Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit

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1. Begriff der Dienstunfähigkeit – Dürftige Definition

Der Begriff der Dienstunfähigkeit findet sich für Bundesbeamte auf Lebenszeit in § 44 BBG, für Landes- und Kommunalbeamte auf Lebenszeit in § 26 BeamtStG, wo es jeweils heißt:

„Die Beamtin oder der Beamte auf Lebenszeit ist in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist“.

Sind Beamtinnen oder Beamte auf Probe betroffen, gilt der in § 49 BBG bzw. § 28 BeamtStG normierte Begriff der Dienstunfähigkeit.

Wie man schnell überblickt, ist der Begriff „Dienstunfähigkeit“ nur dürftig definiert.

2. Medizinische Komponente - Wertungskomponente 

Der Begriff setzt sich einmal aus einer gesundheitlichen Komponente und einer Wertungskomponente zusammen.

Die Feststellungen in gesundheitlicher Hinsicht trifft ein Arzt. Dieser muss den Gesundheitszustand des Beamten feststellen und medizinisch bewerten.

Hieraus die Schlussfolgerungen für die Beurteilung der Dienstfähigkeit zu ziehen, ist hingegen eine wertende Aufgabe der Behörde und ggf. eines angerufenen Gerichts.

Der Arzt wird als sachverständiger Helfer tätig, um den zuständigen Stellen die nötige Fachkenntnis zu vermitteln, damit diese eine sachgerechte Entscheidung treffen können.

In diese wertende Entscheidung müssen die Auswirkungen von Fehlzeiten auf die Dienststelle und zum anderem die Überlegung einfließen, ob der Beamte im Falle eines festgestellten Restleistungsvermögens noch anderweitig verwendbar ist.

a) Die gesundheitliche Komponente

„Bestehen Zweifel über die Dienstunfähigkeit der Beamtin oder des Beamten, so ist sie oder er verpflichtet, sich nach Weisung der dienstvorgesetzten Stelle durch eine Ärztin oder einen Arzt der unteren Gesundheitsbehörde untersuchen und, falls ein Arzt der unteren Gesundheitsbehörde dies für erforderlich hält, auch beobachten zu lassen“. So regelt es zB. § 33 LBG NRW.

Ausgangspunkt solcher Zweifel sind immer krankheitsbedingte Fehlzeiten in der Vergangenheit. Es gilt nun mithilfe ärztlicher Begutachtung eine Prognose in die Zukunft anzustellen, ob die Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten 6 Monate wieder hergestellt werden kann.

Zweifel können weiterhin mit dem Ergebnis eines BEM-Gesprächs oder mit dem Abbruch einer vereinbarten Wiedereingliederungsmaßnahme begründet werden.

aa) Untersuchungsaufforderung – Überprüfungsmöglichkeiten?

Da der Dienstherr zunächst einmal nur Zweifel an der Dienstfähigkeit hat und oftmals die Diagnosen nicht genau kennt, geschweige denn daraus auf eine Dienstunfähigkeit schließen kann, fordert er den Beamten schriftlich auf, sich einer ärztlichen Untersuchung zu stellen.

Hier ist man nun in einem Dilemma: Nicht jede Aufforderung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu stellen, ist rechtmäßig.

Ist die Aufforderung rechtswidrig, unterzieht man sich aber trotzdem der angeordneten Untersuchung, kann das Gutachten verwendet werden, selbst wenn sich die Aufforderung als solche bei einer gerichtlichen Prüfung als nicht berechtigt erweisen sollte.

War die Aufforderung rechtmäßig, befolgt man sie aber nicht, liegt ein Dienstvergehen vor.

Die erste wichtige Frage ist also: Kann man diese Untersuchungsaufforderung angreifen?

Es handelt sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt, die Aufforderung enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung. Es handelt sich um eine gemischte dienst-persönliche Weisung, die wegen der mit ihr verbundenen Eingriffe in die Grundrechte des Beamten bestimmten formellen und inhaltlichen Anforderungen genügen muss.

Danach müssen einer solchen Aufforderung tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als naheliegend erscheinen lassen (zB. eine Auflistung der Fehlzeiten in der Vergangenheit, Abbruch einer Wiedereingliederung usw.).

