Außerordentliche Kündigungsmöglichkeit befristeter Mietverträge bei mündlichen Mietvertragspassungen?

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Anmerkung zu dem Beschluss BGH v. 15.9.2021 – XII ZR 60/20 

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht Dr. Ulrich Rösch

 

Sachverhalt

Die Parteien eines Mietvertrags hatten mündlich bzw. per E-Mail die umbaulärmbedingte Minderung der Miete für jeweils unter einem Jahr liegende Zeiträume vereinbart. Fraglich war, ob diese Abrede dem Schriftformerfordernis des §550 BGB unterliegt.

 

Hintergrund der Entscheidung

Befristete Mietverträge, die länger als ein Jahr laufen sollen, bedürfen der Schriftform gem. § 550 BGB. Ein langfristiger, nicht der Schriftform genügender Mietvertrag ist also nicht nach § 125 BGB nichtig, sondern gilt gem. § 550 BGB als für unbestimmte Zeit abgeschlossen. Unwirksam ist demnach nur die Vereinbarung der Mietdauer, im Übrigen ist der Vertrag gültig. Die vorstehende Entscheidung ist auch deshalb besonders praxisrelevant, weil sich während der Coronakrise viele Mietparteien mündlich auf vorübergehende Mietreduktionen geeinigt haben. Hier stellt sich die Frage, ob nun eine Seite deshalb den Mietvertrag wegen fehlender Schriftform außerordentlich kündigen kann.

Entscheidungsgründe

Der BGH führt in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung aus, dass die Vorschrift des § 550 BGB den Erwerber eines Grundstücks davor schützen soll, bei Eintritt in einen Mietvertrag, dessen Bedingungen er mangels Schriftlichkeit nicht zuverlässig erkennen kann, an die vertraglichen Regelungen länger als ein Jahr gebunden zu sein. Daneben dient § 550 BGB dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen.

Hieraus folgt, dass eine Änderung auch von vertragswesentlichen Vereinbarungen wie z.B. der Miethöhe nur dann gemäß § 550 Satz 1 BGB schriftformbedürftig ist, wenn sie für einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum Geltung beansprucht.

Die getroffenen Vereinbarungen zur Minderungshöhe hatten aber jeweils eine Laufzeit von deutlich unter einem Jahr. Da die Laufzeit für die Frage der Schriftformbedürftigkeit bezogen auf die einzelne Abrede betrachtet werden muss, weil sie die Vertragsparteien und einen eventuellen Erwerber auch nur insoweit binden konnte, ist rechtlich unerheblich, dass beide Vereinbarungen zusammen gerechnet ein Jahr überschritten. Ein Schriftformverstoß lässt sich daher aus diesen Abreden nicht ableiten.

 

Praktische Auswirkungen

Die Einhaltung des Schriftformerfordernisses ist insbesondere für Gewerbemiet- und Pachtverträge von großer Bedeutung, da diese mit langen Laufzeiten abgeschlossen werden und die Parteien daher großes Interesse daran haben zu wissen, ob der Mietvertrag dauerhaft bestandskräftig ist oder Exitmöglichkeiten bestehen.

Aktuell ist die Entscheidung in Konstellationen relevant, in denen sich Vermieter und Mieter bedingt aufgrund der Coronapandemie formlos auf eine kurzfristige Herabsetzung der Miete verständigt haben, um so flexibel auf die sich permanent ändernden Umstände zu reagieren. Gerade viele gewerbliche Mieter benötigen mittlerweile viel weniger Büroräume, nachdem viele Mietarbeiter vermehrt dauerhaft von zu Hause aus arbeiten. Daher versuchen aktuell viele Mieter überschüssige Bürofläche unter Berufung auf vermeintliche Schriftformverstöße kurzfristig „abzustoßen“.

Auch für diese Fälle gilt:

Eine kurzzeitige, d.h. weniger als ein Jahr geltende Vereinbarung zur Herabsetzung der Miete kann formlos getroffen werden, ohne den Bestand des Mietvertrages zu gefährden, eine Kumulation der Geltungszeiträume findet nicht statt.

Aufgrund der besonderen Bedeutung langfristiger Mietverträge raten wir dennoch dringend dazu, getroffene Vereinbarungen in einem schriftlichen Nachtrag abzufassen.

Vgl. zur Problematik auch: Dr. Ulrich Rösch, Vertragsmanagement: Wie kann ich langfristig geschlossene Mietverträge vorzeitig künden? unter https://www.anwalt.de/rechtstipps/vertragsmanagement-wie-kann-ich-langfristig-geschlossene-mietvertraege-vorzeitig-kuenden-192876.html

Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung und Erstellung Ihrer Gewerbemiet- und Pachtverträge.

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Foto(s): https://unsplash.com/photos/cIOwoljvd_Q


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