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Achtung Aktionäre: KapMug - Beschluß i.S. Wirecard AG - Zeitablauf zur Teilnahme an der Sammelklage - Jetzt anmelden!

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I. Der Wirecard-Skandal und seine Folgen: Das ist die aktuelle Rechtslage

Der sogenannte Wirecard-Skandal war der wohl größte Finanzskandal der Nachkriegsgeschichte. Dabei handelte es sich nur um den Bankrott eines deutschen Vorzeigeunternehmens, sondern auch um einen internationalen Fall von Finanzbetrug. Noch heute beschäftigt der Fall viele Gerichte und die Staatsanwaltschaft. Teile des Managements wurden verhaftet, verurteilt oder befinden sich auf der Flucht. Der Skandal um Wirecard hat eine Dimension erreicht, die auch verschiedene andere wirtschaftliche Bereiche betrifft und für namhafte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu einem echten Problem wurde.

II. Der Finanzskandal in der Übersicht

Die Wirecard AG war einst ein junges Start-up und hatte sich auf die Zahlungsabwicklung, das Risikomanagement und die Herausgabe von Kreditkarten spezialisiert. Das Unternehmen wuchs seit seiner Gründung im Jahr 1999 rasant und war auf dem europäischen, und dem internationalen Finanzmarkt schnell einer der größten Anbieter. Das Unternehmen wurde stark von der Politik hofiert und war schnell der Liebling der Anleger. Dieser Zustand änderte sich schlagartig, als am 25. Juni 2020 bekannt wurde, dass 1,9 Milliarden Euro "fehlten". Dem vorausgegangen waren kritische Ermittlungen von Journalisten, bei denen der Vorwurf der Untreue und des Missmanagements erhoben wurde. Besonders in das Gewicht fielen im Zuge der Aufklärung des Skandals, dass zahlreiche renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie EY dem Unternehmen ein tadelloses Verhalten attestiert hatten und ein entsprechendes Testat ausstellten. Dieses Testat ist wichtig, denn nur durch dieses Dokument kann ein Unternehmen nachweisen, dass die Abschlussprüfer keine Fehler in der Finanzbuchhaltung gefunden haben und alles rechtmäßig abläuft.  Für die Aktionäre treten nun eine Reihe von Fragen auf, die bis heute nicht abschließend geklärt werden konnten. Denn auch wenn den verantwortlichen Personen im Management von Wirecard eine Pflichtverletzung vorwerfen kann, so folgt daraus nicht automatisch ein Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Unternehmen. Die Frage der Verantwortlichkeit für die Insolvenz von Wirecard erstreckt sich somit nicht nur auf die Unternehmensführung, sondern auch auf die beteiligten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

Wirecard hatte zu diesem Zeit einen Marktwert von knapp 18 Milliarden Euro. Demgegenüber war der Marktwert der Deutschen Bank, einem Traditionsunternehmen, bei knapp 14 Milliarden Euro. Es gab entsprechende Gerüchte darüber, dass der Wirecard-Konzern eine Übernahme der Deutschen Bank plane. Dadurch wäre einer der größten Bankdienstleister der Welt entstanden. Das Projekt sollte den Codenamen Panther tragen und wurde durch das Vorstandsmitglied Braun forciert. Es wird vermutet, dass im Zuge des Übernahmeplanes das Risiko einer Offenlegung der falschen Buchungen und des verschwundenen Geldes vehement groß gewesen wäre. Der Wirecard-Konzern unterhielt zu diesem Zeitpunkt noch ein großes Netzwerk von Beratern und Lobbyvertreten. Dazu gehörten namhafte deutsche und internationale Politiker, sowie ein Netzwerk von PR-Agenturen und PR-Profis. Im Laufe der Geschäftstätigkeit operierte das Unternehmen mit über 280.000 Geschäftspartner und wickelte der Zahlungen ab. Dazu gehören bekannte Namen wie Telefonica, Visa und Mastercard, Apple Pay und China Union Pay. Der chinesische Markt galt innerhalb des Unternehmens als ein großer Zukunftsmarkt und sollte so schnell wie möglich erschossen werden.

