Betriebsschließungsversicherung und COVID-19

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Vor allem Gastwirte und Hotelbetriebe, aber auch andere Gewerbebetriebe haben nicht selten eine Versicherung für verschiedene Ursachen von Umsatzeinbußen abgeschlossen. Hat man rechtzeitig eine Versicherung für den Fall einer Betriebsschließung abgeschlossen, wird eine Haftung durch die Versicherer derzeit überwiegend auf Grund einer Formulierung in den Versicherungsbedingungen abgelehnt.

Ob eine Betriebsschließungsversicherung im Falle von staatlichen Schließungsanordnungen auf Grund der COVID-19-Pandemie greifen, hängt nach den bisher dazu ergangenen Entscheidungen der Gerichte vom Wortlaut des Versicherungsvertrages ab. Die Rechtsprechung ist hier bisher nicht einheitlich und kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen.


I. Vorliegen einer Schließungsanordnung

Die Versicherung greift bei einer Schließungsanordnung oder vergleichbaren Maßnahmen. Hier war im „ersten Lockdown“ im März und April 2020 in der Regel unproblematisch davon auszugehen, dass die Anordnungen der Bundesländer, die eine vorübergehende Schließung von verschiedenen Betrieben mit Publikumsverkehr vorsahen, dem Grunde nach eine Erstattung der Umsatzeinbußen durch die Versicherer verursachen.


II. COVID-19 von Versicherungsvertrag umfasst?

Die Versicherer stellten sich hierbei auf die Ansicht, dass die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erst nach Vertragsschluss in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen wurde und daher nicht vom Versicherungsschutz umfasst sei, welcher durch die aufgezählten Krankheiten in der Vertragsurkunde als abschließend zu betrachten sei.


1. Formulierung der Klausel

Die Formulierungen der Versicherungsverträge orientieren sich in der Regel vorgegebenen allgemeinen Versicherungsbedingungen und enthalten häufig folgende Klausel: „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

Anschließend werden die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Infektionsschutzgesetz aufgeführten Krankheiten benannt. Bei einem Vertragsschluss vor Ausbruch der Corona-Pandemie war das Virus Sars-CoV-2 in den Bedingungen noch nicht aufgezählt.


2. Noch unbekannte Krankheiten umfasst?

Mehrere erstinstanzliche Entscheidungen kommen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen.


a. Ablehnung eines Versicherungsschutzes

Mehrere Landgerichte wiesen Klagen von Gewerbebetrieben ab, so unter anderem das LG Leipzig mit Urteil vom 14.01.2021, das LG Stuttgart mit Urteil vom 30.11.2020 oder das LG Kempten mit Urteil vom 08.12.2020. Mit dem OLG Oldenburg wies am 06.05.2021 ein Oberlandesgericht eine Klage in der Berufungsinstanz mit der nachstehenden Begründung ab, wobei eine Revision zum BGH zugelassen wurde.

Eine Ablehnung der Zahlungsansprüche gegen eine Versicherung wurde in der Regel damit begründet, dass die Aufzählung in den Versicherungsbedingungen abschließend sei. Was namentlich nicht in den Versicherungsbedingungen erwähnt wurde, sei nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Das sei auch nicht als intransparente oder überraschende AGB unwirksam, da die Klausel für beide Parteien klar und eindeutig formuliert sei. Vielmehr habe ein Versicherer ein berechtigtes Interesse an einer Haftungsbegrenzung, da üblicherweise keine vollumfängliche Haftung erwartet werden könne.


b. Anerkennung des Versicherungsschutzes

Zugunsten der Versicherten entschieden unter anderem das LG München I mit Urteil vom 01.10.2020 sowie das LG Düsseldorf mit Urteil vom 19.02.2021.

Die Entscheidungen wurden damit begründet, dass der Wortlaut der Versicherungsbedingungen unklar formuliert sei. Denn das Infektionsschutzgesetz enthält in den §§ 6 und 7 auch Regelungen für Krankheiten, die noch unbekannt sind. Dort werden die bisher bekannten Krankheiten auch „namentlich“ aufgelistet. Daher könne nicht von einer abschließenden Aufzählung ausgegangen werden. Vielmehr hätten die Versicherungsbedingungen ausdrücklich vorsehen müssen, dass die benannten Krankheiten „abschließend“ seien und ein weiterer Versicherungsschutz für nicht aufgelistete Krankheiten nicht bestehe.  Bei der hier verwendeten Klausel sei nicht klar, in welchem Umfang der Versicherungsschutz besteht. Das könne der durchschnittliche Versicherungsnehmer der Formulierung nicht entnehmen.  

Eine unklare Regelung in den Versicherungsbedingungen gehe dann zu Lasten des Verwenders.


III. Berechnung der Entschädigung – staatliche Hilfen zu berücksichtigen

In den Versicherungsverträgen ist häufig eine Tagesentschädigung für einen begrenzten Zeitraum (30 Tage) vereinbart oder eine Bemessung nach Umsätzen aus dem Vorjahr. Dabei greift die Entschädigung nicht für Tage, an denen der Betrieb ohnehin geschlossen gewesen wäre.

Besteht die Möglichkeit, Staatshilfen in Anspruch zu nehmen, kann dies zu einer Reduzierung der Haftungssumme einer Versicherung führen. Denn Umsätze können bereits durch staatliche Hilfen kompensiert werden. Hierbei ist der Wortlaut der Versicherungsbedingungen maßgeblich.


IV. Anwaltliche Beratung 

Auf Grund der Vielzahl an erstinstanzlichen Urteilen, die bei gleich oder ähnlich lautenden Versicherungsbedingungen unterschiedliche Ansichten vertreten, ist hier vieles „im Fluss“. Eine bundeseinheitliche Rechtsprechung des BGH zu diesem Fall gibt es noch nicht.

Daher lohnt sich eine anwaltliche Beratung. Jeder Versicherungsvertrag kann eigene Formulierungen enthalten, bisherige Entscheidungen müssen daher nicht für Ihren Versicherungsvertrag gelten. Ich kann Sie dabei unterstützen, die aus Ihrem Versicherungsvertrag bestehenden Ansprüche gegenüber Ihrer Versicherung zu prüfen und durchzusetzen.

Ich stehe Ihnen telefonisch oder per E-Mail zur Verfügung. Im Rahmen einer Erstberatung erhalten Sie zunächst eine Beurteilung Ihrer rechtlichen Situation. Alles Weitere, insbesondere eine Einleitung von rechtlichen Schritten, können wir dabei ausführlich besprechen. Selbstverständlich vertrete ich Sie auch vor Gericht.

Sie können jederzeit kostenlos mit mir in Kontakt treten. Wann für Sie Kosten entstehen, werde ich Ihnen dabei erklären.



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