Angebotsbindefrist muss angemessen sein

  • 2 Minuten Lesezeit

In einem Vergabeverfahren zur Beschaffung von Bauleistungen wurden in den Vergabeunterlagen als Termin für die Abgabe der Angebote der 22.06.2022 und als Termin der Bindefrist der 07.11.2022, mithin 4 Monate und 16 Tage nach Angebotsabgabe, bestimmt.

Hierzu wurde eine Bieterfrage gestellt, worin denn die Gründe für die nach VOB definierte Bindefrist von 60 Kalendertagen bestehen. Immerhin betrage die Bindefrist 138 Tage. Deshalb sei das Angebotsschreiben der ausschreibenden Stelle mit der angegebenen Bindefrist als rechtswidrig anzusehen. Hierzu erklärte die ausschreibende Stelle, dass es zulässig sei, in begründeten Ausnahmefällen die Bindefrist auch über die normierten 60 Kalendertage zu verlängern und begründete dies mit internen Terminen und Fristen der Entscheidungsgremien.

Der daraufhin eingereichten Rüge wurde nicht abgeholfen, so dass ein Antrag auf Nachprüfung gestellt wurde, dem stattgegeben wurde.

In dem Verfahren ging es um die normierte deutliche Überschreitung der gesetzlich in der VOB normierten Bindefrist. Die Argumente der Kammer lassen sich aber auch auf Vergaben nach VgV adaptieren, die lediglich eine angemessene Bindefrist vorschreibt, was geradezu nach einer ordnungsgemäßen Ermessenausübung schreit. „Sein Ermessen hat der öffentliche Auftraggeber gem. § 10a EU Abs. 8 Satz 2 VOB/A danach auszurichten, dass die Bindefrist so kurz wie möglich sein und nicht länger bemessen werden soll, als der öffentliche Auftraggeber für eine zügige Prüfung und Wertung der Angebote gem. §§ 16 EU bis 16d EU benötigt.“ Das gilt letztlich auch für VgV-Vergaben.

Im Ergebnis hat die Kammer (VK Südbayern, Beschluss vom 05.08.2022, 3194.Z3-3_01-22-29)  festgestellt, dass im konkreten Fall die überdeutliche Überschreitung der gesetzlich normierten Bindefrist nicht ordnungsgemäß und stichhaltig begründet wurde (womit wir wieder bei einer ordnungsgemäßen Dokumentation sind...). Insbesondere wurden die Bieterinteressen nicht hinreichend beachtet, „… dass diese während der Bindefrist in ihren geschäftlichen Entschlüssen und Dispositionen, insbesondere hinsichtlich der Bewerbung um andere Aufträge und der Finanzierung weiterer Aufträge, erheblich eingeschränkt sind (vgl. VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.03.2012 - VK-SH 03/12). […] Die Abstimmungserfordernisse innerhalb der Verwaltung der Antragsgegnerin und die notwendige Befassung ihrer kommunalen Gremien erlauben ihr jedoch nicht, die Bindefrist im Regelfall und grenzenlos weit oberhalb der Regelfrist des § 10a EU Abs. 8 Satz VOB/A zu bestimmen.“

Fazit: Auch bei der Beschaffung von Leistungen und Dienstleistungen nach VgV und UVgO sollte diese Entscheidung bei der Bestimmung der Angebotsbindefrist Beachtung finden. Wenn eine Bindefrist deutlich länger als 60 Kalendertage betragen „muss“, so muss diese (objektive) Notwendigkeit in der Vergabeakte gut begründet werden. Grundsätzlich sollte die Bindefrist maximal 2 Monate nach Angebotsabgabe betragen, ansonsten steigt (wie in diesem Fall) das Rügerisiko für die ausschreibende Stelle.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Robby Semmling

Ihre Spezialisten