III. Die Rolle der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Bevor ein börsennotiertes Unternehmen, welches Wirecard war, seinen Jahresabschluss veröffentlichen darf, muss es diesen durch eine unabhängige Gesellschaft prüfen lassen. Diese erstellt ein sogenanntes Testat, welches dem Unternehmen eine ordentliche Buchführung bescheinigt. Im Falle des Wirecard-Skandals war die internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY für dieses Testat verantwortlich. Um zu verstehen, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in der Regel nicht vollständig unabhängig agieren, muss man den Markt für diese Dienstleistungen kennen. Es gibt nur wenige Wirtschaftsprüfer auf der Welt, die in der Lage sind, die großen Strukturen von Konzernen abschließend zu bewerten und ein solches Testat zu erstellen. Im Prinzip beschränkt sich der Markt in diesem Bereich lediglich auf ein paar wenige Gesellschaften. Es wird vermutete, dass diese in vielen Fällen kooperieren oder zumindest in die Unternehmensführung auf informeller Basis involviert sind. Genau hier ergibt sich das Problem, denn ein unabhängiges Testat kann in solchen Fällen natürlich nicht entstehen. Klar ist aber auch, dass die Testierung von EY trotz umfangreicher Prüfungen erteilt und dann zurückgezogen wurde. Es kann also auch durchaus sein, dass die Wirtschaftsprüfung schlicht etwas übersehen hatten. Auch das kann vorkommen und ist in der Regel ein schwerwiegendes Problem. Im Falle von Wirecard bedeutete dies, dass das Unternehmen sofort seinen Geschäftsbetrieb einstellen musste und die Insolvenz umgehend erklärt wurde. Eine Pflichtverletzung der Vorstände liegt auf der Hand und wurde bereits nachgewiesen. Ob die beteiligten Wirtschaftsprüfer ebenfalls diesem Vorwurf unterliegen, muss vor einem Landgericht und einem Oberlandesgericht geklärt werden. Die direkten Folgen für die Wirtschaftsprüfer sind bis jetzt eine verstärkte Beaufsichtigung durch die BaFin, sowie die Prüfung eines Entzugs der Lizenz für die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer. Letzteres ist unwahrscheinlich, da EY eine der größten Gesellschaften für die Wirtschaftsprüfung der Welt ist und für die internationale Wirtschaft eine herausragende Bedeutung hat.

VI. Internationale Auswirkungen und erste Rechtsfolgen des Skandals

Die internationalen Auswirkungen in Bezug auf die Finanzmärkte waren nicht signifikant. Der Wirecard-Konzern war nur ein Dienstleister von vielen, und auch in Deutschland zwar groß, aber nicht systemrelevant. Die Dienstleistungen, welche betrieben wurden, konnten mit wenig Aufwand aufgefangen und fortgeführt werden. Das gilt zumindest für die westliche Hemisphäre, sowie den wichtigen chinesischen Markt. In letzteren Bereichen war die Marktentwicklung nocht nicht weit fortgeschritten. Im Bereich des internationalen Zahlungsverkehrs griffen die wichtigen Reaktionsmechanismen und kurzfristig auftretende Störungen blieben ohne signifikante Auswirkungen auf nationale Märkte. Für die Anleger und Aktionäre war der Insolvenz allerdings ein Schock, der sich auch finanziell niederschlug. Manche Sparer und Aktionäre verloren große Werte und konnten diese nicht ersetzen. Dazu kommt, dass manche Aktionäre sogar noch Nachzahlungen zu leisten hatten und so für das wirtschaftliche Fehlverhalten der Vorstände mithaften müssen. Auch hier sind die Aussagen mit Vorsicht zu genießen, da es sich um laufende Rechtsverfahren handelt, die noch nicht abgeschlossen sind. Ein Teil des Vorstandes konnte am Verlassen des Landes gehindert werden und musste sich bereits vor ordentlichen Gerichten verantworten. Jan Marsalek hingegen ist bis heute auf der Flucht und wird international gesucht. Bis heute konnte er noch nicht gefasst werden und wer sachdienliche Hinweise über den Verbleib der Person Jan Marsaleks hat, der sollte sich umgehend an die zuständigen Behörden wenden. Neben den Strafverfahren sind noch eine ganze Reihe von weiteren Schadensersatzforderungen anhängig, die aktuell noch verhandelt werden. Aktionäre und Anleger können sich im Rahmen des KapMug-Verfahrens schützen und eventuelle Ansprüche aus der Insolvenzmasse des Unternehmens, und gegenüber der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wahren.  

