BGH: Keine Pflicht zur Zahlung von Negativzinsen

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Der BGH hat mit Urteil vom 9. Mai 2023 (Az: XI ZR 544/21) nun klargestellt, dass die Zahlung von Negativzinsen dem Wesen eines Darlehensvertrages entgegensteht. Haben Darlehensgeber und Darlehensnehmer eine Vereinbarung getroffen, wonach sich die Zinsen für den Darlehensvertrag nach der Entwicklung eines Referenzzinssatzes richten, kann der Darlehensnehmer vom Darlehensgeber keine Zinsen verlangen, auch wenn der Referenzzins soweit unter null liegt, dass sich unter Berücksichtigung der Marge ein negativer Vertragszins ergeben würde. Der Darlehensnehmer schuldet dann keinen Zins, kann im Gegenzug aber auch keinen Zins vom Darlehensgeber verlangen.



Was war passiert?


Das Land Nordrhein-Westfalen hatte mit der beklagten Bank 2007 einen Vertrag über ein Schuldscheindarlehen abgeschlossen. Dabei ging es um immerhin 100 Mio. Euro. Der Zinssatz sollte sich am 3-Monats-EURIBOR zuzüglich einer Marge von 0,1175 % orientieren, wobei eine Höchstgrenze von 5 % vereinbart war, eine Untergrenze hingegen nicht. 2007, als der Vertrag geschlossen wurde, lag der 3-Monats-EURIBOR noch bei über 4 % und stieg in 2008 sogar zeitweise auf über 5 %, bevor er dann ab 2009 rapide sank und von 2015 an für viele Jahre negativ war. Auch unter Berücksichtigung der Marge, hätte sich ein negativer Vertragszins errechnet. Das Land forderte daher von der Bank die Zahlung von Zinsen.



Wie entschieden die Gerichte?


Das Landgericht Düsseldorf hatte zunächst dem Land Recht gegeben und die Bank zur Zahlung von Negativzinsen verurteilt. Das OLG Düsseldorf hielt diese Auffassung für falsch und wies die Forderungen des Landes auf Negativzinsen zurück. Da die Frage in Rechtsprechung und Literatur bisher umstritten war, wurde die Revision zugelassen.


Wie der aktuellen Pressemitteilung des BGH vom 09.05.2023 nun zu entnehmen ist, hat der BGH die Auffassung des OLG Düsseldorf bestätigt. Danach sei es insbesondere mit dem gesetzlichen Leitbild der Regelungen zum Darlehensvertrag nicht vereinbar, wenn eine Bank, die ein Darlehen gewährt, zur Zahlung von „Negativzinsen“ verpflichtet sei. Dabei legte der BGH zugunsten der Bank zugrunde, dass beide Vertragspartner bei Abschluss des Vertrages entweder nicht davon ausgegangen sind, dass der Zins überhaupt negativ werden könne oder dass sie jedenfalls aufgrund der vertragstypischen Pflichten bei einem Darlehensvertrag angenommen haben, dass nur der Darlehensnehmer zu einer Zinszahlung verpflichtet sein könne, nicht hingegen der Darlehensgeber.  



Hat die Entscheidung Auswirkungen auf andere Fälle?


Inzwischen sind die Zinsen wieder massiv gestiegen. Der 3-Monats-EURIBOR lag zuletzt wieder bei über 3 %. Trotzdem wird nach wie vor darüber gestritten, ob es auch dem gesetzlichen Leitbild widerspricht, für Einlagen oder das Verwahren von Geldbeträgen auf Konten über die allgemeinen Kontoführungsgebühren hinaus ein Verwahrentgelt zahlen zu müssen, was letztlich ein negativer Zins ist.


Für Spareinlagen haben verschiedene Instanzgerichte, so etwa das LG Frankfurt mit Urteil vom 18.11.2022 (Az.: 2-25 O 228/21) entschieden, dass Negativzinsen nicht zulässig sind. Während das OLG Düsseldorf eine Zahlungsverpflichtung der Bank bei einem Darlehen ablehnt, erachtete es die Regelung über die Zahlung eines Verwahrentgeltes für Kontoguthaben als zulässig (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.03.2023, Az.: I-20 U 16/22). Auch dabei stellt sich nämlich die Frage, ob negative Zinsen, egal ob als Verwahrentgelt bezeichnet oder als Negativzins dem gesetzlichen Leitbild entgegenstehen.


Die Entscheidung des BGH zeigt einmal mehr, dass selbst professionelle Marktteilnehmer mit derart massiven Zinsänderungen innerhalb kürzester Zeit nicht gerechnet haben und auch keine Regelungen dazu getroffen haben. Gleiches betrifft inzwischen viele Darlehensnehmer, die hohe Kredite zu günstigen variablen Zinsen aufgenommen haben. Mit einer so massiven Zinssteigerung, wie innerhalb der letzten Monate, haben sie regelmäßig nicht gerechnet. Es fragt sich daher, ob sie mit dieser Argumentation eine Verdopplung der Kreditraten auch verhindern können.


Rechtsanwältin Jana Narloch berät Sie zu Fragen Ihrer Finanzierung und vertritt Darlehensnehmer gegenüber Banken und Sparkassen.


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