Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung gegenüber Beamten – BVerfG, Beschluss vom 14.01.2022, 2 BvR 1528/21

  • 3 Minuten Lesezeit

Das Bundesverfassungsgericht hat nun endlich die Rechtsklarheit wieder hergestellt, die bis zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.03.2019 – 2 BvR 5.18– bestand. Bis dahin war es einhellige Auffassung, dass eine Untersuchungsanordnung, die gegenüber einer Beamtin/einem Beamten zwecks Überprüfung ihrer/seiner Dienstfähigkeit ergangen war, angefochten werden konnte. Im gerichtlichen Eilverfahren erfolgte dies mit dem Antrag, festzustellen, dass der Anordnung keine Folge zu leisten ist.


Mit Beschluss vom 14.03.2019 - 2 VR 5.18 – entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass eine Untersuchungsanordnung als bloße Verfahrenshandlung nicht gesondert mit Rechtsmitteln angreifbar und daher auch ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes unzulässig sei. Der Beamtin stehe Rechtsschutz gegen eine Zurruhesetzungsverfügung zu. Erweise sich hierbei die Untersuchungsanordnung als rechtswidrig, sei dies auch die Zurruhesetzungsverfügung. An der Nichtbefolgung einer rechtmäßigen Untersuchungsanordnung hingegen habe die Beamtin kein schützenswertes Interesse und es bedürfe insoweit auch keines isolierten Rechtsschutzes. Das "Prognoserisiko" sei nicht unzumutbar, denn die Rechtmäßigkeitsanforderungen an eine Untersuchungsanordnung sein in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes geklärt.


Dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes hat sich die obergerichtliche Rechtsprechung teilweise angeschlossen (Bayern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg). Teilweise ist sie ihr nicht gefolgt (Hessen, Rheinland-Pfalz, Berlin-Brandenburg).


Diesen Konflikt hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr aufgelöst und in der Entscheidung vom 14.01.2022 unter Bezugnahme auf eine weitere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.10.2020 klargestellt, dass eine Untersuchungsanordnung, mit welcher die Beamtin verpflichtet wird, sich einer kompletten körperlichen Untersuchung nebst Befragung zu ihrer gesundheitlichen, persönlichen und sozialen Situation im dienstlichen und dem privaten Umfeld zu unterziehen, in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingreife. Die Beamtin müsse daher der Weisung des Dienstherrn, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nur dann Folge leisten, wenn ein hinreichender Anlass für die Untersuchungsanordnung bestehe und wenn diese in ihrem Umfang nicht über das Maß hinausgeht, welches für die Feststellung der Dienstfähigkeit der Beamtin erforderlich ist. Sowohl Anlass als auch Art und Umfang der durchzuführen Untersuchung seien – insbesondere, um der Beamtin effektiven Rechtsschutz noch vor dem Untersuchungstermin zu ermöglichen, in der Untersuchungsanordnung zu benennen.


Diesen Anforderungen werde der Verweis auf nachträglichen Rechtsschutz im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens nicht gerecht. Denn eine inzidente Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens würde voraussetzen, dass die Beamtin der Anordnung des Dienstherrn, sich amtsärzlich untersuchen zu lassen, nicht nachkomme. Dies sei für die Betroffene jedoch nicht zumutbar.


Diese Begründung ist zutreffend. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom März 2019 verursachte nämlich die Problematik, dass im Falle der Verweigerung einer Untersuchung und der möglicherweise erst Jahre später erfolgenden Feststellung eines Gerichts, dass die Anordnung rechtmäßig war, die Feststellung der Dienstfähigkeit nicht angegriffen werden konnte. Man ging also ein erhebliches Risiko ein, so dass ich seitdem in der Beratungspraxis dazu übergegangen bin, nur in ganz krassen Fällen, in denen die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung offensichtlich rechtswidrig war, davon abzuraten, dieser nachzukommen. Andererseits war es so, dass dann, wenn man der Untersuchungsaufforderung Folge leistete und später die Rechtswidrigkeit festgestellt wurde, die gutachterlichen Feststellungen, die auf Grundlage der rechtswidrigen Untersuchung getroffen wurden, nicht mehr angreifen konnte, weil man der Aufforderung ja nachgekommen war.


Diese Problematik stellt sich nun nicht mehr, da die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung angefochten und auch im einstweiligen Rechtsschutz von den zuständigen Verwaltungsgerichten überprüft werden kann. Man hat dann zeitnah Klarheit darüber, ob man sich der Untersuchung unterziehen muss oder nicht und begibt sich nicht mehr in die Gefahr, erst Jahre später Klarheit darüber zu haben.


Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist also vollauf zu begrüßen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Alexander Friedhoff

Beiträge zum Thema