregulierung geklagt werden. Möglicherweise kann auch ein eigener Gutachter hilfreich sein (Gegengutachten zum Gutachten des VR).

Wichtig ist die Unterscheidung nach den Ursachen und dass es auf die "nächste Ursache" ankommt. Also kann im Regelfall der Einwand nicht greifen, man hätte vorher das Schiff verlegen können, weil dann auch eingewendet werden könnte, man hätte früher Auskranen können oder von vornherein einen anderen Hafen wählen müssen, z.B. nicht Damp oder Schilksee. Wenn die nächste Ursache nicht sicher ermittelt werden kann, also ob der Steg gebrochen ist, die Festmacherleine gerissen ist oder die Bootsklampe herausgerissen wurde, wird der VR den Einwand der groben Fahrlässigkeit nicht mit Erfolg vorbringen können.

Das Landgericht Hamburg hat sich zu einem erheblichen Yachtschaden und der groben Fahrlässigkeit geäußert, der durch ein schadhaftes Mooringsystem entstanden war (Bruch der Mooringkette), LG Hamburg, Urteil vom 28.02.2005 - 415 O 167/03,

der Schiffsführer handelte nicht grob fahrlässig dadurch, dass er das Schiff trotz Sturmwarnung nicht an einen sicheren Liegeplatz verholte.

          

                                       LG Hamburg, Urteil vom 28.02.2005 - 415 O 167/03                Art. 10 Abs. 1 EGVVG ist analog anzuwenden auf alle in den Mitgliedstaaten der EU / EWR belegenen Großrisiken und damit allseitige Kollisionsnorm.                openjur.de                        

"Herrn F. kann jedoch im Zusammenhang mit der Wahl und Überwachung des Liegeplatzes und der Mooringanlage und dem in der Sturmnacht gebotenen Verhalten nicht vorgeworfen werden, gegen Grundsätze guter Seemannschaft in besonders hohem Maße verstoßen zu haben. Grobe Fahrlässigkeit ist nur zu bejahen, wenn der Versicherungsnehmer oder sein Repräsentant die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht lässt und das Nächstliegende, das jedem in der gegebenen Situation einleuchtet, nicht beachtet. Die im Streitfall zu beachtenden Maßstäbe setzen die Hafenbeschreibungen, die Wetterlage und der Zustand des Schiffes, insbesondere dessen Festmache, und des Mooringsystems.

Die Wahl des Liegeplatzes im allgemeinen - Hafen von A. - können die Versicherer dem Charteragenten von vornherein nicht vorwerfen, weil dieser ausdrücklich als Liegeplatz auch im Winter im Versicherungsantrag genannt ist. Die mit der geographischen Lage des Hafens und der Bucht von A. verbundenen allgemeinen Risiken sind daher von den Versicherern von vornherein hinzunehmen. Bei diesen Gefahren handelt es sich um die Öffnung der Bucht nach Südwesten, verbunden damit, dass der Hafen Weststürmen zwangsläufig ausgesetzt ist und deren Folgen - Windrichtung, Windstärken, Dünung und Schwellung - nur durch die vorhandenen Hafenanlagen, insbesondere Wellenbrecher und Molen - begegnen kann. Zu den Besonderheiten des Liegeplatzes gehören auch Kappeffekte und Fallwinde von Nordwest. Weiter gehört dazu eine beschränkte Anzahl von Lieferplätzen im inneren Hafen und die Kennzeichnung des Vorhafens als Ankerplatz und Mooring.

Die von den Parteien vorgelegten Hafenhandbücher verbieten auch keineswegs ein Festmachen in diesem Gebiet. Sie geben Beschreibungen des Hafens wieder, die ihn "als sicher" kennzeichnen. Allerdings empfehlen sie, dass eine Person für die Ankerwache an Bord bleibe. 

Dass F. gleichwohl trotz der ihm bekannten Sturmwarnung keine Ankerwache - etwa in Gestalt des Herrn W. - permanent auf das Boot beordert hat, gereicht ihm möglicherweise zu einem Verschulden - dies hätte sich aber angesichts des konkreten Havariegeschehens nicht ursächlich ausgewirkt. Denn es slippte kein Anker, es riss kein Festmacher, und es bewegte sich auch nicht das beschriebene Mooringsystem. Den Bruch des Kettengliedes der Mooringkette, wodurch die Yacht frei wurde und abtreiben konnte, konnte eine Ankerwache nicht beeinflussen.

