Anrechnungspflicht von Füllauftrag an Nachunternehmer?

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Der Fall:

Der am 17. Juli 2008 beauftragte Generalunternehmer hat am 23. August 2008 einen eigenen Auftrag an einen Nachunternehmer mit Leistungen für einen Grundausbau (Gewerke Heizung/Kälte und Sanitär) und für einen Mieterausbau zu pauschal 4.250.000 € erteilt. Nach fristgerechter Fertigstellung und Übergabe des Grundausbaus und Herstellung des Mieterausbaus zu 25 % hat der Auftraggeber dem Generalunternehmer gekündigt, worauf dieser gegenüber seinem Nachunternehmer eine freie Kündigung erklärt hat. Der Nachunternehmer wurde dann durch den Auftraggeber direkt mit der Durchführung der verbliebenen Gewerke beauftragt, wobei das mit dem Generalunternehmer vereinbarte Zeitfenster einzuhalten war.

In seiner Schlussrechnung gegenüber dem Generalunternehmer hat der Nachunternehmer restlichen Werklohn für nicht erbrachte Leistungen unter Abzug ersparter Aufwendungen in Höhe von ca. 964.000 € abgerechnet. Der Generalunternehmer hat die Zahlung mit der Begründung verweigert, dass der Nachunternehmer sich die im unmittelbaren Auftrag des Auftraggebers ausgeführten Restarbeiten am Mieterausbau als Füllauftrag anrechnen lassen müsse.

Die Entscheidung:

Das OLG Hamburg hat überzeugend einen anrechnungspflichtigen Füllauftrag festgestellt. Denn der Nachunternehmer konnte erst nach Kündigung des Werkvertrages zwischen ihm und dem Generalunternehmer den unmittelbar durch den Auftraggeber an ihn erteilten Auftrag zur Ausführung restlicher Ausbaugewerke annehmen; die Kündigung des Nachunternehmervertrages war also unbedingte Voraussetzung für den anschließenden Direktauftrag durch den Auftraggeber. Denn es spreche nicht gegen einen Füllauftrag, dass die direkte Beauftragung des Nachunternehmers hinsichtlich ihres Umfanges nicht deckungsgleich mit der ursprünglichen Beauftragung des Generalunternehmers war; zudem hat das Gericht im Hinblick auf vorangegangene obergerichtliche Rechtsprechung festgestellt, dass es auf die Einlassung des Nachunternehmers – aufgrund seiner nicht vollständigen Auslastung läge kein Füllauftrag vor – nicht ankomme.

Anmerkung:

Entscheidend ist die Feststellung, dass der Nachunternehmer erst durch die Kündigung des Nachunternehmervertrages den anderweitigen Auftrag annehmen konnte; die Kündigung und der anderweitige Erwerb müssen also in einem ursächlichen Zusammenhang gestanden haben. Sofern ein Nachunternehmer aber nicht voll ausgelastet ist, kann er einen Folgeauftrag mit sonstigen freien Kapazitäten erfüllen, ohne hierzu die durch die Kündigung freigewordenen Kapazitäten einsetzen zu müssen; folglich liegt bei fehlender Vollauslastung kein Füllauftrag vor (OLG Hamm, Urt. v. 20. Nov. 2003 – Az.: 24 U 195/01; OLG Naumburg, Urt. v. 24. April 2014 – Az.: 2 U 28/13). Aber: Vorliegend ist nicht die Frage der zur Übernahme des Folgeauftrages vorhandenen Kapazitäten relevant. Tragend ist dagegen der Umstand, dass der – hier deckungsgleiche (!) – Folgeauftrag ohne die Kündigung des Hauptvertrages nicht zur Verfügung gestanden hätte.

(OLG Hamburg, Urteil vom 21. Oktober 2015 – Az.: 1 U 206/14; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2018 [Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde] – VII ZR 256/15)


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