Aufhebung der Ehe: Eine Alternative zur Scheidung?

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Sie haben geheiratet und möchten Ihre eheliche Lebensgemeinschaft beenden. Der normale Weg wäre die Scheidung. Jetzt haben Sie vielleicht gehört, dass eine Ehe auch aufgehoben oder annulliert werden kann. Sie möchten wissen, welche Gründe es dafür gibt und unter welchen Voraussetzungen die Aufhebung der Ehe eine Alternative zur Scheidung sein kann.

Wie wird eine Ehe beendet?

Ehen werden auf Lebenszeit geschlossen. Eine Ehe wird aufgelöst, wenn sie durch richterlichen Beschluss geschieden wird, der Ehepartner verstirbt oder die Ehe durch gerichtliche Entscheidung wegen eines Aufhebungsgrundes aufgehoben wird. Wird die Ehe aufgehoben, ist umgangssprachlich auch von der Annullierung der Ehe die Rede.

Wann kommt die Aufhebung der Ehe überhaupt in Betracht?

Die Aufhebung einer Ehe kommt nur in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der Eheschließung die Voraussetzungen fehlten, unter denen eine Ehe überhaupt geschlossen werden kann oder ein Eheverbot bestand.

Beispiele

Sie waren zum Zeitpunkt der Eheschließung minderjährig oder einer der Ehepartner war zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht zurechnungsfähig.

Nach dem Gesetz ist die Aufhebung der Ehe daher nur in Ausnahmefällen möglich. Liegt keiner dieser Ausnahmefälle vor, kann die Ehe nur geschieden werden. Der Standesbeamte hat daher vor der Eheschließung zu prüfen, ob die Eheschließung zulässig ist. Er prüft, ob die Ehevoraussetzungen (z. B. Volljährigkeit der Ehepartner) vorliegen und keine Eheverbote (Eheschließung unter Geschwistern) bestehen. Der Standesbeamte muss die Eheschließung verweigern, wenn offenkundig ist, dass für die Ehe ein Aufhebungsgrund besteht. Bestehen jedoch für den Standesbeamten keine erkennbaren Zweifel, wird er die Eheschließung vornehmen. Stellt sich nach der Eheschließung heraus, dass ein Aufhebungsgrund vorliegt, kommt nachträglich die Aufhebung der Ehe in Betracht.

Wichtig zu wissen

In den Jahren 1991–2004 wurden in der Bundesrepublik Deutschland weniger als 0,1 % der Ehen durch Aufhebung der Ehe aufgelöst. Die Aufhebung einer Ehe führt also ein echtes Schattendasein.

Welche Gründe rechtfertigen die Aufhebung einer Ehe?

Aufhebung einer Scheinehe

Schließen Sie die Ehe zu dem Zweck, dem Ehepartner ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu beschaffen, ohne dass Sie die Absicht haben, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, ist Ihre Scheinehe aufhebbar. Die Eheschließung ist allerdings zunächst wirksam, kann aber nachträglich aufgehoben werden.

Aufhebung einer Doppelehe

Heiraten Sie, obwohl Sie bereits verheiratet sind oder heiraten Sie einen Partner, der bereits verheiratet ist, sind Sie ein Bigamist. Ihre Ehe ist dann aufhebbar. Antragsberechtigt sind beide Ehepartner, aber auch diejenigen Personen, mit denen Sie oder Ihr Partner bereits verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben. Eine Antragsfrist besteht nicht. Wurde Ihr Ehepartner aus einer früheren Ehe irrtümlich für tot erklärt, ohne dass Sie dies wussten, wird durch die Eheschließung Ihre erste Ehe von Gesetzes wegen aufgelöst. Die Auflösung besteht fort, wenn die Todeserklärung nachträglich aufgehoben wird.