V. Rechtslage für Aktionäre nach dem KapMug-Verfahren

Das KapMug-Verfahren, auch Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz genannt, ist eine Möglichkeit zur Eröffnung einer Sammelklage gegenüber Unternehmen für Aktionäre und Anleger. Hintergrund der Einführung war die letzte große Finanzkrise, welche das Fehlen einer Möglichkeit zur kostengünstigen Sammelklage für Aktionäre deutlich offenlegte. Eine Sammelklage hat den Vorteil, dass die Kläger das Risiko gemeinsam tragen und den Ertrag aus der Klage teilen. Die Kosten für das Verfahren werden minimiert, teilweise sogar verhindert. Demgegenüber können Gruppen von Anlegern ihre eigenen Ansprüche rechtssicher durchsetzen und sich so ihr Geld wiederholen. Aktuell ist es noch möglich, an den verschiedenen Verfahren gegen Wirecard und EY teilzunehmen. Die hierfür zuständige Kanzlei hat für diesen Fall eine eigene Homepage eröffnen und erläutert dort alle weiteren notwendigen Schritte. Die Verfahren gegen das Unternehmen und die Wirtschaftsprüfer müssen dabei getrennt betrachtet werden und sind noch nicht angelaufen. Eine abschließende Beurteilung wird erst möglich sein, wenn ein endgültiger Richterspruch gefällt wurde. Experten beurteilen die Aussichten allerdings als durchaus positiv, auch wenn es gegenüber der zuständigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft schwerfallen dürfte, entsprechende Nachweise zu erbringen. Die Rechtslage ist hier sehr uneindeutig, da es entsprechende Fälle in der Geschichte der deutschen Rechtssprechung bis heute nicht gibt.

Es gibt folglich noch viele ungeklärte Fragen, wobei das schuldhafte Verhalten der Vorstände des Wirecard-Konzerns mittlerweile durch die abgeschlossenen Strafverfahren als erwiesen gelten kann. Die Schadensersatzansprüche gegen das Unternehmen dürften also in der Regel als erfolgversprechend eingestuft werden und haben gute Aussichten. Die deutsche Rechtssprechung ist in diesem Fall sehr eindeutig und ermöglicht den Anlegern hochwertige Schadensersatzansprüche und deren erfolgreiche Durchsetzung. Ein Problem ergibt sich derzeit in der Reihung der Ansprüche. An erster Stelle stehen die großen Fonds, dann kommen die Ansprüche der Banken und am Schluss erst der kleine Anleger. Man muss also davon ausgehen, dass die endgültige Summe des festgestellten Schadens zum großen Teil auf die Großaktionäre, sprich die Fondsgesellschaften und die Banken verteilt werden dürfte. Wie viel letztlich für den privaten Schadensersatz übrig bleibt, hängt von der Gesamtsumme ab. Diese wird im Urteil festgelegt, welches ebenfalls noch ausständig ist. Man kann also sagen, dass die Verbraucher und kleinen Anleger vermutlich die letzten sind und ihre Forderungen deutlich werden herunterschrauben müssen. Ein grundsätzlicher Anspruch besteht zwar, die Durchsetzung wird allerdings stark von der zur Verfügung stehenden Summe abhängen. Diese Summe wird aus der Insolvenzmasse gebildet. Im Zuge des Skandals wurden knapp 20 Milliarden Euro an Aktienwerten vernichtet, sowie Dividendenrückforderungen in Höhe von 47 Millionen erhoben. Die gesamte Insolvenzmasse dürfte deutlich unter dieser Größenordnung liegen, abzüglich des Wertverfalls der Aktien und im Rahmen des aktuellen Wert des Unternehmens. Dieser setzt sich nach der Insolvenz aus den ausstehenden und eingetriebenen Forderungen, dem Eigenkapital und der Ausstattung zusammen. Faktisch dürfte der Wert der Aktien deutlich über der realen Insolvenzmasse gelegen haben und der reale Wert, im optimistischen Falle, auf die Hälfte des Aktienwerts begrenzt sein.  