Die Behörde muss diese tatsächlichen Umstände in der Untersuchungsaufforderung angeben. Dabei reicht es nicht, wenn sie diese Umstände nur dem beauftragten ärztlichen Dienst bekannt gibt, nicht aber dem Beamten (was durchaus öfter vorkommt).

Darüber hinaus muss die Untersuchungsanordnung Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Der Dienstherr darf die Untersuchung nicht in das Belieben des Arztes legen. Er muss sich im Vorfeld in Grundzügen darüber klar sein, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind.

bb) Anhörung von Schwerbehindertenvertretung, Personalrat, Gleichstellungsbeauftragter

Die Aufforderung zur Untersuchung ist zudem eine „Entscheidung“ gem. § 178 Abs. 2 SGB IX. Schon vor der Untersuchungsaufforderung ist bei anerkannt schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Personen die Vertrauensperson der Schwerbehinderten zu hören. Dies wird gar nicht so selten vergessen. Die Aufforderung ist unwirksam und man muss ihr nicht Folge leisten.

Das gleiche gilt, falls die Beteiligung des Personalrats, vgl. zB. § 75 Abs. 1 Nr. 4 LPVG NRW oder der Gleichstellungsbeauftragen, § 18 Abs. 1 Satz 1 LGG NRW i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 1 LGG NRW, vergessen wird.

cc) Einstweilige Anordnung

Gegen die Aufforderung wird im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes vorgegangen und zB. beantragt, „den Beamten vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung aufgrund Untersuchungsanordnung vom … bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens freizustellen“ oder „im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass der Antragsteller der Untersuchungsaufforderung der Antragsgegnerin vom … nicht folgen muss“.

Im Rahmen dieses Verfahrens können schon materielle Fragen nach der Zukunftsprognose behandelt, also privatärztliche Atteste vorgelegt werden, aus denen sich eine Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten 6 Monate ergibt.

Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass die meisten Aufforderungen rechtmäßig sind.

Der Dienstherr muss nur objektiv (also durch Tatsachen belegte) Zweifel an der Dienstfähigkeit und den Sachverhalt erschöpfend berücksichtigt haben, also auch vom Beamten vorgelegte Atteste, das Ergebnis einer Wiedereingliederung usw. Ob diese Zweifel letztlich begründet sind, ob der Beamte also tatsächlich dienstunfähig ist, soll ja gerade der Amtsarzt feststellen.

Eine fehlende fachliche Eignung ist nicht mit einer Dienstunfähigkeit gleichzusetzen. Grundsätzlich wäre es daher nicht ausreichend, wenn der Dienstherr zB. meint, das Arbeitstempo sei zu niedrig, der persönliche Umgang mit Schülern inadäquat, wenn dem keine gesundheitsbedingten Ursachen zugrunde liegen. Aber auch dies kann der Dienstherr als medizinischer Laie nicht unbedingt erkennen.

Bei der Beanstandung der Aufforderung zur Untersuchung geht es zunächst darum, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Zurruhesetzung zu verhindern, ggf. zu verzögern und sich hinterher keine Vorwürfe machen zu müssen, man habe nicht alles probiert.

dd) Die Untersuchung

Mit der Untersuchung wird der ärztliche Dienst (Gesundheitsamt) des Kreises oder der Stadt, in welcher der Beamte wohnt, beauftragt.

Teil der Begutachtung sollte eine Anamnese (oft handelt es sich bloß um einen vorab auszufüllenden Fragebogen) und eine körperliche Untersuchung sein. Erstaunlich oft ist diese nur recht kursorisch.

Das Gutachten wird zum Teil nur als Formblatt ausgestellt und enthält – anders zB. als die Entlassungsberichte eine Reha-Einrichtung – keine Angaben zum positiven oder negativen Leistungsvermögen, sondern schlicht die Feststellung, der untersuchte Beamte sei dauerhaft dienstunfähig, obwohl Atteste der behandelnden Ärzte des Beamten bescheinigen, das dem nicht so ist. Vielfach fehlt eine Berufsanamnese, also die Auseinandersetzung des Gutachters sowohl mit den Anforderungen an den Dienstposten als auch an das Amt im abstrakt-funktionellen Sinne.

