Aussageverweigerungsrecht und Zeugnisverweigerungsrecht

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Im Strafprozess gibt es zwei Arten von Verweigerungsrechten: das Aussageverweigerungsrecht und das Zeugnisverweigerungsrecht. 

Das Aussageverweigerungsrecht kommt dem Beschuldigten zu, während das Zeugnisverweigerungsrecht potenzielle Zeugen dazu berechtigt, die Aussage in bestimmten Situationen verweigern zu dürfen. Von diesen Rechten kann sowohl bei Straftaten als auch bei Ordnungswidrigkeiten Gebrauch gemacht werden. Ob also eine einfache Geschwindigkeitsübertretung oder eine schwere Körperverletzung Gegenstand der Befragung ist, ist unerheblich.



Das Aussageverweigerungsrecht

Leitbild für die Justiz eines Rechtsstaates ist, dass niemand dazu gezwungen werden kann, sich selbst belasten. Das bedeutet, dass ein Beschuldigter das Recht hat, zur Sache zu schweigen. Dies ergibt sich aus § 136 Abs. 1 S. 2 StPO. Nach dieser Norm muss der Beschuldigte zu Beginn einer Vernehmung über das Schweigerecht belehrt werden.

In der strafrechtlichen Verteidigungspraxis kommt dem Aussageverweigerungsrecht eine überragende Rolle zu:  Beschuldigte sollten grundsätzlich vorsichtig sein und auch in unerwarteten Situationen - also auch außerhalb des Gerichts - keine unüberlegten Äußerungen machen. Insbesondere Polizeibeamte führen oft unverfängliche Gesprächen, die als "Small Talk" getarnt sind, um Informationen über den Tatvorwurf oder den Sachverhalt zu erhalten. In solchen Situationen ist ratsam, nicht darauf einzugehen und erst nach Rücksprache mit dem Verteidiger, der eine auf den konkreten Fall ausgerichtete Verteidigungsstrategie entwerfen wird, Informationen an die Strafverfolgungsbehörden zu geben.

Vom Aussageverweigerungsrecht macht der Beschuldigte Gebrauch, wenn schweigt. Das bedeutet: er beantwortet keine Frage. 

Schweigen kann Beschuldigten im Strafverfahren nicht angelastet werden. Ein sog. "Teilschweigen", also das Schweigen zu einzelnen Tatkomplexen, während andere Fragen beantwortet werden, hingegen schon. Lässt der Beschuldigte sich ein - egal wozu - ist sein Schweigen zu anderen Vorwürfen verwerfbar. Der Beschuldigte schweigt schon dann nicht mehr, wenn er pauschal behauptet, unschuldig zu sein, ohne detaillierte Angaben zu machen. 



Ab wann steht mir ein Aussageverweigerungsrecht zu?

Eine Person kann die Aussage verweigern, wenn sie Beschuldigte in einem Ermittlungs- bzw. Strafverfahren ist. Die entscheidenden Rechtsgrundlagen des Aussageverweigerungsrecht entspringen alle der StPO - § 136 StPO regelt das Aussageverweigerungsrecht im Rahmen der ersten polizeilichen Vernehmung, § 163a StPO bezieht sich auf das weitere Ermittlungsverfahren bis zum Abschluss und § 243 StPO auf das Aussageverweigerungsrecht im Rahmen des Strafprozesses vor Gericht.

Sobald formell ein Ermittlungsverfahren  gegen eine Person eröffnet wird, wird aus dem vormals Tatverdächtigen ein Beschuldigter. Auch wenn gezielte strafprozessuale Maßnahmen, wie die Anordnung einer körperlichen Untersuchung oder einer erkennungsdienstlichen Behandlung durchgeführt werden, wird aus einem Tatverdächtigen ein Beschuldigter.

In allen anderen Fällen muss die Strafverfolgungsbehörde durch pflichtgemäßes Ermessen entscheiden, ob es sich noch um einen Tatverdächtigen oder schon um einen Beschuldigten handelt. Sollte sich während einer Zeugenbefragung der Tatverdacht erhärten, muss die Befragung unterbrochen werden und der nunmehr als Beschuldigter eingestufte Zeuge über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt werden.

Die Frage, wann die Belehrung erfolgen muss ist keine exakte Wissenschaft - diese hängt auch sehr vom persönlichen Eindruck des Vernehmungsbeamten ab. Erfahrungsgemäß kommt es bisweilen vor, dass Polizeibeamte versuchen werden, den Zeitpunkt bis zur Belehrung des vormaligen Zeugen als Beschuldigter so weit wie möglich nach hinten zu verschieben. Selbst wenn sich im Nachgang herausstellen sollte, dass eine Aussage des Beschuldigten, die vor der Belehrung erfolgte, unwirksam sein sollte, so kann es im Rahmen einer solchen Vernehmung zu für die Polizei wertvollen Ermittlungsansätzen führen, die dabei helfen, die Straftat auch ohne die Kooperation des Beschuldigten aufzuklären.