Mit diesem Bruch war aber auch nicht zu rechnen. Wie der Sachverständige unwiderlegt hat, konnte die Kette einer Zugbelastung von 11 t standhalten, während bei "A. C." maximal, d.h. auch bei den ungünstigsten Wind- und Wellenbedingungen, eine Last von etwa 4 t zu erwarten war. Die Kette hätte daher als solche den Belastungen standgehalten. Die Bruchbelastung jedes einzelnen Kettengliedes war ausgelegt auf 20 - 25 t. Für die Yacht hätte nach den Klassifikationsvorschriften schon eine schwächere Kette - statt 14 mm Stärke nur 8 - 10 mm - genügt. Das gebrochene Kettenglied muss demnach - auch insoweit folgt die Kammer dem Sachverständigen - einen Vorschaden, etwa durch einen Materialfehler, aufgewiesen haben. Bei Mooringsystemen, die in bekannten Yachthäfen ausgelegt sind, kann sich zur Überzeugung der Kammer jedoch ein Schiffseigner auf deren grundsätzliche Zuverlässigkeit verlassen. Er ist nicht gehalten, ohne besonderen Anlass die Qualität des Systems zu überprüfen. Außerdem hätte eine Sichtkontrolle die Materialermüdung nicht zutage gefördert. Die von der Beklagten angeführten vorausgegangenen Fälle sind nicht vergleichbar, weil nicht feststeht, aus welchem Grund jene Yachten abtrieben.

Zum objektiven Pflichtenverstoß meint die Kammer demnach abschließend, dass ein besonders sorgfältiger Schiffsführer und -eigner die Yacht in jener Nacht, wenn er sie schon nicht verholen konnte, bemannt gelassen hätte, um auch bei unwahrscheinlichen Einwirkungen manövrierfähig zu bleiben. Dass ist aber schon grob fahrlässig war, das Schiff zu verlassen und auf die Befestigung zu vertrauen, ist zu verneinen.

Hinzu kommt, dass F. auch nicht der für grobe Fahrlässigkeit erforderliche Vorwurf des auch subjektiv unentschuldbaren Verhaltens gemacht werden kann. Er durfte auch angesichts der Sturmwarnung auf die Güte des ihm bekannten Mooringsystems vertrauen, sowie darauf, dass sein Beauftragter die nach dessen pflichtgemäßer Einschätzung erforderlichen Kontrollen vornehmen würde, insbesondere die Yacht nur verlassen würde, wenn er dies angesichts der Wetterentwicklung für verantwortbar hielt. Dass W. wegen der nachlassenden Windstärke das Boot verließ, ist unwiderlegt geblieben. Es kommt nicht darauf an, ob er - nach der Einlassung der Klägerin - das Schiff auf einem Beiboot umfuhr.

Das grob fahrlässige Verhalten, das die Beklagte in dem Verhalten von F. sehen will, wäre außerdem in der hier maßgeblichen Versicherungssparte nicht als schadensursächlich anzuerkennen. Die unmittelbare Ursache war der - nicht vorhersehbare - Kettenbruch. Zwar hat sich außerdem ausgewirkt, dass nicht zuvor die Entscheidung getroffen war, die Yacht zu verholen - wenn dies denn überhaupt möglich gewesen wäre - oder doch dauerhaft zu bemannen. Als nächste Ursache des Abtreibens zählt jedoch der Materialfehler. In der Seeversicherung ist anerkannt, dass nicht jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfällt, als kausal zu betrachten ist. Als ursächlich gilt allein die "nächste Ursache" (causa proxima), d.h. die wirksamste, die eigentliche Ursache des Schadens. Welche von mehreren Ursachen sich in dieser Weise ausgewirkt hat, ist letztlich eine Wertungsfrage (OLG Hamburg, Versicherungsrecht 73, 1137). Dem letztlich eingetretenen Havarieschaden das Gepräge gibt aber nun einmal der Materialbruch - ohne diesen wäre der Katamaran trotz des Sturms an seinem Platz liegen geblieben. Es erscheint der Kammer angemessen, den Kausalitätsbegriff der Seeversicherung auch auf Sportboote zu erstrecken.

Weitere Haftungsausschlussgründe sind nicht ersichtlich. Demgemäß sind die Versicherer eintrittspflichtig und haben auch mit Rechtsgrund die Bergungs- und Rettungskosten aufgewandt."

Foto(s): Autor

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