Arzthaftung: Vorgehen nach Behandlungsfehler

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Unter Arzthaftung versteht man die Verantwortung des Arztes gegenüber einem Patienten, wenn dem Arzt bei der Behandlung schuldhaft ein Fehler unterläuft. Die Haftung des Arztes für Behandlungsfehler und die Haftung des Arztes für Aufklärungsfehler stellen die zwei wichtigen Säulen eines Arzthaftungsprozesses dar.

Nach einem Krankenhausreport der AOK aus dem Jahr 2014, sterben in Deutschland jährlich bis zu 19.000 Patienten an vermeidbaren Behandlungsfehlern. Nach der Jahresstatistik der Behandlungsfehler Begutachtung des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) wurden alleine im Jahr 2014 14.663 Behandlungsfehlervorwürfe durch die Mediziner des MDK begutachtet. In jedem vierten Fall bestätigten die Gutachter den Verdacht eines Behandlungsfehlers. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.

Mit dem Ziel die Rechte der Patienten zu stärken, trat am 26.02.2013 das Patientenrechtsgesetz in Kraft.

1) Behandlungsfehler

Ausgangspunkt für die Bewertung ärztlichen Handelns ist der medizinische (Facharzt-)Standard. Ein Behandlungsfehler liegt nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach vor, wenn gegen den anerkannten und gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft für das jeweilige Fachgebiet im Zeitpunkt der jeweiligen Behandlungsmaßnahme verstoßen wurde. 

Auch wenn es in einem Prozess zur Ermittlung dieses haftungsmaßgeblichen Standards in der Regel der Mitwirkung eines Sachverständigen (gerichtlich bestellter Gutachter) bedarf, lässt sich ein Verstoß gegen die ärztliche Sorgfaltspflicht oftmals bereits unter Zuhilfenahme von Leitlinien (AWMF- Leitlinien) oder Richtlinien der Bundesausschüsse der Ärzte erkennen.

Zu den Hauptfallgruppen der Behandlungsfehler gehören.

  • Anamnesefehler
  • Diagnosefehler
  • Befunderhebungsfehler
  • Therapiefehler
  • Therapeutische Aufklärung (Behandlungsbezogener Aufklärungsfehler)
  • Sicherheitsaufklärung (Behandlungsbezogener Aufklärungsfehler)

Wie im allgemeinen Zivilrecht üblich, liegt die Beweislast für das Bestehen eines Anspruchs auch im Arzthaftungsprozess grundsätzlich auf Klägerseite, also beim Patienten. Dieser Grundsatz dreht sich aber zu Gunsten des Patienten um, wenn dem Arzt ein grober Behandlungsfehler angelastet werden kann. Ein solcher liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn der Arzt eindeutig gegen ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGH v. 25.10.2011, VI ZR 139/10).

2) Aufklärungsfehler 

Die Verletzung der Aufklärungspflicht (etwa Risikoaufklärung, Diagnoseaufklärung) stellt eine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, die den Arzt ebenso wie bei einem Behandlungsfehler zum Schadensersatz verpflichtet. Bei einer Aufklärungspflichtverletzung haftet der behandelnde Arzt für alle durch den Eingriff nachweisbar verursachten Schäden. Es ist nicht erforderlich, dass dem Arzt ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann (OLG München, Urteil vom 28.07.2005 - 1 U 2178/05).

Dem Patienten muss im Falle der oft unterlassenen Risikoaufklärung eine zutreffende Vorstellung davon vermittelt werden, welche Risiken er durch den beabsichtigten Eingriff eingeht.

Zu prüfen sind häufig folgende Aufklärungsfragen:

  • Art und Weise der Aufklärung (Zeitpunkt der Aufklärung, d.h. Konnte der Patient das Für und Wider des Eingriffs abwägen und sich innerlich frei entscheiden?)
  • Richtiger Adressat der Aufklärung (ist der Patient der deutschen Sprache überhaupt mächtig bzw. einwilligungsfähig?)
  • Wer hat aufgeklärt (hat die richtige aufklärungspflichtige Person aufgeklärt?)
  • Form der Aufklärung (ein Aufklärungsbogen ersetzt nicht ein vertrauensvolles Gespräch zwischen Arzt und Patient)

Die Beweislast für das Vorliegen einer rechtswirksamen Einwilligung in den ärztlichen Eingriff liegt auf Behandlerseite (OLG München, VersR 1995, 95).

3) Voraussetzungen des Anwalts

Mandate in einem Arzthaftungsfall sind in der Regel sehr komplex. Nicht selten ist der Anwalt mit mehreren Hundert Seiten Behandlungsunterlagen und einer Materie konfrontiert, welche besondere Kenntnisse erfordert. Anwälte die sich mit Arzthaftungsfällen beschäftigen, sollen daher besondere Fertigkeiten haben. Hierzu gehören unter anderem: 

  • Die Fähigkeit und Bereitschaft sich in schwierige Fachbereiche der Medizin einzuarbeiten, die komplexe Thematik zu erfassen und darzustellen
  • Verhandlungsgeschick im Rahmen der Geltendmachung der Ansprüche des Patienten gegenüber Ärzten und deren Haftpflichtversicherern
  • Umfangreiche Kenntnisse des Schadensrechts (Schmerzensgeld, Haushaltsführungsschaden, Erwerbsschaden etc.)
  • Die Möglichkeit neutrale und unabhängige Ärzte und Gutachter zu kontaktieren und diese zu befragen
  • Die Bereitschaft ein arbeitsintensives Arzthaftungsmandat über einen längeren Zeitraum zu bearbeiten und hierbei die Interessen des Patienten nicht aus den Augen zu verlieren
  • Die Bereitschaft unkonventionelle Wege zu gehen
  • Die Vertrautheit mit medizinischen Sachverhalten und Spezialisierung auf dem Gebiet der Arzthaftung
  • Um Interessenskonflikte zu vermeiden, sollte der Anwalt mit der Gegenseite nicht in Verbindung stehen und nur eine Seite vertreten- die des geschädigten Patienten
  • Da die erlittenen Schicksale für die Patienten oft sehr belastend sind, sollte der Anwalt stets verständnisvoll und einfühlsam sein, aber auf der anderen Seite auch keine falschen Hoffnungen wecken

 4) Der Zeitpunkt der anwaltlichen Beauftragung

Die Verjährung arzthaftungsrechtlicher Ansprüche unterliegt der Regelverjährung des allgemeinen Zivilrechts. Ansprüche verjähren daher innerhalb von 3 Jahren, beginnend ab Kenntnis des Behandlungsfehlers bzw. des Aufklärungsfehlers.

Es ist aber sinnvoll, die Ereignisse möglichst zeitnah schriftlich festzuhalten und einen geeigneten Rechtsanwalt zu konsultieren der erste Schritte einleitet, vor allem weil nicht absehbar ist, wie viel Zeit die Bearbeitung des Schadenfalles in Anspruch nehmen wird. Der spezialisierte Anwalt kann den Patienten über seine Rechte aufklären, die richtige Strategie festlegen und dafür sorgen, dass die Angelegenheit von Anfang an optimal im Interesse des Patienten bearbeitet wird. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich der Patient unfreiwillig Ansprüche abschneidet.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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