Grundbuch-Beschwerde gegen Zwischenverfügung zulässig aber nur bedingt zielführend!

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Die Zwischenverfügung des AG Augsburg Grundbuchamt einen Erbschein vorzulegen, um ein angeblich bestehendes Eintragungshindernis zu beheben ist nach Ansicht des OLG München ermessensgerecht und nicht zu beanstanden (Beschluss des OLG München 34 Wx 22/23 e vom 16.02.2023).

Ich hatte die Ansicht vertreten, dass für den Fall des Vorliegens eines öffentlichen Testaments (notariellen Testaments) in welchen 

- die Übereignung einer Landwirtschaft an Abkömmlinge angeordnet wurde und

- eine Anwachsung des Erbteils von Abkömmlingen die kinderlos versterben 

- zu Gunsten der anderen Abkömmlinge 

nicht ein Eintragungshindernis, sondern ein Eintragungsgrund ist. Da 2 von 6 Abkömmlingen kinderlos verstorben waren hatte ich die Grundbuchberichtigung der Anwachsung zu Gunsten der 4 verbliebenen lebenden Abkömmlinge gefordrt.

Die Anordnung der Verstorbenen hätte nach der von mir vertretenen Rechtsansicht das Grundbuchamt im Sinne der Anordnung der Verstorbenen im Rahmen der gebotenen Prüfung wohlwollend auslegen und die gewünschte Rechtsänderung eintragen müssen.

Das Grundbuchamt vertrat diese Rechtsansicht nicht und vertrat und meinte, dass eine Anwachsung auf die Erbteile der anderen Abkömmlinge nur dann seitens der Verstorbenen gewünscht war, solange die Verstorbene selbst noch gelebt hat. Für diese Rechtsansicht fehlten jedoch meines Erachtens weitere Umstände bzw. Andeutungen im Testament, weshalb diese Art der Auslegung durch das Grundbuchamt von mir als rechtswidrig beurteilt wurde.

Im Rahmen einer Zwischenverfügung wurde vom Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins gefordert. Gegen diese Zwischenverfügung vom  Zwischenverfügung des AG Augsburg, Grundbuchamt vom 14.12.2022 A.z.: MU-492-34, wurde Beschwerde eingelegt, ebenso gegen die gleichlautende (Nichtabhilfe-) Beschlussfassung des AG Augsburg vom 23.01.2023.

Meiner Ansicht nach reichte das notarielle Testament nd die Anordung der Anwachsung zum Nachweis der Erblegitimation aus, dies auch zumal im Rahmen des Nachlassverfahrens der Verstorbenen die Identitäten der Abklömmlinge bekannt und geprüft worden waren.

Das OLG München hat die Beschwerde als zum Teil unzulässig abgewiesen. Dies, soweit sich diese gegen den Nichtabhilfebeschluss gewendet hat, da der Beschwerde die sich gegen die Zwischenverfügung des AG richtete nach Ansicht des OLG München keine eigene Bedeutung besaß. 

Da im Übrigen über den Berichtigungsantrag unserer Mandantin selbst noch nicht entschieden war, konnte hierüber im Beschwerdeverfahren nach Ansicht des Oberlandesgerichts auch nicht entschieden werden. Auch ein Widerspruch war nach Ansicht des Oberlandesgerichts nicht einzutragen, da schließlich über die Antragsstellung der gegnerischen Beteiligten ebenso noch nicht vom Grundbuchamt entschieden worden war.

Es erging ein abweisender Beschluss soweit die Aufhebung der Anordnung der Vorlage eines Erbscheins gefordert wurde.

Allerdings erfolgt der Hinweis des OLG, dass die von mir erfolgte Auslegung des Testaments ohne weiteres möglich ist, eine Auslegung die aber der Senat des OLG München als nicht zwingend erachtet. 

Insoweit war in einem Verfahren mit geringen Streitwert jedenfalls eine erst rechtliche Orientierung zu Gunsten meiner Mandantschaft gestattet.

Ich war trotzdem über diese Entscheidung verblüfft, weil das OLG München den in der Fachpresse und Presse mehrfach als grundlegend bezeichneten Entscheidung, des Bundesgerichtshofes mit welchen sich dieser gegen die allgemeine Verpflichtung zur Vorlage eines Erbscheins durch Erben ausdrücklich ausgesprochen hatte.

So hatte der BGH in seiner Entscheidung vom 8. Oktober 2013, Az. XI ZR 401/12 entschieden, dass Erben in vielen Fällen gerade keinen kostenpflichtigen Erbschein beantragen müssen wenn ein öffentliches Testament vorliegt. Die Verpflichtung zur Vorlage von Erbscheinen in Regelungen von Banken AGB waren vom BGH wegen rechtlicher Benachteiligung als rechtlich unwirksam eingestuft, die Banken zur Erstattung der Kosten für den Erbschein verurteilt worden.

Zuletzt hatte der BGH sogar eine Sparkasse verurteilt, die unnötigen Kosten eines zu Unrecht verlangten Erbscheinverfahrens zu erstatten (Urteil vom 5. April 2016, Az. XI ZR 440/15), bei welcher nur ein handschriftliches Testament vorlag.

