Commercial Court in Deutschland

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Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg zum 1. November 2020 einen Commercial Court mit Standorten in Stuttgart und Mannheim eingerichtet (commercial-court.de). Damit soll erreicht werden, dass große Wirtschaftsstreitigkeiten wieder häufiger vor staatlichen Zivilgerichten in Deutschland ausgetragen werden.

Die ordentliche Gerichtsbarkeit in Deutschland sieht sich starker Konkurrenz durch schiedsgerichtliche Verfahren besonders im Ausland ausgesetzt. So gehen die Fallzahlen vor den Kammern für Handelssachen signifikant zurück. Die Parteien vor den Schiedsgerichten in London oder Singapur kommen oft aus Deutschland, verhandeln aber trotzdem im Ausland auf Englisch. Auch die sehr gute Ausstattung dieser Gerichte lockt die Parteien. Der Commercial Court soll nicht zuletzt mit moderaten Gerichtsgebühren locken wie der Kappungsgrenze für Gerichtsgebühren bei einem Streitwert von 30 Millionen €. Die Kosten für ein Verfahren vor dem English Commercial Court sollen bis zum 8-fachen eines Verfahrens in Deutschland betragen.

Der Commercial Court soll komplexe Wirtschaftsstreitigkeiten behandeln und eine besonders effiziente Form der Verfahrensführung unter Einsatz moderner Kommunikationsmittel gewährleisten. Darüber hinaus wird die Möglichkeit bestehen, das Verfahren in weiten Teilen auf Englisch zu führen, sodass auch ein internationaler Sachbezug des Rechtsstreits im Verfahren leichter gehandhabt werden kann. Ziel ist es, Konzerne und Unternehmen dazu zu bringen, große Wirtschaftsstreitigkeiten wieder häufiger vor staatlichen Zivilgerichten auszutragen.

Sowohl der Stuttgart Commercial Court als auch der Mannheim Commercial Court sollen mit hervorragend qualifizierten und erfahrenen Richtern mit ausgezeichneten Kenntnissen im Wirtschaftsrecht besetzt sein. Alle Richter sind in der Lage, die Verhandlung auf Englisch zu führen. Englischsprachige Dokumente, die Gegenstand des Rechtsstreits sind, können in den Prozess einbezogen werden. Damit werden insbesondere umfangreiche Übersetzungen von Vertragsdokumenten sowie zwischengeschaltete Dolmetschende entbehrlich. Die Kammern sind personell so ausgestattet, dass Verfahren regelmäßig in Dreierbesetzung verhandelt und entschieden werden können. Möglich ist die Durchführung eines frühzeitigen Organisationstermins zur Strukturierung der weiteren Verfahrensführung (case management conference). Komplexe Verfahren können so – bei Bedarf auch per Videokonferenz – vorbesprochen und der Verfahrensstoff abgeschichtet werden.

Der Stuttgart Commercial Court und der Mannheim Commercial Court können zudem kurzfristige, erforderlichenfalls auch mehrtägige Verhandlungen und Beweisaufnahmen am Stück anbieten.

Damit eine Streitigkeit vom Commercial Court entschieden werden kann, muss zunächst das Landgericht örtlich und sachlich zuständig sein. Bei vertraglichen Streitigkeiten ergibt sich die Zuständigkeit oft aus einer Gerichtsstandsvereinbarung.

Ob innerhalb des Landgerichts eine Streitigkeit dem Commercial Court oder einer regulären Kammer zugeteilt wird, bestimmt sich nach dem Geschäftsverteilungsplan der Gerichte. Insoweit ist keine Gerichtsstandsvereinbarung möglich. Streitigkeiten im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten einschließlich Organhaftung, Streitigkeiten zwischen einer Gesellschaft und einem ihrer Organe aus einem Anstellungsverhältnis sowie Streitigkeiten aus beiderseitigen Handelsgeschäften fallen danach in die Zuständigkeit des Commercial Courts. Der Mannheim Commercial Court entscheidet zusätzlich auch über Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften. In Mannheim setzt die Zuständigkeit des Commercial Courts außerdem voraus, dass der Streitwert bei Klageerhebung mindestens 2 Mio. € beträgt. Für den Stuttgart Commercial Court gilt dieser Mindeststreitwert lediglich für Klagen aus Handelsgeschäften.

Die Parteien können den Ausschluss von Rechtsmitteln gegen eine Entscheidung des Commercial Court vereinbaren. Sollte vom Instanzenzug Gebrauch gemacht werden, stehen spezialisierte Senate an den Oberlandesgerichten Stuttgart (20. Zivilsenat) und Karlsruhe zur Überprüfung der Entscheidung zur Verfügung.

Der Stuttgart Commercial Court, der organisatorisch Teil des Landgerichts Stuttgart ist, wird in neue Räumlichkeiten im sogenannten Campus Fasanenhof ziehen, wo eine verkehrsgünstige Anbindung in unmittelbarer Flughafennähe gewährleistet ist. Das Landgericht Mannheim, an dem der zweite Standort des Commercial Courts angegliedert ist, empfahl sich aufgrund seines hervorragenden Rufs im Patentrecht und der Erfahrung in internationalen Verfahren beispielsweise mit Parteien wie Apple und Samsung, die das Landgericht Mannheim bereits mehrfach zur Entscheidung ihrer Patentstreitigkeiten angerufen haben.



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