Anspruch auf Urlaubsentgelt für Arbeitnehmer?

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Ursprünglich war in Fällen des Arbeitsrechts dies der unbedingt richtige Ratschlag:

  • Wenn das Arbeitsverhältnis zu Ende geht: Fordern Sie ihren Anspruch auf Jahresurlaub ein. Andernfalls droht die Gefahr, dass Sie unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (nach Beendigung des Arbeitsvertragsverhältnisses) einen Anspruch auf Urlaubsentgelt nicht besitzen.

Das BAG führt nämlich in seinem ursprünglichen Vorlagebeschluss vom 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A) – aus, dass nach § 7 BUrlG der Arbeitnehmer den Urlaub beantragen müsse, damit der Urlaubsanspruch nicht am Ende des Bezugszeitraums ersatzlos untergehe. 

Es fragte den EuGH, ob das Unionsrecht dieser Regelung entgegenstehe.

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtshofes vertrat bislang die Auffassung, dass

  • Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub als Anspruch auf Urlaubsentgelt

lediglich dann zur Ihren Gunsten besteht, wenn

  • im bestehenden Arbeitsverhältnis dieser Anspruch auf Jahresurlaub bereits gefordert wurde, also fällig gewesen ist und
  • der Arbeitgeber sich zum Zeitpunkt des Untergangs der originären Urlaubsanspruchs mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden hat, z. B. weil der Arbeitnehmer den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt habe (vgl. BAG-Urteil vom 06.08.2013 Az: 9 AZR 956/11).

Arbeitnehmern war und ist es unseres Erachtens immer noch im Zweifel zu empfehlen, ihren Anspruch auf Jahresurlaub stets geltend zu machen, außer ihnen wird schriftlich durch ihren Arbeitgeber bestätigt, dass der restliche Jahresurlaub ins nächste Jahr übertragen wird.

Arbeitgebern war und ist ggf. heute noch zu empfehlen, gerade für den Fall der Kündigung, dass der Arbeitnehmer seinen restlichen Urlaubsanspruch zu nehmen hat. Reagiert er nicht und fordert stattdessen (z. B. im Rahmen eines gekündigten Arbeitsverhältnisses) sofort Anspruch auf Urlaubsabgeltung, kann dies eine Rechtsfrage sein, über die man sich vortrefflich streiten kann, wie auch der Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13.12.2016 erkennen lässt. 

Der Europäische Gerichtshof beantwortete die Vorlage im Sinne des wohl aus seiner Sicht schutzbedürftigeren Arbeitnehmers:

EuGH, 06.11.2018 – C-684/16

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.
Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der ein Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die ihm gemäß diesen Bestimmungen für den Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub verliert, und zwar automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen. 

Es ist insoweit Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der darin anerkannten Auslegungsmethoden zu prüfen, ob es in der Lage ist, zu einer Auslegung dieses Rechts zu gelangen, mit der die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleistet werden kann.

2.
In dem Fall, dass eine nationale Regelung wie die in den Ausgangsverfahren fragliche nicht im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtecharta ausgelegt werden kann, ergibt sich aus Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtecharta, dass das mit einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem früheren privaten Arbeitgeber befasste nationale Gericht diese nationale Regelung unangewendet zu lassen und dafür Sorge zu tragen hat, dass der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber nicht nachweisen kann, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um ihn tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm nach dem Unionsrecht zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, weder seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub noch entsprechend – im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – die finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub, deren Zahlung in diesem Fall unmittelbar dem betreffenden Arbeitgeber obliegt, verlieren kann.

Damit liegt die Darlegungslast dass der Arbeitgeber:

mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, den dem Arbeitnehmer nach dem Unionsrecht zustehenden bezahlten Jahresurlaub nehmen zu können.

Andernfalls kann der Arbeitnehmer weder seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub noch entsprechend – im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – die finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub, deren Zahlung in diesem Fall unmittelbar dem betreffenden Arbeitgeber obliegt, verlieren.

Ob man insoweit gleich dem Arbeitnehmer empfehlen kann, seinen Anspruch auf Jahresurlaub nicht im laufenden Kalenderjahr zu nehmen, ist ggf. die Rechtsauffassung, die man daraufhin vertreten könnte. Die Empfehlung gegenüber den Arbeitgebern, gerade in gekündigten Arbeitsverhältnissen sauber zu dokumentieren, dass Urlaub den Arbeitnehmern angeboten, von diesen aber nicht genommen wurde, bleibt unbedingt aufrechterhalten.

Alleine durch die Krankheit eines Arbeitnehmers lässt sich im Fall eines bereits unverschuldet gekündigten Arbeitsverhältnisses nicht dessen Erholungsurlaub nehmen. Die Folge hiervon: Es bleibt trotz EuGH-Vorlage und Entscheidung ein Problem des Einzelfalls, das in der Praxis stets ein Ärgernis für beide Parteien bleibt. Der eine verliert seinen Arbeitsplatz, der andere muss ggf. für jemanden bezahlen, der gar nicht mehr da ist.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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