7 Versäumnisse, weswegen Sie zu wenig Trennungs- oder Ehegattenunterhalt bekommen

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Geht es um Trennungsunterhalt oder Ehegattenunterhalt, zählt bekanntlich jeder Euro. Oft steckt der Teufel jedoch so tief im Detail, dass so eine Checkliste im Rahmen Ihrer Scheidung sicherlich nicht schadet. Sie können Ihren anwaltlichen Vertreter nachhaltig unterstützen, wenn Sie selbst wichtige Ansatzpunkte kennen, nach denen Unterhaltsansprüche bemessen werden.

1 Sie haben Ihren Lebensbedarf nur lückenhaft berechnet

Ihr Anspruch auf Ehegattenunterhalt bemisst sich nach Ihrem Bedarf nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse. Besondere Beachtung ist geboten, wenn sich seit dem Ende der Ehe Einkommensveränderungen ergeben haben. Diese Veränderungen werden berücksichtigt, wenn und soweit sie sich auch bei Fortbestand der Ehe ergeben hätten.

Erzielt der unterhaltspflichtige Ex-Partner nach der Scheidung infolge eines unerwarteten Karrieresprungs ein höheres Gehalt, ist dieses Einkommen für den Bedarf nicht zu berücksichtigen. Anders ist es jedoch, wenn die Entwicklung zu Karriere bereits „in der Ehe angelegt“ war, weil der Ex-Partner durch intensive Fortbildung und Qualifizierung konkret und gezielt auf die spätere Karriere hingearbeitet hat.

Tipp:

Überlegen Sie, anhand welcher Aspekte Sie darlegen und nachweisen können, dass die Karriere Ihres Ex-Partners nach der Scheidung darauf beruht, dass er oder sie sich bereits während Ihrer Ehe für dieses Ziel engagiert hat. Da Zweifel zu Ihren Lasten gehen, kommt es auf jedes Detail an.

2 Sie haben den Altersvorsorgeunterhalt vergessen

Für das Alter und den Fall Ihrer Erwerbsunfähigkeit steht Ihnen Vorsorgeunterhalt zu (§ 1361 BGB). Dieser Unterhalt ist in der Unterhaltsquote (Elementarunterhalt) nicht enthalten. Der Anspruch rechtfertigt sich daraus, dass ab dem Zeitpunkt, an dem ein Ehepartner die Scheidung beantragt, die Teilhabe an der Altersversorgung des Ehepartners über den Versorgungsausgleich entfällt. Daher ist ab diesem Zeitpunkt zum Ausgleich ein Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt gegeben.

Der Altersvorsorgeunterhalt wird nach der „Bremer Tabelle“ berechnet. Danach ist aus dem bereinigten Nettoeinkommen zunächst der Elementarunterhalt zu ermitteln. Dieser Elementarunterhalt wird zu einem fiktiven Bruttoeinkommen nach der Bremer Tabelle hochgerechnet. Aus dem Ergebnis wird der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entnommen.

Tipp:

Der Vorsorgeunterhalt muss zweckbestimmt verwendet werden. Sie dürfen den Unterhalt also nicht für Ihren normalen Lebensbedarf verwenden. Es steht Ihnen allerdings frei, in welcher Art von Altersversorgung Sie den Betrag investieren.

3 Sie haben den rückständigen Unterhalt nicht richtig angemahnt

Besteht für die Vergangenheit Anspruch auf Trennungsunterhalt oder Ehegattenunterhalt, kann rückständiger Unterhalt nur durchgesetzt werden, 

  • wenn der Ex-Partner aufgefordert wurde, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen,
  • er/sie mit einer bezifferten Zahlungsaufforderung in Verzug gesetzt wurde oder
  • ein gerichtliches Unterhaltsverfahren rechtshängig ist.

Tipp:

Bei der „Inverzugsetzung“ werden häufig Fehler gemacht. Wichtig ist, dass der Verzug eine wirksame Mahnung voraussetzt, die hinreichend bestimmt sein muss und erkennen lässt, für welchen Unterhaltsanspruch welcher Betrag ab welchem Zeitpunkt geltend gemacht wird. Eine Inverzugsetzung im Hinblick auf den Trennungsunterhalt setzt den Ex-Partner wegen eines künftigen Anspruchs auf Ehegattenunterhalt nicht automatisch in Verzug. Beide Ansprüche sind nicht identisch und sind immer gesondert geltend zu machen.

4 Sie haben den Einsatzzeitpunkt verpasst

Machen Sie wegen Ihrer Erkrankung nach der Scheidung Ehegattenunterhalt geltend, müssen Sie den sogenannten Einsatzzeitpunkt berücksichtigen (§ 1572). Der Unterhaltsanspruch besteht nur, wenn Ihre krankheitsbedingte oder wegen eines Gebrechens bedingte Bedürftigkeit 

  • vom Zeitpunkt der Scheidung,
  • der Beendigung der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes,
  • der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder
  • nach Wegfall der Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs wegen Erwerbslosigkeit begründet war.

Die Krankheit kann auch schon vor Beginn der Ehe ausgebrochen oder auch unbekannt latent vorhanden gewesen sein. Es reicht aus, dass Ihre gesundheitlichen Störungen, die später zur Erwerbsunfähigkeit führen, bei Rechtskraft der Scheidung vorhanden waren. Es reicht aber nicht aus, wenn zwischen der Scheidung und dem Ausbruch der Krankheit kein naher zeitlicher Zusammenhang mehr besteht und die Krankheit im Scheidungszeitpunkt allenfalls latent vorhanden war. Ein Zeitverlauf von 23 Monate wurde für zu lang gehalten. Es ist also zu empfehlen, im Krankheitsfall umgehend aktiv zu werden.

