BAG Urteil: Neues zum Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen/ Krankheit/ Erwerbsminderungsrente

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Neues zum Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen/ Krankheit /Erwerbsminderungsrente


BAG Urt. V. 20.12.2022, Az. 9 AZR 245/19 // Pressemitteilungen // Sitzungsergebnis

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Im vorliegenden Fall ging es am Ende noch um die Ansprüche des schwerbehinderten Klägers auf 34 Arbeitstagen Urlaub aus dem Jahr 2014. Der Kläger bezieht seit dem 01.12.2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung und war der Auffassung, dass diese Ansprüche nicht verfallen sein, weil die Beklagte ihren Pflichten an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub mitzuwirken, nicht nachgekommen sei. Die Beklagte wiederum vertritt die Auffassung, dass der im Jahr 2014 nicht genommene Urlaub des Klägers mit Ablauf des 31.03.2016 erloschen sei, weil er aufgrund der Beziehung von voller Erwerbsminderungsrente aus gesundheitlichen Gründen lang andauernd außerstande war seinen Urlaub anzutreten. Der Urlaub würde unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten nach 15 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen.


Grundsätzliches:

Aufgrund von richtlinienkonformer Auslegung des § 7 I 1 BUrlG hat der Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Dass tatsächlich ein Verfall am 31. März des Folgejahres i.S.d § 7 III BUrlG eintritt setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen.

Er muss den Arbeitnehmer - erforderlichenfalls förmlich – auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitpunktes verfällt, wenn ihn nicht beantragt (BAG 19.02.2019, 9 AZR 423/16 Rn. 39ff.).

Tut der Arbeitgeber das nicht, tritt der am 31. Dezember Des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Sodann fangen sozusagen die Voraussetzungen für den Verfall „neu“ an, d.h. der Arbeitgeber der auch weiterhin seinen Hinweispflichten und Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachkommt, kann sich auf den Verfall nicht berufen. Er kann sich aber dadurch schützen, dass er die Anforderungen nachholt und wenn der Arbeitnehmer dem dann nicht nachkommt, obwohl es ihm möglich gewesen wäre den angehäuften Urlaub zu nehmen, kann dieser verfallen.


Was ist mit arbeitsunfähigen Mitarbeitern?

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in einer vergangenen Entscheidung klargestellt, dass in den Fällen in denen der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist und es ihm deshalb nicht möglich ist, den Urlaub zu nehmen, der gesetzliche Urlaub nach § 7 III BUrlG nicht verfällt. Er erlischt allerdings bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres, (BAG 07.08.2012, 9 AZR 353/10, Rn. 23, 32ff.; EuGH Schultz-Hoff Entscheidung C—520/06 Rn. 43, 49, 20.01.2009 – C 350/ 06). Dies gilt auch für Fälle in denen der Arbeitnehmer eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht, BAG 16.07.2013 – 9 AZR 914/11 Rn. 25f., da nicht das Unterlassen des Arbeitgebers bezüglich Mitwirkungsobliegenheiten und Hinweispflichten kausal für den Urlaubsverfall ist, sondern allein die volle Erwerbsminderung bzw. Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Im Umkehrschluss ist es dann auch nicht relevant, ob der Arbeitgeber den Mitwirkungsvoraussetzungen nachgekommen ist, da diese auch nicht dazu geführt hätten, dass der Arbeitnehmer den Urlaub auch tatsächlich hätte nehmen können.


Was war nun am Fall dieser aktuellen Entscheidung anders?

Für die Entscheidung des Rechtsstreits, soweit er den Urlaub aus dem Jahr 2014 betrifft, erforderte es einer Klärung durch den Gerichtshof, ob das Unionsrecht den Verfall des Urlaubsanspruchs bei ununterbrocher fortbestehender voller Erwerbsminderung 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres oder gegebenenfalls einer längeren Frist auch dann gestattet, wenn der Arbeitgeber seine Aufforderung und Hinweisobliegenheiten nicht erfüllt hat und der Arbeitnehmer den Urlaub im Urlaubsjahr bis zum Eintritt der vollen Erwerbsminderung zumindest noch teilweise hätte nehmen können.

Dieser Urlaubsanspruch verfällt auch nach 15 Monaten nicht. (Er würde nur verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt hat seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen.)



Die Rechtsprechung hat der Senat in Umsetzung der Vorgaben des EuGH nach Vorabentscheidung vom 22.11.2022, C-518/20, also nun weiterentwickelt:

  • Urlaub verfällt weiterhin nach Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war den Urlaub anzutreten. Dies hängt nicht von den Mitwirkungs- und Informationspflichten des Arbeitgebers ab, da diese auch nicht dazu führen würden, dass der Arbeitnehmer den Urlaub hätte antreten können.
  • Für Urlaubsansprüche, bei denen die gesundheitliche Hinderung den Urlaub anzutreten erst während des Urlaubsjahrs eintritt, gilt das bisherige Erfordernis an Mitwirkungsobliegen. Diese Ansprüche verfallen auch nicht nach 15 Monaten solange der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.


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