BGH: Zum Vertragsrücktritt aufgrund Covid-19 (Az. X ZR 66/21)

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BGH: Zum Vertragsrücktritt aufgrund Covid-19 (Az. X ZR 66/21)

Die Klägerin buchte im Januar 2020 eine Donaukreuzfahrt im Zeitraum vom 22.-29.06.2020 zu einem Gesamtpreis von 1.599,84 Euro. Die Klägerin trat am 07.06.2020 von der Reise zurück und verlangte die Rückzahlung der bereits geleisteten Anzahlung von 319,97 Euro. Die Beklagte berechnete Stornokosten in Höhe von insgesamt 999,89 Euro (85 % des Reisepreises, unter Abzug einer Gutschrift). Die Klägerin bezahlte diesen Betrag nicht. Die Flusskreuzfahrt wurde mit einem angepassten Hygienekonzept und einer verringerten Passagierzahl durchgeführt.

Sowohl das Amtsgericht, als auch das Landgericht sind in den Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt, schon im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung sei aufgrund der erhöhten Ansteckungsgefahr eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise durch die Covid-19-Pandemie als unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB hinreichend wahrscheinlich gewesen.

Die Begründetheit der Klagen hing nach Angaben des Bundesgerichtshofs davon ab, ob die jeweils beklagte Reiseveranstalterin dem Anspruch der jeweiligen Klagepartei auf Rückzahlung des Reisepreises einen Anspruch auf Entschädigung nach § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB entgegenhalten kann. Einen solchen Entschädigungsanspruch sieht das Gesetz für den Fall vor, dass der Reisende vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktritt.

Der Anspruch ist nach § 651h Abs. 3 BGB ausgeschlossen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.
 
Eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB liegt nicht nur dann vor, wenn feststeht, dass die Durchführung der Reise nicht möglich ist oder zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Gesundheit oder sonstiger Rechtsgüter des Reisenden führen würde. Sie kann vielmehr schon dann zu bejahen sein, wenn die Durchführung der Reise aufgrund von außergewöhnlichen Umständen mit erheblichen und nicht zumutbaren Risiken in Bezug auf solche Rechtsgüter verbunden wäre. Die Beurteilung, ob solche Risiken bestehen, erfordert laut der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig eine Prognose aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsreisenden.
 
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist die Covid-19-Pandemie im Reisezeitraum (Sommer 2020) als Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB zu bewerten, der grundsätzlich geeignet war, die Durchführung der Pauschalreise erheblich zu beeinträchtigen. Eine Anwendung von § 651h Abs. 3 BGB ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Covid-19-Pandemie weltweit wirkte und dieselben oder vergleichbare Beeinträchtigungen im vorgesehenen Reisezeitraum auch am Heimatort der Reisenden vorgelegen haben.
 
Das Berufungsgericht ist im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass im Zeitpunkt des Rücktritts eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise aufgrund der Covid-19-Pandemie hinreichend wahrscheinlich war.
 
Das Berufungsgericht hat eine unzumutbare Gesundheitsgefährdung der Klägerin insbesondere wegen der räumlichen Verhältnisse an Bord eines Flusskreuzfahrtschiffs, der nicht bestehenden Impfgelegenheit und der nicht vorhandenen Therapien gegen Covid 19 bejaht. Es hat dabei das Hygienekonzept der Beklagten und den Umstand, dass die im Zeitpunkt des Rücktritts bestehende Reisewarnung befristet war und noch vor Beginn der Reise ablief, berücksichtigt. Zulässigerweise hat es auch auf das Alter der Klägerin Bezug genommen. Dies ist jedenfalls dann möglich, wenn erst solche Umstände, die bei Vertragsschluss noch nicht absehbar waren, und die daraus resultierenden Risiken dazu führen, dass die Reisende zu einer Personengruppe gehört, für die die Reise mit besonderen Gefahren verbunden ist. Nach den Umständen bei Vertragsschluss hätte das Alter der Klägerin einer Teilnahme an der Reise nicht entgegengestanden – erst die Pandemie und die aus ihr folgenden Risiken haben den Charakter der Reise verändert.

Die Revision war daher erfolglos (Urteil des Bundesgerichtshof vom 30.08.2022, X ZR 66/21). Die Ansprüche der Klägerin konnten durchgesetzt werden. Die Beklagte hatte den Reisepreis zurück zu erstatten.

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Jörg Schwede


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