Anforderungen an eine Unterlassungserklärung: Ist das reine Unterlassen wirklich ausreichend?

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Ziel einer jeden Abmahnung im gewerblichen Rechtsschutz, im Urheberrecht oder aber auch im Bereich Medienrecht ist es in erster Linie, das Unterlassen eines ganz konkreten Verhaltens zu erwirken. Der Abgemahnte hat sich also aus Sicht des Abmahners in irgendeiner Art und Weise fehlerhaft verhalten und soll dieses Verhalten zukünftig unterlassen. In aller Regel wird dieses Ergebnis mit Abgabe einer Unterlassungserklärung oder einem gerichtlichen Titel (z. B. einer einstweiligen Verfügung) erreicht. Selbstverständlich ist das gerügte Verhalten sodann auch tatsächlich künftig abzustellen.

Aber reicht das aus? Ist allein das Beenden eines konkreten Verhaltens oder einer konkreten Maßnahme ausreichend, um die Vorgaben einer Unterlassungserklärung oder eines sonstigen gerichtlichen Unterlassungstitels zu erfüllen? Ganz klar nein. Wer sich auf das reine künftige Unterlassen durch bloßes Beenden des beanstandeten Verhaltens verlässt, riskiert schnell einen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung oder aber gegen das Gebot aus der einstweiligen Verfügung. Die Folgen sind nicht zuletzt etwaige Vertragsstrafen oder Ordnungsgelder.

Was ist der Hintergrund?

Das Problem wird dann relevant, wenn mit dem gerügten fehlerhaften Verhalten ein Vorgang in Gang gesetzt worden ist, der – plastisch gesprochen – aus der Vergangenheit heraus, anhaltend für die Zukunft als fortdauernder Verstoß wirkt. Das klingt ein wenig überladen, insofern ein Beispiel, über welches kürzlich das OLG Frankfurt 6 U 83/19 (vorhergehend LG Frankfurt 3-06 O 100/18) zu entscheiden hatte:

Händler A wirbt in seinem Online-Shop für die dort angebotene Produkte mit einer fehlerhaften Herstellergarantie. Händler B mahnt daraufhin den A ab, woraufhin der A die geforderte Unterlassungserklärung abgibt. Gleichzeitig ändert der A sofort seinen online-shop ab, sodass dort keine fehlerhafte Herstellergarantie mehr vorhanden ist. Kurz darauf aber findet der B, zumindest ausschnittweise, die zuvor fehlerhafte Herstellergarantie im Google-Cache in sogenannten Snippets bei der Google-Suche. Entsprechende mahnt der B den A erneut aufgrund eines Wiederholungsverstoßes ab.

Sowohl das LG Frankfurt als auch das OLG Frankfurt führen unmissverständlich aus, dass es gerade nicht ausreichend ist, sich einzig und allein auf die Problembehebung z. B. im eigenen online-Shop zu beschränken. Im Falle eines einmal geschaffenen fortdauernden Störungszustand muss der jeweilige Unterlassungsschuldner alles ihm zumutbare unternehmen, um diesen Zustand zu beseitigen. Damit sind auch etwaige Maßnahmen durch Einwirkung auf Dritte verbunden.

Im Klartext heißt das also: es ist nicht ausreichend, wenn Unternehmer A einzig seine Shop-Seite korrigiert. Er muss auch schauen, ob das zuvor fehlerhafte Angebot über Dritte, hier also Google, weiterhin abrufbar ist. Sofern das der Fall ist, muss A sich im Zweifel pro-aktiv an Google selbst wenden und auf eine umgehende Löschung drängen.