Was passiert, wenn ich trotz Aussageverweigerungsrecht eine Aussage getätigt habe?

Grundsätzlich sind Aussagen von Beschuldigten verwertbar. Es gibt jedoch einige Ausnahmen:

Entscheidet sich der Beschuldigte dazu, eine Aussage zu machen, müssen die Ermittlungsbehörden einige Regeln beachten. Die Belehrung über das Recht, die Aussage zu verweigern, ist unbedingt erforderlich. Unterbleibt diese, so kann die Aussage vor Gericht unverwertbar sein.

Darüber hinaus gibt es auch Vernehmungsmethoden, die vom Gesetzgeber im Rahmen von § 136a Abs. 1 StPO ausdrücklich verboten wurden. Dazu gehören:

  • Misshandlung
  • Ermüdung
  • Körperliche Eingriffe durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose

Ebensowenig darf im Rahmen der Vernehmung die Verwendung dieser Methoden angedroht werden. Aussagen, die unter solchen Umständen gemacht wurden, unterliegen einem Beweisverwertungsverbot.

Sofern eine Aussage Ihrerseits unter solchen Umständen erfolgte, sollten Sie dringend einen Verteidiger zu Rate ziehen.



Unzutreffende Vorwürfe / unschuldig - warum nicht trotzdem aussagen?

Ist ein Ermittlungsverfahren erstmal eröffnet worden, schwebt über dem Beschuldigten die Gefahr der Strafverfolgung - unabhängig davon, ob der Beschuldigte tatsächlich schuldig ist, oder nicht. Die Bewertung der Strafbarkeit hängt dabei von den zur Verfügung stehenden Beweismitteln und Indizien ab, wie sie sich nach Aktenlage darstellen. Eine Bewertung der Situation kann dabei kaum treffend vom Beschuldigten vorgenommen werden.

Grundstein jeder Verteidigungsstrategie ist es, sich ein klares Bild darüber zu verschaffen, von welchem Sachverhalt die Polizei / die Staatsanwaltschaft (also die Strafverfolgungsbehörden) ausgehen, um dann entweder

  • bereits im Ermittlungsverfahren eine passgenaue Einlassung vorzubereiten, die das Verfahren in kurzer Zeit einem Ende zuführt; oder
  • das Verfahren im Rahmen der Hauptverhandlung durch eine strategische Einlassung zu Gunsten des Mandanten zu beenden; oder
  • im Hauptverfahren zu schweigen, da die Beweisprognose auf Aktenlage ungünstig für eine Verurteilung ist oder so zumindest das Strafmaß erheblich reduziert werden kann, da nicht der volle Tatnachweis erbracht werden kann.

Wichtigstes Werkzeug dafür ist die Akteneinsicht, die im Strafverfahren lediglich Rechtsanwälten zur Verfügung steht. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist nach § 49 OWiG auch eine Akteneinsicht durch den Betroffenen möglich - diese muss jedoch in den Räumlichkeiten der Geschäftsstelle stattfinden. Die Akte wird nicht an den Betroffenen versandt.

Lässt der Beschuldigte sich vorschnell zur Sache ein und macht eine Aussage, kann das die spätere Arbeit des Verteidigers erheblich erschweren. Ihr Anwalt und Strafverteidiger ist Architekt Ihrer Verteidigungsstrategie - jede Aussage des Beschuldigten schränkt den Verteidiger in seinem Handlungsspielraum ein - schließlich muss er die bereits gemachte Aussage des Beschuldigten berücksichtigen und kann die "Geschichte von der Tat" nicht so frei formen, wie er es sonst gekonnt hätte.


Fazit: Beschuldigte in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren sollten unbedingt von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen, bis Sie einen Verteidiger konsultiert haben.




Gerne stehe ich Ihnen als erfahrener Verteidiger in allen strafrechtlichen Belangen zur Seite. 

Kontaktieren Sie mich - gerne über das Kontaktformular bei anwalt.de oder über meine Internetpräsenz.



Das Zeugnisverweigerungsrecht

Wird man im Prozess als Zeuge und nicht als Beschuldigter gehört, hat man grundsätzlich eine Zeugnispflicht gemäß § 48 Abs. 1 StPO. Der Zeuge muss also die Wahrheit sagen und er muss seine Wahrnehmung offenlegen. 

Allerdings muss der Zeuge nicht erscheinen, wenn er von der Polizei geladen wurde. Er muss nur dann erscheinen, wenn er von einem Richter oder der Staatsanwaltschaft geladen wurde oder die Polizei als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft die Vernehmung durchführen soll ( im Ladungsschreiben wird dann darauf hingewiesen, dass die Ladung durch die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft erfolgt). Als Zeuge muss man also nicht (immer) bei der Polizei erscheinen.