Tipp:

Sie sind verpflichtet, nach der Scheidung alles zu tun, um Ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu gewährleisten. Es zählt die Eigenverantwortung. Sehen Sie sich aufgrund Ihrer Erkrankung oder aufgrund eines Gebrechens dazu nicht in der Lage, sollten Sie umgehend handeln. Jeder Tag, den Sie verstreichen lassen, stellt Ihren Unterhaltsanspruch in Frage.

5 Sie ziehen fiktive Einkünfte des Ex-Partners nicht in Betracht

Behauptet der Ex-Partner, er/sie sei wegen der angeblichen Arbeitslosigkeit oder des geringen Verdienstes finanziell nicht in der Lage, Unterhalt zu leisten, kommen fiktive Ansprüche Betracht. Ist der Ex-Partner unterhaltspflichtig, muss er/sie die eigene Arbeitskraft so gut wie möglich einsetzen, um eine zumutbare mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Dabei ist jede vollschichtige Tätigkeit zuzumuten.

Bei Arbeitslosigkeit reicht es nicht aus, sich beim Arbeitsamt zu melden. Der Ex-Partner ist unterhaltsrechtlich verpflichtet, sich intensiv um einen Arbeitsplatz zu bemühen. Die Rechtsprechung verlangt bis zu 30 Bewerbungen monatlich. Ignoriert der Ex-Partner diese Verpflichtung, kann ein theoretisches erzielbares Einkommen (fiktives Einkommen) angerechnet werden, das er/sie bei gutem Willen durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit hätte erzielen können.

Die Höhe eines solchen fiktiven Einkommens ist zu schätzen. Dazu ist darauf abzustellen, welches Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktsituation und der persönlichen Eigenschaften des Ex-Partners (Alter, Berufsausbildung, Berufserfahrung) erzielt werden könnte.

Tipp:

Ein derart berechnetes fiktives Einkommen kann dazu führen, dass der Selbstbehalt anders bewertet und der Zugriff auf das verfügbare Einkommen möglich wird.

6 Ex-Partner reklamiert zu hohe Aufwendungen für die private Altersvorsorge

Der unterhaltspflichtige Ex-Partner kann bei der Berechnung seines unterhaltsrelevanten bereinigten Nettoeinkommens Aufwendungen für die private Altersvorsorge in Höhe von 4 % seines Gesamtbruttoeinkommens geltend machen. Die zusätzliche Altersvorsorge wird jedoch nicht automatisch pauschal berücksichtigt, sondern nur, wenn er oder sie tatsächlich eine Altersvorsorge in dieser Höhe betreibt. Soweit die Leistungen der privaten Altersvorsorge über die Grenze von 4 % des Bruttoeinkommens hinausgehen, bleiben sie als einseitige Vermögensbildung zu Lasten des unterhaltsberechtigten Partners unberücksichtigt.

Tipp:

Der die Aufwendungen für die private Altersvorsorge nur berücksichtigt werden, wenn Sie wirklich anfallen, sollten Sie sehr genau prüfen, ob und in welcher Höhe Aufwendungen für die private Altersvorsorge geltend gemacht werden.

7 Ihr Unterhaltsanspruch wird beanstandet, weil Sie angeblich in einer verfestigten Lebensgemeinschaft leben

Leben Sie in einer verfestigten Lebensgemeinschaft, kann der Unterhaltsanspruch herabgesetzt oder zeitlich befristet werden (§ 1579 BGB). Voraussetzung ist, dass objektive, nach außen zu Tage tretende Umstände nahelegen, dass Sie in einer verfestigten Lebensgemeinschaft leben. Anzeichen dafür kann eine Haushaltsgemeinschaft sein, also ein längeres Zusammenleben in fester sozialer Verbindung mit gemeinsamen Wirtschaften sowie Versorgung durch den anderen Partner. Eine reine Wohngemeinschaft genügt aber nicht (BGH NJW 1981, 2805). Voraussetzung ist, dass Sie eheähnlich zusammenleben, so dass eine reine Distanzgemeinschaft gleichfalls nicht ausreichend ist (BGH FamRZ 2002, 23). Unterhalten Sie zwei Haushalte, kommt es auf Ihr gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit an sowie auf eine gewisse wirtschaftliche Verflechtung. Im Regelfall setzt eine verfestigte Lebensgemeinschaft eine gewisse Mindestdauer von wenigstens zwei Jahren voraus.

Tipp:

Leben Sie in einer neuen Beziehung, ist das Argument, dass es sich unterhaltsrechtlich um eine verfestigte Lebensgemeinschaft handelt, schnell bei der Hand. Bestreiten Sie, in einer verfestigten Lebensgemeinschaft zu leben, kommt es darauf an, dass Sie die dafür vom Ex-Partner behaupteten Kriterien widerlegen.

Alles in allem

Sie wissen selbst: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Sie können selbst konstruktiv beitragen, Ihren Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin, die Sie in der Unterhaltsverfahren vertreten, auf Aspekte aufmerksam zu machen, die der Anwalt selbst nur erkennen kann, wenn Sie darüber informieren. Scheuen Sie sich also nicht, Ihren anwaltlichen Vertreter auf Umstände aufmerksam zu machen, von denen Sie glauben, dass diese relevant sein könnten. Eventuelle Versäumnisse kosten Sie bares Geld.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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