Die Frage dabei ist natürlich in gewisser Weise, was ist als zumutbar anzusehen, um sich einer weitergehenden Haftung zu entledigen. Allerdings ist die Rechtsprechung recht streng, wenn es um die Frage geht, ob der „Wiederholungstäter“ alles ihm Zumutbare getan hat, den einmal ins Internet gesetzten Verstoß endgültig zu bereinigen. Es reicht beispielsweise nicht aus, sich auf eine schlichte Löschungszusage seitens Google zu verlassen. Wird ein Löschungsantrag also gestellt, muss der Betreffende auch nachhaltig darauf drängen, dass die Löschung nicht „irgendwann demnächst“ erfolgt, sondern er muss nachhaken, im Zweifel wären auch eigene rechtliche Schritte gegen Google oder sonstige Dritte zu prüfen.

Eine Listung via Google ist jedoch nur ein beispielhaftes Problem, sodass sich der Grundgedanke der Sachverhaltskonstellation nicht allein auf Online-Verstöße beschränkt. Hätte der Unternehmer A beispielsweise auch Flyer oder Kataloge mit der fehlerhaften Garantiewerbung in Umlauf gebracht, besteht durchaus die Pflicht, die gebotenen Anstrengungen dahingehend zu unternehmen, eine weitere Verbreitung zu verhindern, gegebenenfalls die Flyer oder Kataloge zurück zu beordern. Was dabei als zumutbar gilt, ist im Einzelfall zu überdenken. Allerdings gilt auch dabei, dass das Bemühen ernsthaft und nachhaltig sein muss. Ein nettes Anschreiben der Vertriebspartner verbunden mit der höflichen Bitte, fehlerhafte Flyer nicht weiter verwenden zu dürfen, eher nicht ergiebig sein.

Markenrecht

Die Grundsätze des proaktiven Handelns im Falle einer bestehenden Unterlassungsverpflichtung gelten auch für das Markenrecht. Besteht hiernach eine Verpflichtung aus einer Unterlassungserklärung oder einem gerichtlichen Titel, dann sind alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um die einmal in Gang gesetzte Markenverletzung zu beenden. Hat der betroffene Unternehmer also möglicherweise ein Produkt in den Markt gebracht, welches eine Markenverletzung darstellt, dann muss er alles nur Mögliche tun, um auch auf seine Abnehmer einzuwirken, den Verkauf und die Verbreitung zu stoppen. Insoweit kann sich aus einer solchen Unterlassungsverpflichten auch eine Rückrufpflicht ergeben.

Welche Maßnahmen im Einzelnen nun zu ergreifen sind, hängt auch hier von der konkreten Unterlassungserklärung ab. Enthält beispielsweise eine Unterlassungserklärung einen Passus dahingehend, dass die zuvor gerügten, markenrechtlich fehlerhaften Produkte unter Einhaltung einer bestimmten Frist noch abverkauft werden dürfen, kann sich daraus natürlich nicht unmittelbar und zeitgleich eine Rückrufpflicht ergeben, so etwa das OLG Köln 6 U 34/18. Ob solche gesonderten Vereinbarungen oder Fristen bestehen, muss daher genau geprüft werden, denn eine solche Abverkaufs- oder sonstige Aufbrauchfrist ist nicht durch schlichte Auslegung einer jeden Unterlassungsverpflichtung zu entnehmen. 

Urheberrecht

Möglicherweise am nachvollziehbarsten ist die Problematik im Urheberrecht. Auch dabei gilt das gleiche Prinzip. Hier äußerte sich der BGH in der Entscheidung „CT-Paradies“ – BGH I ZR 76/13 dahingehend, dass es etwa im Falle der unberechtigten Bildnutzung auf eBay in keinerlei Hinsicht ausreichend ist, wenn die relevante Auktion nur beendet wird. Allein die Möglichkeit, dass ein anderer Nutzer über die Rubriken „beendete Auktionen“ oder im jeweiligen Nutzer-Profil über die Rubrik „beobachtete Angebote“ die Bilder auch nach Beendigung des eigentlichen Angebots noch abrufen kann, begründet eine anhaltende Verletzungshandlung und damit einen Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung. Damit ist zwingende Konsequenz, dass auch aus den beendeten oder abgelaufenen Auktionen die zuvor genutzten Bilder allesamt zu entfernen. 

