Anfechtung von Testamenten nach türkischem Recht

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Im türkischen Zivilgesetzbuch ist geregelt, wer mit welchem Anteil mit dem Tod des Erblassers sein Erbe wird. Allerdings kann der Erblasser durch Erstellen eines Testaments festlegen, welche Personen wieviel bzw. welchen Teil der Verlassenschaft erhalten sollen. Sollten Gründe für die Anfechtung des Testaments vorhanden sein, können Erben sowie Vermächtnisnehmer, deren Rechte übergangen wurden, eine Klage zur Anfechtung des Testaments erheben. 

Anfechtungsgründe nach türkischem Recht sind folgende:

  1. das Testament wurde vom Testierer im Zeitpunkt der Geschäftsunfähigkeit erstellt (Testierfähig ist man mit dem vollendeten 15. Lebensjahr und bei Vorhandensein der Geschäftsfähigkeit)
  2. die Erstellung des Testaments wurde durch Irrtum, List, Drohung und Zwang veranlasst (Testamente sollten dem wirklichen Willen des Erblassers entsprechen und keinem Willensmangel unterliegen)
  3. der Inhalt des Testaments und die darin enthaltenen Bedingungen und Anordnungen sind rechts- oder sittenwidrig.
  4. Das Testament entspricht nicht den Formvorschriften des Gesetzes

Aus diesen oben erläuterten Gründen ist das Testament nicht von sich aus ungültig; es entfaltet seine Rechtswirkungen mit dem Tod des Erblassers. Um dies zu verhindern, muss eine zur Änderung des bestehenden Rechtszustandes gerichtete Anfechtungsklage eingebracht werden. Das Urteil wirkt rückwirkend seit dem Tod des Erblassers. Die Anfechtungsklage kann hinsichtlich des gesamten oder einen Teil des Testaments eingebracht werden. Anordnungen, deren Anfechtung nicht begehrt wird, behalten grundsätzlich ihre Wirksamkeit. Bei Verstößen gegen die Formvorschriften des Testaments oder bei Vorliegen von Gründen der Testierunfähigkeit, ist eine Teilanfechtung nicht möglich, da diese sich auf das gesamte Testament auswirken. Anfechtungsberechtigt sind bei der Anfechtungsklage Erben und Vermächtnisnehmen, die ein rechtliches Interesse an der Anfechtung haben. Anfechtungsgegner ist hingegen jener, der durch das Testament, dessen Anfechtung begehrt wird, begünstigt wird.  Dies kann ein eingesetzter Erbe, ein Testamentserbe oder ein Organ einer gegründeten Stiftung sein.

Für die Anfechtung von Testamenten finden sich in § 559 türkisches ZGB Verfallsfristen. Die Anfechtung von Testamenten hat binnen eines Jahres ab dem Zeitpunkt des Erbfalls, der Kenntnis des Anfechtungsgrundes und der Kenntnis, dass man Testamentsbegünstigter ist, zu erfolgen; jedenfalls aber ist die Anfechtungsklage gegen gutgläubige Beklagte binnen einer Frist von zehn Jahren und gegen nicht gutgläubige Beklagte binnen einer Frist von zwanzig Jahren ab der Eröffnung des Testaments einzubringen. Sollte jedoch der Kläger zu Lebzeiten des Erblassers Kenntnis von diesen Gründen erlangen, beginnt die Frist nicht vor Tod des Erblassers; die Einbringung dieser Klage zu Lebzeiten des Erblassers ist nicht möglich. Sollte im Zeitpunkt des Antrags zur Durchsetzung von Verfügungen von Todes wegen die Anfechtungsklage noch nicht eingebracht worden sein, können die Anfechtungsgründe jederzeit als Einwendungen vorgebracht werden.

In diesem Zusammenhang ist bei im Ausland erstellten Testamenten die Einrede der Ungültigkeit wegen Nichteinhaltung der gesetzlichen Formvorschriften nicht möglich. Denn Testamente gelten in der Türkei als gültig, sofern sie nach dem Recht jenes Staates, in dem sie erstellt wurden, gültig sind.


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