VI. Warum sollte man am KapMug-Verfahren teilnehmen?

Schlichtweg und einfach gesagt: Um die eigenen Rechte zu wahren. Ein großer Teil der Anteilseigner waren einfache Verbraucher, und diese könnten einen Anspruch auf Schadensersatz haben. Da geht es um viel Geld, welches mit der Hilfe einer Sammelklage und ein bisschen Geschick mit wenig Aufwand eingefordert werden kann. Die Teilnahme an der Sammelklage ist für alle interessant, die vermutlich einen Rechtsanspruch auf Schadensersatz haben und sich ihre Ansprüche sichern möchten. Die Verbraucher profitieren dabei von verminderten Verfahrenskosten, die sie in einer Einzelklage erst einmal selbst zu tragen hätten. Für den durchschnittlichen Verbraucher ist eine Klage in einem solchen Umfang schlichtweg nicht stemmbar. Experten vermuten, dass die Verfahrenskosten im Rahmen von mehreren Millionen Euro liegen dürften. Da der Verbraucher diese im Falle einer juristischen Niederlage selber tragen müsste, ist eine Sammelklage eine ideale Lösung, um diesen Kosten effektiv zu begegnen. Die Teilnahme an der Sammelklage ist allerdings nicht verpflichtet. 

Das Landgericht München hat am 14. März 2022 entschieden, dass es zu einem KapMug-Verfahren gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kommen kann. Anleger sollten sich deswegen umgehend darum kümmern und ihre Rechte wahren. Es gibt viele Angebote, die sich auf die Führung der Sammelklage konzentrieren und entsprechende Pakete anbieten. Wichtig ist in vielen Fällen, dass ein Mindestwert an Anlageverlusten vorhanden ist. Dieser beträgt meist mehrere tausend Euro. 

Die Frist zur Teilnahme an der Sammelklage läuft im Juli 2022 aus. Bis dahin muss eine Teilnahme an der Sammelklage bestätigt werden.


VII. Der Beschluss im Einzelnen (auszugsweise)

(...)

z.: 3 OH 2767/22 KapMuG(3 O 5875/20) wegen KapMug-Verfahren

erlässt das Landgericht München I – 3. Zivilkammer – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Falk, die Richterin am Landgericht Zobel und den Richter Weiß am 14.03.2022 folgenden

Beschluss 

I.

Vorlage

Dem Bayerischen Obersten Landesgericht werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG folgende Feststellungsziele zur Herbeiführung eines Musterentscheids

vorgelegt:

A.

........

Lebenssachverhalt (§ 6 Abs. 3 Nr. 2 KapMuG)

Die Kläger nehmen die Beklagten auf Schadensersatz in Bezug auf Aktienerwerbe von Aktien der Wirecard AG (WKN: DE0007472060) in Anspruch.

.....
Die Klagen der Musterkläger zu 2) bis 11) richten sich gegen die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Die Klägerin zu 1) sieht als Anspruchsgrundlage für eine Haftung der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Delikt wegen der Erstellung falscher Bestätigungsvermerke sowie wegen Beihilfe zu kapitalmarktrechtlichen Pflichtverletzungen der Wirecard AG gemäß §§ 826, 31 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 332 Abs. 1 HGB, 31 BGB, §§ 830 Abs. 1, Abs. 2, 840, 31 BGB, §§ 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 331 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 HGB, § 400 AktG, §§ 37b, 37c WpHG, § 37v WpHG, §§ 97, 98 WpHG.

Die Kläger zu 2) bis 11) schließen sich insoweit den Ausführungen der Klägerin zu 1) an.

Der Beklagte Dr. Markus Braun war Vorstandvorsitzender der Wirecard AG, die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Abschlussprüferin für die Jahres- und Konzernabschlüsse der Wirecard AG für die Jahre 2014 bis 2018, wobei sie jeweils einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hatte.

Die Klägerin zu 1) macht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten Dr. Markus Braun wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Kapitalmarktinformationen sowie Veröffentlichung unwahrer Ad hoc-Mitteilungen in Zusammenhang mit dort zu verantwortender Finanzmanipulation geltend.
Gegen den Beklagten Dr. Markus Braun werden insoweit die Ansprüche auf §§ 826, 31 BGB, §§ 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG sowie §37c WpHG a.F. gestützt.