Vorsicht: Das Problem wird besonders dann relevant, wenn mehrere eBay-Angebote fremde Bilder enthalten, aber nur ein Angebot seitens des Abmahners an eBay zur Adressermittlung gemeldet wird. eBay löscht nur das gemeldete Angebot umfassend. eBay wird keine weitergehende Prüfung vornehmen, sodass die weiteren Angebote zwingend durch den Abgemahnten zu entfernen sind.

Das Ergebnis ist auch auf andere Bereiche abseits von eBay übertragbar. Der einmal gesetzte Störungszustand durch unberechtigte Nutzung von Bildern oder anderen urheberrechtlich geschützten Werken ist nur dann effektiv künftig zu unterlassen, wenn die einmal in Gang gesetzte Verbreitung auch umfassend beseitigt wird. Das gilt für die Google-Bildersuche im Onlinebereich ebenso wie beispielsweise für bereits gedruckte und in den Verkehr gebrachte Dinge, wie etwa Prospekte, Bücher etc.

Persönlichkeitsrecht und Äußerungsrecht

Ein weiterer wichtiger Bereich, der schnell Stolperfallen aufweisen kann, sind Unterlassungsverpflichtungen im Bereich von Persönlichkeitsverletzungen durch getätigte Äußerungen und dergleichen. Die Problematik des Unterlassungsumfangs dürfte gerade im Bereich der Thematik rund um Hate-Speech derzeit aktuell sein. Wer hier zu einer Unterlassung verpflichtet wird, muss zwingend prüfen, ob die dahingehend zuvor getätigten Äußerungen anhaltend fortbestehen. Gerade dann, wenn solche Äußerungen über Plattformen wie Facebook & Co initiiert werden, wäre es fatal, sich schlicht darauf zu verlassen, dass der betreffende Post seitens Facebook gelöscht wurde. Das wird sicherlich oft der Fall sein. Allerdings liegt es allein im Verantwortungsbereich des zur Unterlassung verpflichteten dafür Sorge zu tragen, dass dies auch tatsächlich geschieht.

Zusammenfassend:

Wenn eine Unterlassungserklärung abgegeben wird oder ein gerichtlicher Unterlassungstitel vorliegt, sind damit selbstverständlich künftig die darin genannten Vorgaben einzuhalten. Und zwar umfassend. Neben einem zukünftigen Unterlassen des beanstandeten Verhaltens beinhaltet das zwingend wenigstens eine gründliche Kontrolle dahin, inwieweit sich eine zuvor gesetzte Handlung als fortwirkender Dauerzustand anhaltend auswirken kann. Um eine Haftung auf eine denkbare Vertragsstrafe zu vermeiden, müssen daher sämtliche Vorkehrungen getroffen werden, um den einmal in Gang gesetzten Vorgang zu beseitigen, egal ob der gerügte Verstoß nun online oder offline begangen wurde. Wichtig dabei ist: im Grunde greift die Haftung unmittelbar per sofort nach Abgabe der Unterlassungserklärung. Damit wird ebenso klar, dass sämtliche zumutbare Handlungen vor der Abgabe einer Unterlassungserklärung zu erfolgen haben. Auch deshalb ist dringend zu empfehlen, eine Unterlassungserklärung, egal in welchem Bereich, nur nach vorheriger anwaltlicher Prüfung abzugeben.

Umgekehrt muss auch der Abmahnende bei Abgabe einer Unterlassungserklärung genau prüfen, ob mit der konkret im Raum stehenden Erklärung wirklich ein umfassendes Unterlassen erzielt werden kann. Sicherlich, vieles lässt sich durch Auslegung einer Unterlassungserklärung interpretieren. Allerdings schafft die reine Interpretation einer Unterlassungserklärung nicht wirklich eine verbindliche Rechtssicherheit, was am Ende für keine der streitenden Seiten sinnvoll ist.

Gern können Sie mich für weitere Nachfragen zu Ihrem konkreten Fall ansprechen.



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