Aufhebung, wenn Sie die Eheschließung nicht persönlich erklärt haben

Sollte es Ihnen tatsächlich gelungen sein, die Eheschließung im Standesamt durch einen Stellvertreter vornehmen zu lassen, ist die Trauung zwar nicht unwirksam, begründet aber das Recht zur Aufhebung der Ehe. Allerdings ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn Sie danach fünf Jahre oder bis zum Tod eines Partners mindestens drei Jahre als Ehegatten zusammengelebt haben.

Aufhebung bei Minderjährigkeit

Um Kinderehen zu verhindern, hat der Gesetzgeber das Mindestalter für die Eheschließung von ursprünglich 16 Jahren auf 18 Jahre heraufgesetzt. Ausnahmen sind nicht mehr möglich. Bereits bestehende Ehen können durch richterliche Entscheidung aufgehoben werden. In Härtefällen kann von einer Aufhebung abgesehen werden, auch dann, wenn der minderjährige Partner zwischenzeitlich volljährig geworden ist und die Ehe fortsetzen möchte.

Aufhebung einer Ehe unter Verwandten

Die Ehe zwischen Verwandten in gerader Linie (Elternteil – Kind – Enkelkind) sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern sind verboten. Grund ist das Inzesttabu, das auch im Strafgesetzbuch mit dem Straftatbestand „Beischlaf zwischen Verwandten“ unter Strafe gestellt ist. Immerhin ist die unter Verwandten geschlossene Ehe wirksam, unterliegt aber der Aufhebung. Es besteht keine Antragsfrist. Sofern der Onkel die Nichte, die Tante den Neffen oder der Cousin die Cousine heiratet, besteht kein Eheverbot.

Praxistipp

Sind Sie ein Adoptivkind, entsteht mit Ihrer neuen Familie ein Verwandtschaftsverhältnis. Auch in diesem Fall besteht ein Eheverbot mit Ihren Angehörigen. Das Eheverbot entfällt, wenn Sie das Adoptionsverhältnis auflösen oder sich beim Familiengericht vom Eheverbot befreien lassen.

Aufhebung bei dauerhafter Geistesstörung

Befindet sich ein Partner zum Zeitpunkt der Eheschließung in einem „dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit“, ist er geschäftsunfähig. Das bedeutet, dass der Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung an einer geistigen Behinderung oder an einer Persönlichkeitsstörungen litt. Eine dennoch geschlossene Ehe ist wirksam, kann aber aufgehoben werden. Antragsberechtigt ist der Ehepartner, der gesetzliche Vertreter des geschäftsunfähigen Partners (Betreuer) oder die Verwaltungsbehörde.

Aufhebung bei vorübergehender Geistesstörung

Hat ein Partner die Eheschließung in einem Zustand vorübergehender Störung seiner Geistestätigkeit vollzogen (Vollrausch), ist die Ehe wirksam, wenn auch aufhebbar.

Aufhebung bei Irrtum

Dachten Sie, es handele sich bei der Trauungszeremonie um ein Verlöbnis oder eine bloße Theateraufführung und wussten Sie nicht, dass Ihr Ja-Wort die Ehe begründet, können Sie die Ehe aufheben lassen. Ob Ihnen dieser Nachweis tatsächlich gelingt, darf bezweifelt werden. Irrten Sie sich jedoch über die Identität Ihres Partners (Sie heiraten den eineiigen Zwillingsbruder Ihres vermeintlichen Partners) oder irrten Sie sich über wesentliche persönliche Eigenschaften Ihres Partners (Ehepartner ist entgegen seines hochkarätigen Auftretens finanziell völlig mittellos) bleibt Ihr Irrtum unbeachtlich. Ihnen bleibt dann nur die Scheidung.

Irrtum bei arglistiger Täuschung

Wurden Sie durch arglistige Täuschung zur Eheschließung veranlasst und hätten Sie bei Kenntnis der Gegebenheiten nicht geheiratet, ist Ihre Ehe innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Erkenntnis der der Täuschung aufhebbar. Die arglistige Täuschung kann auch darin bestehen, dass der Partner pflichtwidrig wichtige Tatsachen über seine Person verschweigt. In Betracht kommt, dass Ihr Partner bereits verheiratet, wegen Unterhaltspflichtverletzungen vorbestraft oder homosexuell ist.