Hinzu kommt, dass die Amtsärzte oft fachfremd begutachten; denn meistens arbeiten im ärztlichen Dienst der Kreise und Städte Allgemeinmediziner und auch Ärzte, die keine Facharztqualifikation besitzen; diese sollen nun entscheiden, ob jemand aus orthopädischer oder kardiologischer Sicht dienstunfähig ist. Ausnahme bilden die psychiatrisch-neurologischen Begutachtungen; hier wird überwiegend ein Facharzt für Psychiatrie beauftragt, aber auch nicht immer.

Leider ficht all dies die Gerichte kaum an.

Da der Arzt als sachverständiger Helfer den zuständigen Stellen die notwendige Fachkenntnis vermitteln soll, damit diese über die Zurruhesetzung entscheiden können, muss auch das Gutachten gewisse Mindestanforderungen erfüllen.

Das Gutachten darf sich nicht darauf beschränken, nur ein Untersuchungsergebnis mitzuteilen. Es muss auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe enthalten, soweit deren Kenntnis für die Behörde für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Danach muss das Gutachten (nur) sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, dh. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde, darstellen als auch aus medizinischer Sicht die daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Dienstfähigkeit des Beamten.

Es muss in medizinischer Hinsicht die erforderlichen tatsächlichen Grundlagen dafür liefern, dass der Dienstherr darüber entscheiden kann, ob der Beamte anderweitig auf einem anderen (und ggf. wie beschaffenen) Dienstposten verwendbar ist.

Das klingt nach recht hohen Anforderungen; es klingt aber leider nur so.

Tatsächlich kommt der amtsärztlichen Stellungnahme eine sehr hohe Bedeutung zu bzw. das Vertrauen der Gerichte in die Qualität der Untersuchung und Begutachtung durch Amtsärzte, gleich welcher Fachrichtung, scheint grenzenlos. Schon zarte Hinweise, die Begutachtung habe gar nicht wie dokumentiert stattgefunden, werden vom Tisch gewischt. Dem Amtsarzt wird Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, und wenn er sagt, er untersuche immer 90 Minuten und nie kürzer, außerdem mache er immer alle Funktionstests, wird dies vom Gericht nicht weiter hinterfragt.

Der Amtsarzt gilt als neutrale, unabhängige, in Distanz zu beiden Beteiligten stehende Person; seiner Einschätzung kommt deshalb im Verhältnis zu privatärztlichen Attesten eine vorrangige Bedeutung zu. Es wird nämlich unterstellt, dass der Privatarzt bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, ihm also eine zu günstige Prognose zu attestieren.

Dabei sieht der Amtsarzt den Beamten das erste Mal in seinem Leben und hat ihn vielleicht gerade einmal 20 Minuten lang oberflächlich untersucht, wohingegen der eigene Facharzt einen schon mehrere Jahre lang behandelt hat und die Gesundheitsprognose meist viel besser einschätzen kann.

Weicht die medizinische Beurteilung des Amtsarztes hinsichtlich desselben Krankheitsbildes von der Beurteilung des behandelnden Privatarztes ab, kommt der Beurteilung des Amtsarztes nur dann kein Vorrang zu, wenn begründete Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bestehen. Hier wird gefragt, ob das Gutachten nicht auf dem allgemeinen Stand der Wissenschaft beruht (was sich gar nicht überprüfen lässt, da in solchen Gutachten kein Verzeichnis der verwendeten Literatur verlangt wird), von unzutreffenden Tatsachen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder es Anlass zu Zweifeln der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters gibt. Die bestehen nie, es ist ja ein Amtsarzt.

Solange die medizinische Beurteilung auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruht, in sich stimmig und für den Richter nachvollziehbar ist, folgen die Gerichte dem Amtsarzt. Das Gutachten gilt dann als „überzeugend“ und „plausibel“.

Die Tatsachen stimmen immer; der Amtsarzt stellt ja keine diagnostischen Untersuchungen (Röntgen, MRT) an, dazu fehlen die Mittel und die Zeit. Der Amtsarzt greift immer auf die ihm vorliegenden Befund- oder Reha-Berichte usw. zurück, so dass sich seine Feststellungen und die der behandelnden Ärzte immer decken, wie die Gerichte erfreut feststellen. Aus den vorliegenden Unterlagen schließt er dann auf die Dienstunfähigkeit. Die körperliche Untersuchung besteht bspw. bei orthopädischen Gutachten in der Ermittlung der Beweglichkeit (Neutral-Null-Methode), Reflextests und dem Messen des Finger-Bodenabstands. Daraus allein lässt sich niemals auf eine Dienstunfähigkeit schließen. Im Grunde könnten die Amtsärzte auf die Untersuchung verzichten, die Beurteilung erfolgt in den entscheidenden Punkten rein nach Aktenlage.

