Arzthaftung ohne Rechtsschutzversicherung – „Da habe ich sowieso keine Chance ...?“

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Den Satz: „Ich bin Opfer eines Behandlungsfehlers, aber ich habe keine Rechtsschutzversicherung. Da habe ich ja dann sowieso keine Chance ...“ kennt wohl jeder im Arzthaftungsrecht tätige Anwalt.

Es ist richtig, dass Arzthaftungsprozesse aufgrund der regelmäßig hohen Schadenssummen und der Notwendigkeit von Sachverständigengutachten auch ein hohes Kostenrisiko bergen. Allerdings gibt es auch für nicht rechtsschutzversicherte Mandanten durchaus Möglichkeiten, ohne großes Risiko und Einsatz hoher finanzieller Mittel eine Klärung der Haftungsfrage herbeizuführen.

Geschädigte Patienten fühlen sich oft hilflos und brauchen die Unterstützung eines qualifizierten Anwalts. Oft ist auch sehr viel weitergehende Beratung notwendig, denn der Geschädigte wendet sich auch mit Fragen an seinen Anwalt, die nicht unbedingt dessen Berufssparte betreffen. Ich halte es wichtig für Geschädigte in jedem Fall prüfen zu lassen, ob tatsächlich ein haftungsrelevanter Behandlungsfehler vorliegt. Diese Klarheit hilft regelmäßig auch bei der persönlichen Verarbeitung der oft gravierenden Folgen. Es macht einfach einen Unterschied, ob ich mich als Geschädigter stets als Opfer sehe oder den schicksalhaften Verlauf einer Behandlung als Schicksal annehmen kann.

Für diese Klärung, die die selbstbestimmte Zukunft eines geschädigten Patienten entscheidend beeinflusst, ist eine Rechtsschutzversicherung sehr hilfreich, aber nicht unbedingt notwendig. 

Zwar soll der Behandler nach § 630 c Abs. 2 BGB (Patientenrechtegesetz) den Patienten auf Nachfragen oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren über einen Behandlungsfehler informieren. Allerdings wird diese gesetzliche Regelung durch die Bedingungen der ärztlichen Haftpflichtversicherer ad absurdum geführt: Statt eines sinnvollen Miteinanders zur Verbesserung der eingetretenen gesundheitlichen Situation sieht sich der Patient einer Mauer des Schweigens der Behandler gegenüber. Diese fürchten den Verlust ihrer Haftpflichtversicherung, wenn sie auch nur über die Möglichkeiten eines Behandlungsfehlers informieren. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, den tiefen Riss zwischen Theorie und Wirklichkeit zu überwinden.

Regelmäßig finden geschädigte Patienten aber kostenlose Unterstützung bei ihren jeweiligen gesetzlichen Krankenkassen. Durch Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes kann bereits eine gewisse Klarheit über das Ja oder Nein eines Behandlungsfehlers geschaffen werden. Auch die Schlichtungsstellen für Arzthaftpflichtfragen bieten dem Geschädigten eine kostenlose Möglichkeit, ein medizinisches Gutachten über die Frage eines Behandlungsfehlers zu erhalten. 

Diese Gutachten sind immer von unterschiedlicher Qualität und sollten stets überprüft werden. Die Prüfung des Gutachtens und Beratung durch einen erfahrenen Medizinrechtler kann hier sehr hilfreich sein.  

Der Gang zum Anwalt ist in einem solchen Fall nicht gleich mit Kosten verbunden, die eine Hemmschwelle aufbauen.

Erstberatungen von Verbrauchern werden grundsätzlich vom Gesetzgeber durch eine Obergrenze bei EUR 190,00 zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer von derzeit 19 % kostenmäßig begrenzt. Grundsätzlich gilt: Das Honorar ist frei verhandelbar. Seien Sie als Verbraucher also mutig und sprechen die Kostenfrage an. Dabei können Sie nicht nur die Höhe des Honorars, sondern auch die Bearbeitungs- und Zahlungsmodalitäten mit dem Anwalt frei vereinbaren. So haben Sie alle Möglichkeiten in der Hand, eine für sich günstige und lösungsorientierte Beratung zu erhalten.

Daneben gibt es auch Unterstützung durch Beratungsgespräche bei Anwälten mittels Beratungshilfe oder z.B. bei Vertrauensanwälten des Medizinrechtsanwälte e.V. mittels kostenlosen Beratungsscheinen des Medizinrechtsberatungsnetzes.

Kommt der Anwalt zu dem Schluss, dass eine Haftung in Betracht kommt, informiert er auch über die Möglichkeiten, ohne Rückendeckung durch eine Rechtsschutzversicherung einen Prozess führen zu können.

Mit den notwendigen Informationen können Sie als Geschädigter die freie Entscheidung treffen, auch darüber, ob und auf welchem Weg Sie gesundheitliche Schädigungen und Einschränkungen für Ihre Zukunft verarbeiten wollen. Eine fehlende Rechtsschutzversicherung ist also nicht von vorneherein ein Grund, auf eine tatsächliche und rechtliche Klärung zu verzichten.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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