Bei Alkoholsucht grundsätzlich nur ordentliche Kündigung möglich

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BAG, Urteil vom 20.12.2012 – 2 AZR 32/11

Alkoholsucht ist eine Krankheit. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) führt seine dahingehende Rechtsprechung fort, eine Kündigung wegen eines Fehlverhaltens, das auf einer chronischen Alkoholabhängigkeit beruht, nach den Maßstäben einer krankheitsbedingten Kündigung zu messen. Es beachtet im Rahmen der Interessenabwägung aber auch sehr deutlich die Gefahr für die Interessen des Arbeitgebers.

Der Fall

Der klagende 60-jährige Arbeitnehmer war seit 1997 bei einer Fachklinik für Suchterkrankungen als Therapeut für alkoholabhängige Patienten beschäftigt. Seiner Arbeitgeberin war schon bei seiner Einstellung bekannt, dass er „trockener“ Alkoholiker ist. 

Nachdem er in den Jahren 2006 und 2007 rückfällig geworden ist, die Arbeitgeberin ihn infolge nachgewiesenen Alkoholgenusses zweimal abmahnte und er sich im Anschluss in eine stationäre Entwöhnungsbehandlung begab, fiel der Arbeitnehmer in den Jahren 2007 und 2009 wieder auf. Hieraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum Ende des Jahres.

Die Entscheidung:

Das BAG entschied, die fristlose Kündigung sei unwirksam, allein die ordentliche fristgerechte Kündigung entfalte Wirkung.

Die Ablehnung der außerordentlichen Kündigung begründet das BAG mit dem Fehlen eines vorwerfbaren Pflichtenverstoßes. Grundsätzlich setzt eine fristlose Kündigung das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus, der es für den kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen es unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen (§ 626 Abs. 1 BGB). 

Zwar liegt in dem alkoholisierten Ausüben der Tätigkeit eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, vor allem wenn wie hier es Teil der Arbeitsaufgabe ist, Patienten das Bewusstsein zu vermitteln, die Sucht beherrschen zu können, jedoch ist dieses Verhalten aufgrund des krankhaften Zustandes nicht vorwerfbar.

Aus diesem Grund gelten für Kündigungen, so das BAG, die sich auf ein im Zusammenhang mit der Alkoholsucht stehendes Fehlverhalten beziehen, die gleichen Anforderungen wie für krankheitsbedingte Kündigungen.

Eine fristlose Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers scheidet damit aus. Auch kann die fristlose Kündigung nicht auf Gründe in der Person gestützt werden. Ein solcher sei zum einen nicht erkennbar, zum anderen seien keine Tatsachen feststellbar gewesen, die das Einhalten der Kündigungsfrist als unzumutbar erscheinen ließen. 

Der Arbeitgeberin hielt das BAG entgegen, dass sie von Beginn des Arbeitsverhältnisses an von der Alkoholsucht des Arbeitnehmers wusste, mithin das Risiko eines Rückfalls in Kauf genommen hat. Im Übrigen hatte die Arbeitgeberin schon in der Vergangenheit wiederholt Rückfälle des Arbeitnehmers toleriert, allenfalls mit Abmahnungen bedacht.

Die ordentliche Kündigung hingegen ist wirksam, weil die Arbeitgeberin zu Recht den Therapieerfolg ihrer Patienten, wenn diese bemerken, dass ihr eigener Therapeut unter Alkoholeinfluss steht, in Gefahr sieht. Ferner bieten die wiederholten Rückfälle aus der Vergangenheit sowie die gescheiterte stationäre Behandlung keinen Anlass dem Arbeitnehmer eine positive Prognose zu stellen. 

Hieraus folgert das BAG, dass auf Dauer die betrieblichen Interessen der Arbeitgeberin erheblich beeinträchtigt werden, konkret, eine sachgerechte Behandlung der Patienten von dem Arbeitnehmer nicht zu erwarten ist. Weniger von Belang waren dem BAG die künftig zu erwartenden Krankenzeiten. Auch seien regelmäßige Kontrollen der Arbeitgeberin dieser nicht zumutbar.

Praxishinweis

Außergewöhnlich ist die seitens des BAG vorgenommene besondere Gewichtung der Arbeitgeberinteressen, berücksichtigt man das Alter und die nicht unerhebliche Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers. Arbeitgeber werden sich hierauf vor allem in sensiblen Berufsfeldern erfolgreich berufen können.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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