Als Tatsachengrundlage lassen die Gerichte das Ergebnis einer körperlichen Untersuchung und das Vorliegen einer Krankheitsanamnese (eigene Angaben des Beamten zu seinen Beschwerden – die aber keine Rolle spielen, da sie interessengeleitet sind) gelten, ferner die Diagnoseerhebung (aus den Facharztberichten abgeschrieben) samt lapidarer Feststellung einer Chronizität. Als Schlussfolgerung genügt, dass zB. die Wirbelsäulenleiden/psychischen Leiden als austherapiert zu betrachten sind und eine Besserung der Beschwerden nicht zu erwarten ist.

In aller Regel folgen die Gerichte den anwaltlichen Anregungen nach ergänzender Beweiserhebung durch ein weiteres (Fach-)Gutachten nicht. Dies wird damit begründet, das amtsärztliche Gutachten sei derart überzeugend und nachvollziehbar, dass sich eine weitere Beweiserhebung nicht aufdränge.

b) Wertende Komponente

Die ärztliche Untersuchung ist ein Aspekt. Die eigentlichen Schlussfolgerungen hieraus auf eine mögliche Dienstunfähigkeit trifft der Dienstherr.

aa) Auswirkung auf den Dienstbetrieb

Die Dienstunfähigkeit stellt im Gegensatz zur Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit nicht allein auf den betroffenen Beamten und sein Leistungsvermögen ab, sondern wird wesentlich mitbestimmt von den dienstlichen Erfordernissen seiner Tätigkeit.

Wichtig ist die tatsächliche Einsatzfähigkeit des Beamten, wozu auch eine einigermaßen stetige und nicht ständig durch unvorhergesehene Erkrankungen unterbrochene Dienstleistung gehört.

Der Begriff der Dienstunfähigkeit knüpft deshalb wesentlich auch an die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb an.

Für die Annahme dauernder Unfähigkeit, seine Dienstpflichten zu erfüllen, reicht es schon aus, wenn der Beamte infolge der Mängel auf nicht absehbare Zeit nur unvollkommen, zB. mit Unterbrechungen oder unter Umständen, die mit den dienstlichen Anforderungen nicht vereinbar sind, seinen Pflichten nachkommen kann.

Wird der Dienstbetrieb durch wiederholt auftretende, wenn auch teilweise unterschiedliche und für sich betrachtet im Einzelnen nicht schwerwiegende Erkrankungen eines Beamten von nicht unerheblichem zeitlichen Ausmaß, die auf eine Schwäche der gesamten Konstitution und damit verbundene Anfälligkeit des Beamten schließen lassen, wesentlich beeinträchtigt, ist es gerechtfertigt, ihn als zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig anzusehen, wenn eine Besserung des Zustands in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. Auf die Schwere und Art der Erkrankung kommt es nicht entscheidend an.

bb) Suche nach anderer Verwendung

Von der Versetzung in den Ruhestand soll nach dem Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist bzw. wenn der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (sog. begrenzte Dienstfähigkeit, § 27 Abs. 1 BeamtStG).

Für danach noch mögliche Verwendungen besteht eine gesetzliche Suchpflicht des Dienstherrn. Für die Annahme der Dienstunfähigkeit reicht es nicht aus, dass der Beamte die Aufgaben des von ihm wahrgenommenen Amts im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten = Aufgabenkreis bei einer bestimmten Dienststelle, z.B. Mitarbeiterin in einer Serviceeinheit beim Amtsgericht X) nicht mehr erfüllen kann. Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist vielmehr das übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann.

Daher setzt Dienstunfähigkeit gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist.