Bei der zwischenzeitlich insolventen Wirecard AG handelte es sich um ein 1999 gegründetes Zahlungsdiensteunternehmen. Nach Übernahme der Xcom Bank verfügte sie über eine Bank mit Banklizenz. Die Wirecard AG arbeitete im Rahmen ihrer Geschäfte auch mit Partnerunternehmen in Ländern zusammen, in welchen sie keine Lizenz als Zahlungsdienstleister hatte, um Zahlungen abzuwickeln, wobei der Begriff „Third Party Acquiring“ (TPA) benutzt wird. Hierbei sahen die Verträge vor, dass die Partnerunternehmen Kreditkartentransaktionen für Kunden abwickeln, die durch die Wirecard AG vermittelt wurden. Die Wirecard AG verpflichtete sich hierbei, die Partner von Vermögensverlusten aus der Geschäftsbeziehung schadlos zu halten, wodurch insbesondere Schäden aus der Rückabwicklung von Zahlungsvorgängen umfasst sein sollten. Die Besicherung sollte hierbei über die Stellung treuhänderisch verwalteter Barsicherheiten auf Treuhandkonten erfolgen. Die Bilanzen der Wirecard AG seien in verschiedenen Eskalationsstufen manipuliert gewesen, wobei in eklatantem Ausmaß Umsatzerlöse erfunden worden seien. Insbesondere manipuliert gewesen sei die Darstellung des Bestands an liquiden Mitteln.

Bei der Wirecard AG habe es drei Gesellschaften gegeben, über die das TPA-Geschäft abgewickelt worden sei. Diese wiederum hätten das TPA-Geschäft mit drei TPA-Partnern betrieben. Die drei sogenannten „Wirecard-Gesellschaften“ seien gewesen: die „Wirecard UK & Ireland Ltd.“ mit Sitz in Dublin, die „Wirecard Technologies GmbH“ mit Sitz in Aschheim sowie die „Cardsystems Middle East FZ LLC“ mit Sitz in Dubai. Diese drei sogenannte „Wirecard-Gesellschaften“ hätten das TPA-Geschäft mit den TPA-Partnern „Al Alam Solution Provider FZ-LLC“ mit Sitz in Dubai, der „Senjo Payments Asia Pte. Ltd.“ mit Sitz in Singapur sowie mit der„PayEasy Solutions Inc“. mit Sitz Metro Manila betrieben.

Die Leistung der Wirecard AG selbst sei gewesen, Kunden an die TPA-Partner vermittelt und Ausfallrisiken übernommen zu haben.

Die von der Wirecard AG zu leistenden Sicherheiten seien sehr hoch gewesen, bereits im Jahr 2015 hätten sie mehr als 100 Mio. € betragen, der Betrag zur Absicherung von Forderungsausfällen hätte im Jahr 2020 1,9 Mrd. € betragen.

Die hohen Gewinne von Wirecard mit dem TPA-Geschäft seien unplausibel gewesen. Treuhandkonten für Sicherheiten seien nicht in Deutschland und Europa eingerichtet worden. Als Treuhänder sei eine „Citadelle Corporate Services Pte. Ltd.“ in Singapur eingesetzt gewesen, deren Inhaber Herr Rajaratnam Shanmugaratnam gewesen sei, der in Singapur eine Tanzbar betrieben habe. Die in Singapur erforderliche Lizenz habe nicht bestanden. Durch die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei die Verlässlichkeit des Treuhänders nicht hinterfragt gewesen.

Ende des vierten Quartals 2019, zur Zeit einer von der Wirecard AG veranlassten Prüfung durch die KPMG, sei als neuer Treuhänder Herr Mark Christopher Tolentino aus Makati City auf den Philippinen eingesetzt gewesen, ein Rechtsanwalt für Familienrecht.

Der Vertragspartner des TPA-Partners PayEasy sei ein Unternehmen namens Maxcone (später ConePay), Centurion Online Payment International gewesen, dessen Büro eine verlassene Lagerhalle in Las Piñas auf den Philippinen gewesen sei.

Die Fragwürdigkeit von Geschäftspartnern sei nicht durch die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ausreichend hinterfragt gewesen.

Im Rahmen des TPA-Geschäfts seien Umsatzerlöse von Wirecard fingiert worden. Im Geschäftsjahr 2015 hätten sich fingierte Gelder in Höhe von 113,5 Mio. € auf Treuhandkonten befunden, darüber hinaus seien 250 Mio. € an Forderungen fingiert gewesen. Damit sei der Geschäftsbericht des Jahres 2015 grob unrichtig gewesen. Fingierte Umsatzerlöse und fingierte Forderungen hätten in den Folgejahren zugenommen.
Für das Geschäftsjahr 2016 seien Anlage-(Brutto-)Umsatzerlöse in Höhe von ca. 541 Mio. € gegenüber den drei TPA-Partnern fingiert gebucht worden, für das Geschäftsjahr 2017 917,63 Mio. € sowie für das Geschäftsjahr 2018 1.302,221 Mio. €. Im Jahr 2020 hätten sie schließlich allein auf den Treuhandkonten fingierte 1,9 Mio. € befunden.

