Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

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Wenn ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, muss er sich möglichst frühzeitig melden und das Fehlen dem Arbeitgeber mitteilen sowie im Nachgang durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeit das Fehlen entschuldigen. Ob eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits am ersten Tag oder gegebenenfalls erst später, meist am dritten Tag, vorgelegt werden muss, ist eine Frage der Regelungen im Arbeitsvertrag bzw. einem gegebenenfalls geltenden Tarifvertrag.

Nach der Rechtsprechung wird durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich der Beweis geführt, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorlag.

Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist aber erschüttert, wenn arbeitgeberseits erhebliche Gründe dargelegt werden können, die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen. Können solche Zweifel begründet werden, muss der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit beweisen, was insbesondere durch Zeugenvernehmung behandelnder Ärzte erfolgen kann.

In der Praxis kommt es gelegentlich vor, dass ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis kündigt und dann vom Tag der Kündigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr entschieden, dass in diesem Fall der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist. Der Arbeitnehmer muss daher den vollen Beweis führen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war. Er muss hierzu die Krankheit im Einzelnen vortragen und unter Beweis stellen, regelmäßig durch Zeugnis des behandelnden Arztes.

Im entschiedenen Fall betrug die Kündigungsfrist nur zwei Wochen und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfasste exakt diesen Zeitraum.

Der Praxis wird es aber oft abweichende Konstellationen geben, z.B.

•    der Arbeitnehmer reicht bei längerer Kündigungsfrist zunächst eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über z.B. zwei Wochen ein, die Arbeitsunfähigkeit wird danach durch Folgebescheinigungen (mehrfach) verlängert

  • der Arbeitsunfähigkeit wird nicht exakt bis zum Beendigungszeitpunkt bescheinigt, sondern zeitlich darüber hinaus

Ob der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dann auch erschüttert ist, ist nach der Entscheidung des BAG nicht klar. Es spricht jedoch viel dafür, dass in solchen Fällen der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten bleibt. In dem entschiedenen Fall bestand die Besonderheit, dass die erste und einzige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die Kündigungsfrist identisch waren.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021, 5 AZR 149/21


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