Problematisch ist, wenn der Beamte nur noch Teilaufgaben erledigen kann, zB. als Justizwachtmeister keinen Sitzungsdienst mehr absolvieren, aber zB. noch ganz überwiegend sitzend in einer Ablichtungsstelle Akten digitalisieren könnte (Schontätigkeit). Bei der Resttätigkeit muss es sich um einen Dienstposten handeln, dh. die noch mögliche Tätigkeit muss mit einer mit den zugehörigen Haushaltsmitteln ausgestatteten Planstelle hinterlegt sein, was sehr oft nicht der Fall sein dürfte.

Die Übertragung eines anderen Amts oder auch einer geringerwertigen Beschäftigung setzt zudem voraus, dass der Beamte den hierfür geltenden gesundheitlichen Anforderungen gewachsen sein muss.

Scheidet nach der amtsärztlichen Einschätzung jegliche Weiterverwendung des Beamten aus, weil die Leistungsfähigkeit vollständig oder so stark aufgehoben ist, dass noch nicht einmal eine begrenzte Dienstfähigkeit gegeben ist, entfällt die gesetzliche Suchpflicht.

Nach unserer Erfahrung scheidet gerade bei psychischen Erkrankungen sehr oft leider jegliche Weiterverwendung aus; Ausnahmen können gegeben sein, wenn eine psychische Erkrankung auf einem Arbeitsplatzkonflikt beruht, der durch Versetzung entschärft werden kann.

Die Übertragung einer geringerwertigen Tätigkeit kommt in Betracht, wenn sie für den Beamten zumutbar ist. Wann eine Tätigkeit „zumutbar“, muss im Zweifel vor Gericht geklärt werden. Zumutbar dürfte auch das sein, womit sich der Beamte auf Nachfrage einverstanden erklärt.

3. Anhörung

Hat der Dienstherr den medizinischen Sachverhalt nach Übersendung des Gutachtens ausgewertet und kommt nach wertender Betrachtung zum Ergebnis, der Beamte sei dienstunfähig, so teilt er dem Beamten nunmehr die beabsichtigte Entscheidung mit, § 47 Abs. 1 BBG.

Dies ist noch kein Bescheid, sondern erst die Ankündigung eines belastenden Verwaltungsaktes. In einem solchen Fall muss der Betroffene zuvor angehört werden. Dem Beamten ist eine Frist von einem Monat zur Stellungnahme zu gewähren, § 47 Abs. 2 BBG. Der Dienstherr darf vor Ablauf der Frist den belastenden Bescheid nicht erlassen. Dies wäre ein Fehler, der zur Aufhebung des Bescheides führt. Die fehlerhafte Anhörung kann nicht nachträglich im Klageverfahren geheilt werden.

Die Anhörung im Zurruhesetzungsverfahren hat eine andere Funktion als die allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Anhörung, deren Verletzung auch nachträglich geheilt werden kann.

Die Entscheidung über die Dienstunfähigkeit eines Beamten anhand von ärztlichen Gutachten ist in der Regel sowohl in tatsächlicher Hinsicht als auch rechtlich schwierig. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass der Dienstherr aufgrund einer Stellungnahme des betroffenen Beamten zu den ärztlichen Feststellungen zu einer abweichenden Entscheidung kommt.

Ansonsten ist unsere Erfahrung allerdings, dass der Dienstherr die vom Beamten geäußerten Bedenken nicht teilt und den Bescheid erlässt.

4. Beteiligung weiterer Stellen – betriebliches Eingliederungsmanagement?

Des Weiteren sind wiederum der Gleichstellungsbeauftragte und bei Vorliegen einer Schwerbehinderung (GdB 50 und mehr bzw. bei Gleichstellung) die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen, ebenso ist die Zustimmung des Personalrats einzuholen.

Allerdings ist das VG Köln der Auffassung, dass die fehlerhafte Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung die Aufhebung des Bescheides dann nicht rechtfertige, wenn offensichtlich sei, dass die Verletzung des Verfahrens die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Eine Offensichtlichkeit scheide nur aus, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit bestanden habe, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen wäre. Nach dem VG Köln könne keine andere Entscheidung ergehen, wenn die Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit als gebundene Entscheidung auf der Grundlage hinreichender amtsärztlicher Gutachten beruhe.

Auch eine zuvor unterbliebene Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements führt nicht zu einem Verfahrensfehler, welcher die Aufhebung des Bescheides rechtfertigt.