Die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe gegenüber Wirecard im Jahr 2015 angeregt, das Problem nicht bezahlter Forderungen mithilfe von Treuhandkonten zu lösen. Gleichzeitig habe diese Gelder auf den Treuhandkonten als Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente akzeptiert. So sei für bilanzkundige Leser der falsche Eindruck entstanden, dass Wirecard über eine große Menge an Bargeld verfüge. Insgesamt sei das TPA-Geschäft nicht plausibel gewesen. Im Übrigen seien die Treuhandkonten falsch bilanziert gewesen, die Wirecard AG habe von 2016 bis 2018 keine Saldenbestätigungen für Treuhandkonten über rund 1 Mrd. € vorgelegen können. Damit sei die Bilanzierung als Zahlungsmitteläquivalente falsch gewesen.

Die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe bedingt vorsätzlich öffentlich geäußerte Vorwürfe ignoriert und sich entgegen Prüfungsstandards nicht, wie es notwendig gewesen wäre, in Unterlagen vertieft und ausreichend Einsicht genommen. Sie habe ihre Aufgabe als Abschlussprüferin nicht zureichend wahrgenommen. Insbesondere Risiken seien niemals hinterfragt gewesen. Nicht hinterfragt worden sei auch das unangemessene Risikomanagementsystem für das TPA-Geschäft.

In Bezug auf das Indien-Geschäft von Wirecard sei im Jahr 2016 von einem Informanten aus den eigenen Reihen über massive Unregelmäßigkeiten die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Kenntnis gesetzt gewesen, insbesondere, dass leitende Mitarbeiter von Wirecard möglicherweise Betrug begangen haben könnten. Dies sei per Brief im Mai 2016 der Unternehmenszentrale der Beklagten Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Stuttgart gemeldet gewesen. Die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe unter dem Codenamen „Projektring“ eine Untersuchung durch ihr EY Fraud Team durchgeführt. Die Feststellungen dieses Teams seien sodann vom Prüfungsteam von Ernst & Young für das Jahr 2017 nicht ordnungsgemäß geprüft gewesen. Dem Verdacht hätte weiter nachgegangen werden müssen, insbesondere hätte sie über diese Angelegenheit im Bestätigungsvermerk Angaben machen und aufklären müssen. Auch hätte zwingend offengelegt werden müssen, dass es Wirecard an einem internen Kontrollsystem gemangelt habe. Die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe der Wirecard AG vorsätzlich für die Jahre 2015 bis 2018 falsche Bestätigungsvermerke erteilt.

Der Beklagte Dr. Markus Braun sei als Vorstandsvorsitzender für betrügerische Handlungen der Wirecard AG verantwortlich. Die Beklagte Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe durch unzureichende Prüfungshandlungen und falsche Bestätigungsvermerke diese Art der Unternehmungsführung aufrechterhalten. Insbesondere sei nicht einmal die Echtheit und Existenz von Kontoauszügen von Treuhandkonten bzw. Banksaldenbestätigungen geprüft gewesen.

Die Kläger benennen u. a. einzelne handelnde Prüfer als Zeugen. Im Übrigen verweisen die Musterkläger u. a. auf den Abschlussbericht des dritten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 22.06.2021 einschließlich des von den Ermittlungsbeauftragten erstellten sogenannten „Wambach-Bericht“. Weiter verweisen die Kläger auf den im Auftrag der Wirecard AG selbst erstellten sogenannten KPMG-Bericht.

Bei zutreffender Berichterstattung hätten die Musterkläger die getätigten Aktiengeschäfte nicht durchgeführt und die vorgetragenen Verluste, die einen deliktischen Schaden darstellten, nicht erlitten. Der Lagebericht habe kein zutreffendes Bild von der Lage der Gesellschaft gezeichnet, Testate in Formen von uneingeschränkten Bestätigungsvermerken hätten nicht erteilt werden dürfen.


(...)


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