Für Verbraucher Widerruflichkeit von mündlich vereinbartem Nachtrag möglich

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Der Fall:

Zwischen einem Werkunternehmer und einem privaten Bauherrn ist eine mündlich und ohne Widerrufsbelehrung auf der Baustelle geschlossene Nachtragsvereinbarung streitig geworden. Nachdem keine Einigkeit hergestellt werden konnte, hat der Bauherr den Widerruf der Nachtragsvereinbarung erklärt, obwohl die streitige Leistung bereits erbracht war, und der Werkunternehmer für diese Leistung Werklohn gefordert hatte.



Die Entscheidung:

Nachdem bereits durch das Ausgangsgericht dem Verbraucher hinsichtlich des ausgeübten Widerrufs Recht gegeben worden war, hat das OLG Karlsruhe diese Entscheidung bestätigt:

Das Berufungsgericht hat erklärt, dass Nachtragsvereinbarungen über zusätzliche Leistungen des Unternehmers – anders als einseitige Änderungsanordnungen des Bestellers gemäß § 650 b Abs. 2 BGB – rechtlich selbständige Werkverträge sind, weil sie – wie der Hauptvertrag – durch Angebot und Annahme zu Stande gekommen sind. Daher können sie unter den Voraussetzungen der §§ 312 b, 312 g BGB selbständig widerrufen werden. Der Umstand, dass Nachtragsvereinbarungen insbesondere dann mit dem Hauptvertrag „zusammenhängen“, wenn sie die nach dem Hauptvertrag geschuldeten Leistungen nur ergänzen oder lediglich solche zusätzlichen Leistungen zum Gegenstand haben, die zur Herstellung eines funktionstüchtigen Werks erforderlich sind (vergleiche § 650 b Abs. 1 BGB), ändert nichts daran, dass die von den Parteien getroffene Abrede über den zusätzlichen Leistungsinhalt und dessen Vergütung – also die Nachtragsvereinbarung – ein selbständiger Werkvertrag ist.

Nach dem Gesetzeswortlaut des § 312 b Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt es für das Widerrufsrecht nur darauf an, dass der Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen erfolgt ist. Auf eine konkrete Überraschung oder Überrumpelung kommt es nicht an. Es ist auch nicht erforderlich, dass die Überrumpelungssituation im konkreten Fall kausal zum Vertragsschluss durch den Verbraucher geführt hat. Auch aus der Gesetzesbegründung der Verbraucherrichtlinie 2011/83/EU ergibt sich keine einschränkende Auslegung des Gesetzeswortlauts: Auch hieraus wird dagegen deutlich, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht bereits deshalb eingeräumt wird, weil er außerhalb von Geschäftsräumen „möglicherweise“ psychisch unter Druck steht oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist. Nach diesem typisierten Maßstab kommt es auf eine konkrete Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers im Einzelfall nicht an.

Der Unternehmer verliert durch den Widerruf seinen Vergütungsanspruch, während der Verbraucher die Leistung behalten darf.


Anmerkung:

Der Unternehmer kann den für ihn nachteiligen Folgen des Widerrufs dadurch begegnen, dass er den Verbraucher über das Widerrufsrecht belehrt und ein ausdrückliches Leistungsverlangen des Verbrauchers vor Ablauf der Widerrufsfrist sich von diesem schriftlich oder ihn in Gegenwart von Zeugen bestätigen lässt (vergleiche § 357 a Abs. 2 Nr. 1 BGB).


(OLG Karlsruhe: Beschluss vom 14. April 2023 – Az.: 8 U 17/23)




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