Brand an einem PKW wegen technischen Defektes erfüllt das Merkmal "bei dem Betrieb", § 7 Abs. 1 StVG

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Eine Selbstentzündung durch einen technischen Defekt an einem in der Tiefgarage geparkten PKW und ein infolgedessen entstehender Brand, der auf einen anderen PKW  übergreift, erfüllt das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb" i. S. v. § 7 I StVG regelmäßig.

Das LG Karlsruhe hat die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs des § 7 I StVG bejaht. Das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb" ist nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift demnach weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 I StVG umfasst daher alle durch den Kfz-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist (BGH, VersR 2005, 992; NJW-RR 2008, 764, je m. w. N.; stRspr). An einem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will. Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht.

Im vorliegenden Fall kam es am Kfz zu einer Selbstentzündung durch einen technischen Defekt und infolgedessen zu einem Brand, der auf das klägerische Fahrzeug übergriff. In diesem Vorgang hat sich eine vom Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr verwirklicht. Ob die Ursache für die Selbstentzündung dabei tatsächlich im Bereich der Batterie anzusiedeln ist, ist unerheblich. Jedenfalls steht fest, dass die Brandursache in einer technischen Einrichtung im Motorraum des Fahrzeugs liegt und nicht von außen an das Fahrzeug herangetragen wurde. Hiervon abzugrenzen ist die Gefahrverursachung durch Verhalten Dritter, die nicht unter den Schutzzweck von § 7 I StVG fällt.

Unter normativer Betrachtung des weiten Schutzzwecks der Norm greift § 7 I StVG nach Ansicht des LG erst dann nicht mehr ein, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs keine Rolle mehr spielt (so auch OLG Düsseldorf, NZV 2011, 195, 196). Dies sei beispielsweise der Fall, wenn es zu Inspektionszwecken aus dem allgemeinen Verkehr entfernt und in eine Werkstatt eingestellt wurde (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 2011, 190, 192). Demgegenüber kann nach Auffassung des Gerichts der ursächliche Zusammenhang von Schadensereignis und Betrieb des Kfz nicht auf den Zeitraum zwischen Beginn und Ende einer Fahrt mit dem Kfz begrenzt werden (so aber LG Coburg, Urteil v. 27.01.2010 - 21 O 195/09, wiedergegeben bei [...]). Der weite Schutzzweck des § 7 I StVG ist sozusagen der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz - erlaubterweise - eine Gefahrenquelle eröffnet wird (BGH, a.a.O.; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 7 StVG, Rn. 1). Die Besonderheit eines Kfz, für andere Verkehrsteilnehmer eine spezifische Gefahr darstellen zu können, besteht nicht nur, solange es fortbewegt wird. Spezifische Gefahren können auch - wenn auch weitaus seltener - aus den für die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs erforderlichen Betriebseinrichtungen erwachsen. Dies gilt auch nach Abstellen des Kfz (ähnlich OLG Düsseldorf, NZV 2011, 195, 196; Grüneberg, NZV 2001, 109, 111 f.).

Schließlich stehe der Haftung aus § 7 I StVG auch nicht entgegen, dass sich der Brand in der privaten Tiefgarage eines Mehrparteienanwesens ereignet hat. Aus dem Wortlaut des § 7 I StVG ergäben sich keine Einschränkung auf Vorfälle im Rahmen des allgemeinen öffentlichen Verkehrs (OLG Düsseldorf, NZV 2011, 195, 196). Angesichts des oft regen Kraftfahrzeugverkehrs auch auf solchem Privatgelände und des damit einhergehenden Gefährdungspotentials erscheine eine Ausnahme von der Gefährdungshaftung nicht gerechtfertigt (König, in: Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 7 StVG, Rn. 5a; Grüneberg, NZV 2001, 109, 110).

Das OLG hat die Revision zugelassen, da es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung i. S. v. § 543 II 1 Nr. 1 ZPO handele. Voraussetzung hierfür ist, dass eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Heßler, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 29. Aufl. 2012, § 543 ZPO, Rn. 11 m. w. N.). Dass sich bei abgestellten Fahrzeugen auch noch nach einiger Zeit eine spezifische Betriebsgefahr verwirklicht, ist - wie bereits die veröffentlichte Rechtsprechung zeigt - kein Einzelfall und kann zu erheblichen Sachschäden führen.

(LG Karlsruhe, Urteil vom 28.5.2013 - 9 S 319/12)



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