Aufhebung bei Drohung

Wurden Sie durch Ihren Ehegatten oder einen Dritten (z. B. Vater der Braut) durch Drohung zur Heirat veranlasst, unterliegt Ihre Ehe der Aufhebung. Typischer Fall sind Zwangsheiraten. Sie können Ihre Ehe innerhalb einer Frist von drei Jahren aufheben lassen, sobald Sie sich aus Ihrer Zwangslage befreit haben. Die Zwangsehe ist zudem auch im Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt. In begründeten Fällen empfiehlt sich neben der Aufhebung der Ehe auch eine Strafanzeige aufzugeben.

Welche Konsequenzen hat die Aufhebung einer Ehe?

Wird Ihre Ehe aufgehoben, endet Ihre Ehe erst mit der Auflösung. Da Sie immerhin eine Eheschließung vorgenommen haben, bestehen ähnliche Konsequenzen wie bei einer Scheidung. So kann der Partner zum nachehelichen Ehegattenunterhalt verpflichtet sein, wenn Sie durch Täuschung oder Drohung zur Heirat veranlasst wurden oder Sie gemeinschaftliche und in der Ehe geborene Kinder betreuen müssen. In Betracht kommen auch Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich, wenn Ihre Beteiligung am Vermögenszuwachs und den Rentenanwartschaften Ihres Ehepartners gerecht erscheint.

Wie beantrage ich die Aufhebung meiner Ehe?

Möchten Sie Ihre Ehe aufheben lassen, müssen Sie die Aufhebung beim Familiengericht beantragen. Sie müssen den Aufhebungsgrund beweisen. Teils sind dazu umfangreiche Beweiserhebungen erforderlich. Vor allem müssen Sie den Aufhebungsantrag innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Fristen bei Gericht stellen.

Welche Kosten entstehen bei der Aufhebung einer Ehe?

Wird Ihre Ehe aufgehoben, fallen Ihnen und Ihrem Ex-Ehegatten die Kosten des Verfahrens für Gerichtsgebühren und Anwälte jeweils zur Hälfte zur Last. Kannten Sie den Aufhebungsgrund nicht oder wurden Sie durch arglistige Täuschung oder Drohung zur Eheschließung veranlasst, kann das Gericht die Kosten auch anders verteilen.

Ist die Aufhebung der Ehe eine Alternative zur Scheidung?

Ob die Aufhebung der Ehe eine echte Alternative zur Scheidung darstellt, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass Sie bei der Aufhebung der Ehe den Aufhebungsgrund zur Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen müssen. Gelingt es Ihnen beispielsweise nicht, eine vermeintliche arglistige Täuschung durch Ihren Ehepartner nachzuweisen, riskieren Sie, dass der Antrag vom Gericht zurückgewiesen wird und Ihnen unnötig hohe Kosten entstehen. Bei der Scheidung hingegen kommt es auf derartige Gründe nicht an. Sie werden geschieden, wenn Ihre Ehe zerrüttet und gescheitert ist und Sie kein Interesse daran haben, Ihre eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen. Im Scheidungsverfahren ersparen Sie sich weitgehend den Austausch von Argumenten, über die Sie sich im Aufhebungsverfahren auseinandersetzen müssen.

Fazit

Wenn Sie die im Gesetz bestimmten Aufhebungsgründe in Betracht ziehen, werden Sie feststellen, dass die Aufhebung einer Ehe nur in begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommt. Die Aufhebung ist also nur sehr bedingt eine echte Alternative zur Scheidung. Im Regelfall werden Sie auf das herkömmliche Scheidungsverfahren verwiesen, haben dann aber auch den Vorteil, dass Sie sich nicht der Auseinandersetzung über irgendwelche Aufhebungsgründe zu stellen brauchen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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