Auf diese Rechtsprechung (zu Lasten von Banken) geht das Oberlandesgericht München in seiner Entscheidung mit keinem Wort ein, was zu dem jedenfalls auf den ersten Blick sonderbaren Ergebnis führt, dass nach der

-              Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Mitarbeitern von Banken zugemutet wird, jedenfalls in einfach gelagerten Fällen auf die Vorlage eines Erbscheins verzichten und selbst materielles Recht abschließend prüfen zu müssen

Ausgerechnet aber nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München nun

-              Mitarbeiter von Gerichten, nämlich dem Grundbuchamt das Privileg zugestanden wird, nicht aufgrund einer eigenen rechtlichen Prüfung entscheiden zu müssen, sondern die Vorlage eines Erbscheins bestehen zu dürfen, welcher Kosten zu Lasten der Erben veranlasst.

Die Entscheidungsgrundlage die Beschwerde zurück zu weisen stützte das OLG ausdrücklich nicht auf materielles Erbrecht sondern lediglich formelles Verfahrensrecht. Zwar wird ausdrücklich in der Grundbuchordnung die Möglichkeit erwähnt wird, dass auf die Vorlage eines Erbscheins verzichtet  werden darf, falls ein öffentliches Testament vorliegt. Allerdings steht dort auch, dass falls das Grundbuchamt Zweifel besitzt die Vorlage eines Erbscheins verlangen darf. § 35 GBO bestimmt:

(1) 1Der Nachweis der Erbfolge kann nur durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden. 2Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins oder des Europäischen Nachlasszeugnisses die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden; erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses verlangen.


Die ist gesetzlicher Formalismus, den sich die Bürger also (leider) im Zweifel nicht entziehen können. Dies ist bedauerlich, weil eben wie aufgezeigt, mit zweierlei Maß geurteilt wird und dem Bürger ein einfaches Vorgehen über die Grundbuchbeschwerde im Zweifel nicht hilft.

Die Annahme aber, dass aber durch Vorlage eines Erbscheins ein Eintragungshindernis für die gewünschte Rechtsfolge beseitigt werden kann, falls unterschiedliche Rechtsauffassungen verteten werden, wie dies vorläufig der Fall ist, ist verkehrt.

Auch das Erbscheinverfahren trifft keine rechtsverbindlich materiellrechtliche Regelung welche dann die Erben untereinander gegen sich gelten zu lassen haben. (BGH, Urteil vom 14.04.2010 - Aktenzeichen IV ZR 135/08). Damit hat also die Durchführung eines Erbscheinverfahrens in Fällen strittiger Erbauseinandersetzung keine befriedende Wirkung für die Beteiligten. Damit fragt man sich nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des §35 GBO.

So kann ich auch als Anwalt kaum „guten Gewissens“  zur Durchführung des Erbscheinsverfahrens raten, da dies eben nicht rechtlich verbindlich oder klärend für die Beteiligten ist, was für eine materiellrechtlich Rechtsfolge nun die Anrechnungsbestimmung  im vorliegenden Fall hat.

(Selbst ein Vergleich mit der Antragsgegnerin (Alleinerbin nach Josef Hörwick) würde nach der Rechtsprechung des OLG München keine Bindungswirkung entwickeln, soweit dieser im Rahmen eines Erbscheinverfahrens geschlossen wird; vgl. OLG München, Beschluss vom 28.05.2020 - 31 Wx 126/20).


Statt dessen kann ich lediglich empfehlen, ein Klageverfahren gegen die Gegenseite auf Zustimmung der gewünschten Grundbuchänderung durchführen und hilfsweise beantragen, dass die aufgrund meiner Rechtsauffassung bestehende Rechtsfolge der Anwachsungsanordnung besteht.

Erst ein in diesem Verfahren dann erstrittenes Urteil ist dann sowohl für die Miterben als auch das Grundbuchamt verpflichtend, die gewünschte Grundbuchänderung durchzuführen. Dies, wenn diese Rechtsfolge eben Gegenstand des Urteilsausspruchs eines strittigen zivilgerichtlichen Verfahrens ist.

Wird ein solches Urteil erstritten, wäre im Übrigen die weitere Anordnung des AG Grundbuchamtes, dass ein Erbschein vorzulegen ist um ein Eintragshindernis zu beseitigen rechtswidrig.

Für diesen Fall und gleichgelagerte Fälle gilt:

Alleine das Klageverfahren ist zielführend, Grundbuchberichtigungsanträge und Beschwerden können zwar grundsätzlich auch zum gewünschten Ergebnis führen, falls das Grundbuchamt sich der geäußerten Rechtsansicht anschließt. Dies muss aber, wie der vorliegende Fall belegt nicht unbedingt sein. Wenigstens aber eine rechtliche Grundorientierung war durch den Hinweis des OLG ermöglicht. Zwischenbilanz also: in einem Verfahren mit geringem Streitwert und geringen Kosten war eine rechtliche Orientierung ermöglicht. Etwas was nun freilich für das durchzuführende Klageverfahren hilfreich ist.

Grundbuchberichtigungsanträge können im Zweifel zielführend auch für Erben sein, falls diese in Verfahren mit relativ geringen Kosten eine erste rechtliche Orientierung wünschen. 

Tatsächlich zielführend wird sicherlich immer eine Klage sein, welche für Rechtsklarheit sorgt, was das materielle Erbrecht angeht.

Foto(s): Haas Martin

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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