Denn weder ein betriebliches Eingliederungsmanagement noch ein Präventionsverfahren nach § 167 SGB IX sind Voraussetzung für eine Ruhestandsversetzung; deshalb ist es letztlich gleichgültig, ob ein BEM ordnungsgemäß durchgeführt wurde bzw. ob es überhaupt durchgeführt wurde.

Ob auch das Inklusionsamt (früher: Integrationsamt) zu beteiligen ist, ist streitig; die herrschende Auffassung bei den Verwaltungsgerichten ist allerdings, dass die Beteiligung nicht erforderlich ist (so zB. OVG NW 07.01.2013 - 6 A 2371/11). Schwerbehinderte Beamte sind – was die Beendigung des Beamtenverhältnisses angeht – angeblich nicht schlechter gestellt als Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung; im Gegenteil: sie sind sogar besser geschützt.

5. Bescheid

Nunmehr ergeht der Bescheid, der mit den üblichen Rechtsmitteln angegriffen werden kann. In manchen Ländern muss Widerspruch eingelegt werden, in Nordrhein-Westfalen muss unmittelbar geklagt werden.

Die Zurruhesetzung beginnt mit Ende des Monats der Bekanntgabe der Verfügung.

Rechtsmittel wie Widerspruch oder Klage haben keine aufschiebende Wirkung, was die Reduzierung der Besoldung angeht, vgl. § 47 Abs. 4 S. 2 BBG.

Der Grund liegt darin, dass der Dienstherr über entsprechende finanzielle Mittel verfügt, den einbehaltenen Teil der Besoldung nachzuzahlen, sollte der Beamte gewinnen. Hätte das Rechtsmittel aufschiebende Wirkung, müsste der Dienstherr die überzahlte Besoldung vom Beamten zurückfordern, sollte dieser unterliegen. Dies kann je nachdem ein sehr hoher Betrag sein, der im Zeitpunkt der Entscheidung aber möglicherweise bereits verbraucht ist.

6. Rechtsschutz und Rechtsschutzversicherung

Streitwert der Streitwert in diesen Verfahren ist relativ hoch. Der Streitwert bemisst sich nach dem 13-fachen des zuletzt erzielten Monatssoldes und kann dementsprechend auch schon bei Beamten im mittleren Dienst schnell bis zu 50.000,00 € erreichen. Die Vertretung vor Gericht löst bei diesem Streitwert Gebühren in der Höhe von 3.828,83 € für einen Anwalt aus, hinzu zu rechnen sind noch die Gerichtsgebühren von 1.803,00 €.

Derartige Verfahren sollten angesichts der oftmals leider nur mäßigen Prozessaussichten nur bei Vorliegen einer Rechtsschutzversicherung geführt werden.

7. Berufung

Wird die Klage durch das Verwaltungsgericht abgewiesen, kann gegen das Urteil Berufung zum Oberverwaltungsgericht eingelegt werden; dies allerdings nur dann, wenn sie vom Oberverwaltungsgericht auch zugelassen wird.

Zugelassen wird die Berufung nur, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung bestimmter Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, vorliegt und auch geltend gemacht wird.

Es ist äußerst schwierig, diese Voraussetzungen zu erfüllen, sodass die Berufung nur in seltenen Fällen zugelassen wird. In einem Seminar sagte mal ein Richter überspitzt, „ernstliche Zweifel an der Richtigkeit“ lägen eigentlich nur dann vor, wenn der Richter in der ersten Instanz selber nicht daran glaubt, dass sein Urteil richtig ist. Insbesondere wird kein ernstlicher Zweifel aufkommen, wenn man nur die Fachkompetenz des Amtsarztes oder die Qualität seines Gutachtens angreifen möchte.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird daher meistens durch Beschluss ohne vorherige mündliche Verhandlung zurückgewiesen.

8. Krankenversicherung informieren

Denken Sie daran, schon bei Zustellung des Zurruhesetzungsbescheides die Beihilfe und auch Ihre PKV zu informieren, selbst wenn Sie gegen den Bescheid vorgehen möchten. Ab Zurruhesetzung zahlt die Beihilfe 70% und die PKV 30%. Wenn Sie nach 2 Jahren beim VG verlieren sollten, wird es ggf. schwierig, überzahlte Beiträge von der PKV zurück zu bekommen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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