Absehen vom Fahrverbot aufgrund existenzieller Betroffenheit

  • 2 Minuten Lesezeit

 

Der Tatrichter darf ein Fahrverbot nur dann anordnen, wenn mit einer Erhöhung der Geldbuße auf den Betroffenen nicht ausreichend eingewirkt werden kann. Bei „existenzieller Betroffenheit" besteht nach dem Übermaßverbot die Möglichkeit, gegebenenfalls gegen Erhöhung der Geldbuße vom Fahrverbot abzusehen, die vorgesehene Dauer zu verkürzen oder Kraftfahrzeuge einer bestimmten Art vom Fahrverbot auszunehmen.

An das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot werden von der Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen gestellt. Insbesondere darf der Tatrichter die Angaben eines Betroffenen, es drohe bei Verhängung eines Fahrverbots eine Existenzgefährdung, nicht ungeprüft übernehmen.

Dem Tatrichter steht bei der Bewertung, ob die mit dem Fahrverbot verbundene Härte für den Betroffenen unzumutbar ist, ein großer Beurteilungsspielraum zu, wenn das Fehlverhalten in objektiver und subjektiver Hinsicht eher gering ist. Andererseits kann sich ein Absehen vom Fahrverbot trotz einer Existenzgefährdung verbieten, wenn sich der Betroffene bereits in der Vergangenheit gegen Verkehrsgebote völlig uneinsichtig gezeigt hat.

Dem Gericht sind durch die Verteidigung die Gründe für das Vorliegen eines Härtefalles aufzuzeigen und diese Gründe mit entsprechenden Beweisanträgen zu unterbauen. Beispielsweise sollte der Arbeitsvertrag oder eine schriftliche Erklärung des Arbeitgebers hinsichtlich eines drohenden Arbeitsplatzverlustes vorgelegt werden. Falls es möglich ist, sollten der Arbeitgeber oder der Personalchef als Zeugen benannt werden. Diese haben auszusagen, warum kein Ersatzfahrer eingestellt wird und ob die Vollstreckung des Fahrverbotes während des Urlaubs des Fahrers möglich ist.

Das Gericht hat sich dann mit der Frage auseinander zusetzen, ob das das Fahrverbot eine Existenzgefährdung des Betroffenen zur Folge hätte?

Während bei Selbständigen zu fragen ist, ob Insolvenz droht, ist bei Angestellten eine drohende Kündigung maßgeblich. Zu beachten ist, dass es auf die Zulässigkeit der Kündigung nicht ankommt. Es gilt allerdings zu prüfen, ob

  • die Kündigung durch andere Maßnahmen abgewendet werden kann? (Verbüßung während Urlaub, Umsetzung)
  • oder mildere Maßnahmen bestehen? (Verkürzung des Fahrverbots, Ausnahme bestimmter Klassen)

Auch die Auswirkungen auf eine nahe stehende Person können zu berücksichtigen sein, wenn deren verstärkte Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit feststeht, außerdem keine sonstigen unentgeltlichen Betreuungspersonen aus der Familie vorhanden sind und die Einstellung einer professionellen Hilfe nicht zumutbar ist.

Der Tatrichter muss den Ausnahmefall, welcher ein Absehen vom Fahrverbot begründet im Urteil in nachprüfbarer Weise feststellen. Eine Arbeitgeberbestätigung soll ohne weitere Nachprüfung nur ausreichen, wenn es sich um eine Kündigung während der Probezeit handelt. Anderenfalls hat das Gericht den Arbeitgeber anzuhören. Die Urteilsgründe bedürfen einer besonders eingehenden und mit Tatsachen belegten Begründung, welche die außergewöhnliche Härte aufzeigt. Anderenfalls droht die Aufhebung des Urteils durch das Rechtsbeschwerdegericht, obwohl dieses die tatrichterliche Würdigung nur auf Rechtsfehler zu überprüfen und im Zweifel bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren hat.

 

 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Frank Häcker

Beiträge zum Thema