Genehmigungsfiktion jetzt auch für Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen

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Zum Jahreswechsel treten häufig zahlreiche Gesetzesänderungen und neue Gesetze in Kraft. So auch in diesem Jahr. Zum 01.01.2018 wurde unter anderem das SGB IX (Gesetz zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) geändert.

Gem. dem neuen § 18 Abs. 1 SGB IX müssen die Rehabilitationsträger nunmehr innerhalb von 2 Monaten über Anträge auf Leistungen zur Teilhabe entscheiden. „Leistungen zur Teilhabe” ist der Oberbegriff für verschiedene Sozialleistungen, die behinderte Menschen erhalten, damit sie möglichst selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben können und Benachteiligungen verringert werden. Nur unter den strengen Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 S. 2 SGB IX kann die Bearbeitungsfrist verlängert werden. Für den Fall, dass die Bearbeitungsfrist nicht eingehalten wurde, enthält § 18 Abs. 3 SGB IX jetzt eine Genehmigungsfiktion. Genehmigungsfiktion bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sofern nicht innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist über die beantragte Leistung entschieden wird, diese allein wegen des Fristablaufs als genehmigt gilt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte eine als genehmigt geltende Leistung im Anschluss selbst, ist der Rehabilitationsträger zur Erstattung der Aufwendungen für selbstbeschaffte Leistungen verpflichtet. Eine weitere inhaltliche Prüfung findet grds. nicht mehr statt. Zweck von Genehmigungsfiktionen ist, eine Verfahrensbeschleunigung herbeizuführen.

Bereits im Jahr 2013 hatte der Gesetzgeber eine Genehmigungsfiktion in das SGB V (Recht der gesetzlichen Krankenversicherung) eingeführt. Gem. § 13 IIIa SGB V müssen seither die gesetzlichen Krankenkassen innerhalb von 3 Wochen über Leistungsanträge ihrer Versicherten entscheiden. Erfolgt innerhalb von 3 Wochen nach Antragseingang eine Mitteilung, dass ein Gutachten benötigt wird, verlängert sich die Bearbeitungsfrist auf 5 Wochen. Entscheidet die Krankenkasse nicht fristgemäß, so gilt auch hier die beantragte Leistung als bewilligt.

Aktuelle Ergänzung (19.06.2020)

Das Bundessozialgericht hat zwischenzeitlich (zum Nachteil für viele Versicherte) entschieden, dass sich aus dem § 13 Abs 3a SGB V kein eigener Sachleistungsanspruch sondern nur ein Kostenerstattungsanspruch ableiten lässt. Vereinfacht gesagt können von der Genehmigungsfiktion zukünftig nur Versicherte profitieren, die sich nach Ablauf der Entscheidugsfristen die begehrte Leistung (z.B. das Hilfsmittel, die ärztliche Behandlung oder die Reha-Maßnahme) selbst beschaffen.

Fazit:

Die Rehabilitationsträger müssen folglich in Zukunft ebenso wie die gesetzlichen Krankenkassen zeitnah über Leistungsanträge entscheiden. Erfolgt keine fristgemäße Entscheidung, sind sie zu einer Kostenerstattung verpflichtet.

Hinweis:

Verweigern gesetzliche Krankenkassen oder Rehabilitationsträger trotz eingetretener Genehmigungsfiktion die Kostenerstattung, kann der/die Versicherte bzw. der/die Leistungsberechtigte seinen/ihren Anspruch direkt beim zuständigen Sozialgericht einklagen, ohne zuvor ein Widerspruchverfahren durchlaufen zu müssen.

Tipp:

Da die gesetzlichen Fristen unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden können, sollten Betroffene bei Unsicherheit anwaltlichen Rat einholen um zu überprüfen, ob bei ihrem Leistungsantrag die geltenden Fristen eingehalten worden sind.


Julian Jakobsmeier

Rechtsanwalt und 

Fachanwalt für Medizinrecht


(Der Autor ist in den Bereichen des Arzthaftungsrechts sowie des Schwerbehindertenrechts bundesweit tätig)



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