Auslieferung Puigdemonts – Puigdemont darf nicht aufgrund des EU-Haftbefehls ausgeliefert werden

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Nach der Festnahme des katalanischen Regionalpräsidenten Puigdemont fragen sich Juristen in Deutschland, ob das Auslieferungsverfahren durchzuführen ist.

Dagegen sprechen sich zuletzt Wolfgang Schomburg (Verteidiger von Puigdemont) und Prof. Otto Lagodny aus Salzburg, Prof. Christoph Safferling aus Nürnberg-Erlangen aus.

Die Auslieferung aufgrund des Europäischen Haftbefehls ist in Deutschland speziell im Achten Teil (Abschnitt 2) des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen geregelt, kurz: IRG.

Aufgrund eines Europäischen Haftbefehls, den das Oberste Gericht in Madrid anordnete, hatte das Amtsgericht Neumünster (in Schleswig-Holstein) – 65km nördlich von Hamburg – als nächstgelegenes Gericht nach der Feststellung der Identität des Verfolgten eine Festhalteanordnung erlassen.

Die Ermittlungsrichterin beim Amtsgericht belehrte den Verfolgten Puigdemont gemäß §41 Abs 4 IRG, dass er bei Zustimmung zu seiner Auslieferung eine vereinfachte Auslieferung ohne eine gerichtliche Überprüfung zu erwarten habe.

Puigdemont lehnte ein vereinfachtes Verfahren ab, weil ihm in Spanien kein faires Verfahren erwarte und er aus politischen Gründen wegen seiner Unabhängigkeitsbestrebungen aus Spanien verfolgt werde.

Darauf blieb der Richterin in Neumünster nichts anderes übrig (gegen ihre Überzeugung, Quelle: Der Spiegel), eine Festhalteanordnung zu treffen, bis die Generalstaatsanwaltschaft und das Oberlandesgericht in Schleswig sich mit der Sache befassen können.

Es begann eine zweistufige Prüfung, wobei die Generalstaatsanwaltschaft sämtliche Voraussetzungen der Auslieferung prüft, insbesondere, ob Hindernisgründe vorliegen, und mit einem Antrag auf gerichtliche Zulässigkeitsentscheidung versehen an das Oberlandesgericht verschickt.

Das Oberlandesgericht prüft wiederum innerhalb von 60 Tagen in der zweiten Stufe, ob die Auslieferung zulässig ist.

Liegen Hindernisgründe nicht vor, muss das OLG die Auslieferung für zulässig erklären.

Dem Verfolgten wird Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen.

Rebellion (Art 472) gehört nicht zu den 32 Verbrechen, die in der Liste des europäischen Haftbefehls stehen. Deshalb hat sich auch Belgien im Nov 2017 geweigert, wegen der fehlenden Strafbarkeit der Rebellion im belgischen Strafgesetzbuch P. auszuliefern. Im Dezember 2017 wurde der Europäische Haftbefehl aus Spanien zurückgenommen. Selbst in Finnland und bei der Überfahrt in Dänemark stellte die spanische Justiz keinen Europäischen Haftbefehl. 

Kurzfristig änderte der spanische Gesetzgeber das Begnadigungsgesetz, aus dem der Straftatbestand der Rebellion herausgenommen wurde, um nach einer Verurteilung Puigdemont ihm diese Möglichkeit zu nehmen.

Es liegt bei der Verfolgung von Puigdemont auf der Hand, dass der Vorwurf der Rebellion und der Haushaltsuntreue politisch motiviert ist.

Das IRG verbietet in § 6 IRG bei politischen Straftaten und politische Verfolgung die Auslieferung: „Die Auslieferung ist nicht zulässig wegen einer politischen Tat oder wegen einer mit einer solchen zusammenhängenden Tat.“

Innerhalb der EU ist § 6 IRG wegen § 82 IRG nicht anwendbar, das heißt aber nicht, dass der Rechtsgedanke des § 6 IRG nicht zur Anwendung kommt.

Hier liegt der Knackpunkt der Causa Puigdemont nicht im Problem des Vorwurfs der Rebellion, die in Deutschland nicht strafbar ist.

Ich vermute, das spanische Recht legt den Tatbestandsmerkmal der „gewaltsamen und öffentlichen Aufforderung zum Zweck der Unabhängigkeit vom nationalen Territoriums“ (§472 I Nr. 5) sehr weit aus, was typisch ist bei sog Staatsschutzdelikten. Schon Vorbereitungshandlungen oder die Verabredung dazu bzw. öffentliche Aufforderung reichen aus.

Meines Erachtens kommt es nicht auf die Strafbarkeit nach deutschem Verständnis an, ob die Rebellion dem Hochverrat am nächsten kommt.

Der Schwerpunkt der Prüfung liegt darin, ob es sich um eine politische Straftat handelt.

Soweit die Rebellion maßgeblich die politische Ordnung schützt und kein Individualrechtsgut ist, insbesondere die Integrität des spanischen Staatsverbands sowie dessen innere und äußere Sicherheit schützt, ist es eine politische Straftat.

Die Finanzierung dieser Bestrebung steht im Zusammenhang mit dieser Tat, deshalb ist die angebliche Haushaltsuntreue ebenso eine politische Straftat, die nicht auslieferungsfähig ist.

Die Bundesregierung hätte es wie die anderen europäischen Staaten machen müssen und keine Bereitschaft zur Festnahme signalisieren dürfen.

Das Ganze ist ein wenig wie in der frühen Neuzeit: Wenn man der spanischen Inquisition entfliehen wollte, brauchte man mächtige Fürsten oder eigenwillige Fürsprecher.

Rechtstipp:

Wichtig ist allgemein, zu Beginn des Auslieferungsverfahrens das vereinfachte Verfahren abzulehnen.

Liegen politische Hindernisgründe (dem Rechtsgedanken des § 6 IRG nach) vor, sollten diese so früh wie möglich dem Gericht mitgeteilt werden.

Auch die Haftsituation vor Ort könnte ein Hindernisgrund sein.

Shahryar Ebrahim-Nesbat, Rechtsanwalt und Strafverteidiger aus Hamburg


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