Behandlungsfehler – Ärzte machen zu viele Fehler

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Die Bundesärztekammer spricht von 2245 Behandlungsfehlern im Jahr 2016. Doch es könnten wesentlich mehr gewesen sein. Denn Ärzte sind nicht verpflichtet, Fehler zu melden – und die Beweislast liegt immer noch beim Patienten. Daran muss sich endlich etwas ändern.

Die Bundesärztekammer (BÄK) veröffentlichte vor kurzem ihre Statistik zu Behandlungsfehlern 2016. Laut dieser lagen im Jahr 2016 2245 Behandlungsfehler vor, bei denen es in 1800 Fällen zu einem tatsächlichen gesundheitlichen Schaden für die Betroffenen gekommen sei. In 96 Fällen folgte, laut BÄK, der Tod.

Diese Statistik wurde mit dem Vermerk versehen, dass die Anzahl der Behandlungsfehler in den vergangenen Jahren recht gleichbleibend gewesen sei. Allerdings werden nur Fehler in diese Statistik aufgenommen, bei denen auch eine Beschwerde des betroffenen Patienten vorlag. Fehler, die dem medizinischen Personal auffallen, werden nicht dokumentiert. Außerdem besteht seitens der Ärzte und Pflegekräfte keine Meldepflicht, wenn ein Behandlungsfehler auffällt.

Dass in jedem Beruf Fehler gemacht werden, ist nachvollziehbar und sicherlich auch nicht vermeidbar, denn Ärzte sind, trotz des gern hochgehaltenen Mythos der Allgemeinheit, keine Götter in Weiß. Menschen machen Fehler. Unser Arbeitsalltag zeigt leider: Auch heute noch verhalten sich viele Ärzte, die dem Vorwurf einer fehlerhaften Behandlung ausgesetzt werden, beratungsresistent.

Es ist wichtig, Behandlungsfehler zu melden!

Herr H. zeigte eindeutige Anzeichen für einen Schlaganfall. Als unser Mandant, der 66 Jahre alte Herr H., an einem Abend des vergangenen Jahres an seinem Schreibtisch saß, fiel ihm plötzlich auf, dass er die Buchstaben und Zahlen auf seiner Tastatur nicht mehr erkennen konnte. Beim Aufstehen bemerkte er dann, dass er sich kaum auf seinen Beinen halten konnte und am Türrahmen festhalten musste. Als Herr H. nun um Hilfe rufen wollte, konnte er zu seinem Schrecken keine Worte mehr bilden, sondern nur noch Töne ausstoßen, während ihm die Mundwinkel unbeabsichtigt herabhingen.

Der Sohn, der selbst berufsbedingt in erster Hilfe ausgebildet ist, erkannte bei seinem Vater sofort die Symptome eines Schlaganfalls und fuhr ihn so schnell er konnte in die Notaufnahme. Dort angekommen, berichtete er den Ärzten von allen Symptomen und äußerte den dringenden Verdacht eines Schlaganfalls. Unverständlicherweise ignorierten aber die Ärzte in der Notaufnahme sämtliche Anzeichen des Schlaganfalls und ließen Vater und Sohn zwei Stunden im Wartebereich sitzen. Nach dieser langen Wartezeit wurde Herr H. stationär aufgenommen. Doch erst am folgenden Abend leitete ein Arzt dann die Behandlung eines Schlaganfalls ein – viel zu spät. 

Es überrascht sehr, dass Ärzte bei einem 66 Jahre alten Mann mit typischen Symptomen für einen Schlaganfall keine Untersuchung zum Ausschluss eines solchen durchgeführt haben. Der Sohn hatte die Ärzte sogar explizit darauf hingewiesen: Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Sprechstörungen, Lähmungserscheinungen.

In Patientenratgebern und von Ärzteseite wird immer wieder betont, wie wichtig schnelles Handeln bei einem Verdacht auf einen Schlaganfall ist. Je schneller behandelt wird, desto besser sind die Überlebens- und Rehabilitationschancen. Doch Herrn H. ließen die Ärzte zwei Stunden im Wartezimmer der Notaufnahme sitzen und nach der stationären Aufnahme noch einen Tag lang warten, bis er endlich behandelt wurde – zu spät. Mit den Folgen werden er und seine Familie nun leben müssen.

Bei frühzeitiger Behandlung wären seine Chancen auf Heilung sehr gut gewesen, da er frühzeitig nach dem Auftreten der ersten Symptome bereits im Krankenhaus war. Für uns ist klar: Bei zeitnaher und sachgerechter Behandlung wären die Folgen nicht, zumindest nicht in diesem erheblichen Umfang, eingetreten.

Hätte Herr H. uns nicht beauftragt, damit wir ihn und seine Familie, nach dieser Erfahrung, bei der Durchsetzung von Schmerzensgeld und Schadensersatz unterstützen, hätte dieser Fall gar keine Chance gehabt, in die Statistik für 2017 aufgenommen zu werden. Das Geschehene wäre einfach seitens der zuständigen Stellen ignoriert worden.

Daher geht es uns neben der finanziellen Absicherung des Herrn H. und seiner Familie auch darum, endlich ein Behandlungsfehlerverständnis bei den Ärzten hervorzurufen. Dies ist wichtig, damit von dort aus auch auf Missstände hingewiesen wird und zukünftig derartige Fehler aufgeführt sowie untersucht werden und nicht wieder passieren können. 

Momentan wird seitens der Ärzte wohl leider vergessen, dass der Patient derjenige ist, der mit dem Schaden leben muss. Herr H. kann nun nicht mehr im Haushalt helfen, er benötigt einen Rollator und Hilfe bei den einfachsten alltäglichen Handgriffen, er kann kein Auto mehr fahren und die Familie musste ihren Lebensmittelpunkt aufgeben und in eine behindertengerechte Wohnung ziehen.

Hinzu kommen Kosten für Medikamente, Rehamaßnahmen und Therapien sowie Hilfsmittel... Die Liste ist lang. Ein erfolgreiches Verfahren gegen den Arzt bedeutet für den Geschädigten eine finanzielle Absicherung aber auch die Hoffnung darauf, dass zukünftig derartige Fehler nicht mehr passieren.

Wie auch viele andere, fordere ich, dass der Umgang mit Behandlungsfehlern dringend eine Überarbeitung seitens des Gesetzgebers erhält! Es gibt noch immer keine einheitliche Meldestelle für Behandlungsfehler, die Beweislast liegt noch immer beim Opfer, medizinisches Personal ist nicht verpflichtet, Fehler zu melden. Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert! Daher ist es so wichtig, Behandlungsfehler zu melden. Erst dann wird der Gesetzgeber reagieren. 

Wenn Sie einen Behandlungsfehler vermuten, wenden Sie sich an einen Fachanwalt für Medizinrecht und lassen sich bzgl. der Erfolgsaussichten beraten.

Foto(s): Rechtsanwaltskanzlei Sabrina Diehl

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