Der Gesetzgeber berücksichtigt, dass bestimmte Zeugen möglicherweise in Gewissenskonflikten stehen und gewährt ihnen in bestimmten Situationen ein Zeugnisverweigerungsrecht. Vor allem innerhalb von Familien möchte der Gesetzgeber niemanden zu einer Aussage zwingen.



Wann habe ich ein Zeugnisverweigerungsrecht?

Unter bestimmten Umständen haben Zeugen das Recht, eine Aussage zu verweigern. 

§ 52 StPO berücksichtigt dabei die enge Beziehung zwischen Zeugen und Beschuldigten. Deshalb dürfen 

  • Verlobte; 
  • Ehegatten; und 
  • nahe Verwandte, wie Eltern, Großeltern, Kinder, Geschwister, Onkel, Tante, Schwager und Schwägerin

die Aussage als Zeuge verweigern

Wichtige Einzelfälle und Einzelfragen:

  • Das Zeugnisverweigerungsrecht steht Eheleuten auch nach der Scheidung noch zu. 
  • Stiefkinder haben gegenüber ihrem Stiefvater oder ihrer Stiefmutter ein Zeugnisverweigerungsrecht.
  • Stiefgeschwister untereinander haben kein Zeugnisverweigerungsrecht, da sie weder verwandt noch verschwägert sind.

Darüber hinaus kommt einigen Berufsgruppen, wie Geistliche, Ärzte, Anwälte und Strafverteidiger,  auch ein Zeugnisverweigerungsrecht von Gesetzes wegen gemäß § 53 StPO zu. Dies ist vor allem für Strafverteidiger wichtig, damit der Beschuldigte offen mit seinem Anwalt sprechen kann, ohne Angst haben zu müssen, dass sein Verteidiger später gegen ihn aussagt. Die Vertraulichkeit zwischen Anwalt und Mandant wird zudem durch die Strafandrohung aus § 203 StGB gegenüber dem Rechtsanwalt, der gegen das Mandatsgeheimnis verstößt, gestärkt.



Was ist, wenn ich nur als Zeuge vernommen werde, womöglich aber Täter bin?

Der Zeuge hat zudem gem. § 55 StPO auch ein Zeugnisverweigerungsrecht gegenüber Fragen, die ihn selbst in die Gefahr der Strafverfolgung bringen würden. Niemand muss sich selbst belasten.

Das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 55 StPO berechtigt jedoch nur zum Schweigen, nicht jedoch zur Lüge. Lügt ein Zeuge vor Gericht, so macht er sich u.U. wegen der Verwirklichung der sog. Aussagedelikte (falsche uneidliche Aussage nach § 153 StGB, sofern vereidigt wurde sogar Meineid nach § 154 StGB) strafbar.



Welche Anforderungen sind an Verlobte bzgl. Zeugnisverweigerungsrecht zu stellen? Kann ich mich einfach verloben oder eine Verlobung vortäuschen?

Nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO dürfen auch Verlobte sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen. An die Verlobung selbst sind dabei keine formellen Voraussetzungen zu stellen - es genügt, wenn sie sich verlobt "fühlen" und Einigkeit darüber besteht, dass sie heiraten möchten. Ein Verlobungsring ist nicht erforderlich. Es ist ausreichend, wenn beide Parteien die Verlobung bestätigen.

Damit ist das Verlöbnis kurz vor der Aussage ein entscheidender Vorteil - schließlich können sich einfache Lebenspartner oder Lebensabschnittsgefährten nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen.



Was passiert, wenn ich zu Unrecht als Zeuge die Aussage verweigere?

Kommt der Zeuge seiner Pflicht zur Zeugniserteilung nicht nach, obwohl ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, so kann er nach § 70 StPO durch das Gericht mit einem Ordnungsgeld belegt werden. Zahlt der Zeuge das Ordnungsgeld nicht, so kommt die Verhängung von Ordnungshaft in Betracht.

Auch wenn der Zeuge unentschuldigt trotz ordnungsgemäßer Ladung einer Gerichtsverhandlung fernbleibt, kann ihm nach § 51 StPO ebenfalls ein Ordnungsgeld auferlegt werden.

Zudem hat der Zeuge in beiden Fällen die (Mehr-)Kosten zu tragen, die durch sein Verhalten entstanden sind.

Um eine Zeugenaussage zu erzwingen, kann das Gericht nach § 70 Abs 2 StPO auch die sog. Beugehaft anordnen.



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Rechtlicher Hinweis:   

Die vorliegende Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll lediglich einen ersten Überblick über die Gesetzeslage schaffen. Sie kann eine auf den Einzelfall bezogene Beratung nicht ersetzen.



Philip Bafteh
Rechtsanwalt

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