Anwaltsvergütung - konkludent immer 200 Euro/St.

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LG Bad Kreuznach, 1 S 17/20

AG Simmern/Hunsrück, 31 C 935/18

Ungeachtet der mitgeteilten wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten kann der Rechtsanwalt konkludent von einem vereinbarten Stundenhonorar für eine anwaltliche Beratung von 200 Euro netto/Stunde ausgehen. Es bedarf keiner schriftlichen Honorarvereinbarung. 200 Euro netto sind eine angemessene Vergütung.

Im September 2013 wandte sich die Beklagte wegen einer anwaltlichen Erstberatung im Sozialrecht via E-Mail an einen in 46458 Wesel niedergelassenen Rechtsanwalt. Sie teilte dem Kläger unstreitig schriftlich mit, in einer wirtschaftlich schwierigen Situation zu sein, wofür der Kläger, ebenfalls unstreitig, Verständnis zeigte

Es kam in Folge zu mindestens einem Telefonat, bei dem der Kläger die Beklagte unterwegs auf deren Handy erreichte. In diesem Telefonat behauptete der Kläger später, einen Stundensatz zu 200 Euro netto vereinbart zu haben, verfolgte diese Einlassung später aber nicht mehr weiter. Die selbst juristisch ausgebildete Beklagte gab hingegen an, aufgrund der damals unbestritten schwierigen finanziellen Lage explizit eine anwaltliche Erstberatung im Rahmen der Gebühren nach dem RVG gewünscht zu haben. Für den Fall, dass die gesetzliche Erstberatungsgebühr für die Beratung nicht ausreichen würde, bat sie um Mitteilung des Klägers. Dieser habe sinngemäß gesagt, sie solle sich keine Sorgen wegen der Kosten machen.

3,5 Jahre (!) später, im Februar 2017, erhielt die Klägerin eine Kostenrechnung  in Höhe von 975,80 Euro. Sie ging von einem Irrtum aus und rief in der Kanzlei des Klägers an und verwies auf die in 2013 erfolgte Erstberatung. Der Kläger war nicht zu sprechen. Sein Geschäftszimmer teilte mit, dem Kläger würde Nachricht gegeben und er würde sich zurückmelden. Ein Rückruf erfolgte nicht.

Ein weiteres halbes Jahr später wurde der Beklagten ein gerichtlicher Mahnbescheid zugestellt, gegen den diese Widerspruch einlegte.

Wieder ein Jahr später, mitterweile 5 Jahre nach der Beratung, reichte der Kläger Klage ein und schilderte darin eine Beratung, die über das eingangs geschilderte Telefonat hinausginge, außerdem Vorbereitszeiten, ingesamt 4 Stunden zu je 200 Euro zzgl. USt. Die Beklagte bestritt eine weitergehende Beratung. Der Beklagte trug zudem vor, einen Vertrag entworfen und für die Beklagte an eine dritte Person gesandt zu haben. Von einem Entwurf erhielt die Beklagte keine Kenntnis. Der angebliche Vertrag wurde auch im Verfahren nicht vorgelegt.

Gegen die Beklagte erging VU in Höhe von 975,80 Euro zzgl. Zinsen. Auf ihren Einspruch vom 09.09.2018 hin beantragte der Kläger viermal Terminsverlegung, so dass erst im August 2019, fast 6 Jahre nach der Beratung, der Haupttermin stattfiden konnte. Zu diesem Termin erschien der Beklagte mit rd. 5 stündiger Verspätung, während die Beklagte nach 1 St. 20  min Wartezeit das Gericht aus beruflichen Gründen verlassen hatte.

Erst im Januar 2020, mehr als 7 Jahre nach der Beratung, konnte der Hauptermin dann stattfinden. 

Das VU wurde aufrecht erhalten. Das AG Simmern/Hunsrück führte dabei aus, dass es das angemessene Stundenhonoar mit 200 Euro netto bewerte. Einer Honorarvereinbarung habe es nicht bedurft.  Daher sei auch unbeachtlich, dass der Kläger an seinem Vortrag, das Honoar vereinbart zu haben, nicht mehr festhielt. Der unstreitig schwierigen finanzielle Lage der Beklagten war für das AG Simmern nicht bedeutsam und spielt laut AG Simmern/Hunsrück keine Rolle bei der Bemessung eines angemessenen Stundenhonorars. Die erfolgte weitere Beratungsleistung musste trotz Bestreitens der Beklagten nicht nachgewiesen werden.

Die Beklagte ging hierauf in Berufung und wandte die vorläufige Vollstreckbarkeit durch Sicherheitsleistung ab. Im Mai 2021 wies das LG Bad Kreuznach die Berufung gem § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Dem Rechtsstreit wurde keine grundsätzliche Bedeutung zugemessen. Im Übrigen schloss sich das LG dem AG in der Frage an, dass eine Vergütung von 200 Euro netto üblich sei. Das Bestreiten der Beklagten, keine weitere Beratung erhalten zu haben, wertete das LG als unsubstantiiert. Auf die wirtschaftliche Verhältnisse zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Beratung ging auch das LG nicht ein.

Bis zum heutigen Tag hat der Kläger der Hinterlegungsstelle sein Einverständnis nicht erteilt, trotz vollständiger Leistung durch die Beklagte auf den Zurückweisugsbeschluss des LG hin, die Hinterlegungssummer an die Klägerin auszahlen zu lassen. Seit der damaligen telefonischen Beratung sind 9 Jahre vergangen.

Trotz der höchst anwaltsfreundlichen Rechtsprechnung des AG Simmern/Hunsrück und des LG Bad Kreuznach sollte sich der beratende Anwalt nicht darauf verlassen, dass auch andere Gerichte zum einen keine schriftliche Honorarvereinbarung auf das Bestreiten des Mandanten hin verlangen, noch - wie es das Berufsrecht der Rechtsanwälte vorsieht - die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten bei der Bemessung einer angemessenen Vergütung für erforderlich zu erachten.

Wenn deutlich von den gesetzliche Anwaltsgebühren abgewichen wird, ist es immer dringend anzuraten, eine schriftliche Honorarvereinbarung abzuschließen.





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