Corona-Impfung: Vorrang auch für Krebspatienten und Menschen mit schwerer Behinderung

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Impfanspruch auch für Menschen mit schwerer Behinderung 

Krebspatienten und sonstige stark gefährdete Menschen mit schwerer Behinderung haben einen Anspruch auf sofortige Corona-Impfung.

Die von der ständigen Impfkommission vorgeschlagene und in die Coronaschutzverordnung übernommene Impfreihenfolge ist teilweise rechtswidrig, da sie zu starr auf das Alter abstellt und so besonders schutzwürdige Gruppen wie Krebspatienten und andere Menschen mit schwerer Behinderung von einer vorrangigen Impfung ausschließt. Dies entschied das Verwaltungsgericht Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 29. Januar 2021, Az. 5 L 182/21.F Rz. 11 ff. juris, sowie das Verwaltungsgericht Hamburg Az. 3 E 7/21 über das die Neue Juristische Wochenschrift, aktuell 5/2021 S. 15 berichtet. Die Rechtswidrigkeit der Impfreihenfolge wird auch durch eine Stellungnahme von Professor Dr. Thorsten Kingreen zur Coronaschutzverordnung festgestellt, welche dieser für den Deutschen Bundestag erstellte.

Schafft die neue Impfverordnung vom 08.02.2021 Abhilfe?

Auch in der neuen Coronavirus-Impfverordnung vom 08.02.2021 sind Krebspatienten und andere Menschen mit schwerer Behinderung nur in der Gruppe 2. Danach haben sie derzeit keinen Anspruch auf Impfung. Impfberechtigt sind im Moment nur Menschen der Gruppe 1.

In welchen Fällen verschafften die Gerichte Menschen mit schwerer Behinderung einen Vorrang?

Der vom Verwaltungsgericht Frankfurt entschiedene Fall betraf einen jungen Mann, der aufgrund einer hohen Querschnittslähmung ohnehin ein geringes Lungenvolumen hat und dessen Leben so stark gefährdet wäre, würde er an Covid 19 erkranken. Das Verwaltungsgericht Hamburg kam zu seiner Auffassung in dem Fall eines Krebspatienten.

Warum ist die Impfverordnung rechtswidrig?

Nach Auffassung der Verwaltungsgerichte Hamburg und Frankfurt am Main verfehlt das starre Abstellen auf das Alter bei der Impfreihenfolge gegen den Zweck der gesetzlichen Regelung in § 20i Abs. 3 Nr. 1a Sozialgesetzbuch V (SGB V). Der Coronaschutzverordnung fehle es an einer Härtefallregelung für jüngere Menschen, deren Leben bei einer Covid 19 Erkrankung ebenfalls stark gefährdet wäre.

Woraus leitet sich der Anspruch auf Impfung ab?

Um das gewünschte Ziel zu erreichen legten die Verwaltungsgerichte Hamburg und Frankfurt am Main den § 1 Abs. 2 Corona Schutzverordnung verfassungsgemäß aus. Diese Vorschrift ist nun die Rechtsgrundlage für eine vorzeitige Coronaimpfung für stark gefährdete jüngere Menschen.

Dies formulierte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main im Beschluss vom 29. Januar 2021, Az. 5 L 182/21.F Rz. 16 juris wie folgt:

b. Die offenkundigen Defizite der Coronavirus-Impfverordnung sind indes durch eine verfassungskonforme Handhabung auszugleichen. Anknüpfungspunkte hierfür bestehen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 CoronaImpfV „sollen“ die Länder den vorhandenen Impfstoff in der Reihenfolge der Anspruchsberechtigung nach den §§ 2 bis 4 CoronaImpfV, sodann an alle übrigen Anspruchsberechtigten, nutzen. Bei Soll-Vorschriften wird für den Regelfall eine Bindung vorgesehen. Aus wichtigem Grund oder in atypischen Fällen kann die Behörde jedoch nach insoweit eröffnetem Ermessen von der für den Normalfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichen (Stelkens/Bonk/Sachs/ Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 40 Rn. 26). Hierüber wird der Antragsgegnerin eröffnet, für den besonderen Fall des Antragstellers eine eigenständige Einordnung zu treffen. Gelangte sie im Hinblick auf den attestierten Befund des Antragstellers und einem insoweit offenen Verständnis der Coronavirus-Impfverordnung zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller höchste Priorität genieße, so wäre die Folge daraus, dass die Antragsgegnerin aufgrund pflichtgemäßen Ermessens nach § 1 Abs. 2 Satz 2 CoronaImpfV innerhalb dieser Gruppe auf Grundlage der jeweils vorliegenden infektiologischen Erkenntnisse, der jeweils aktuellen Empfehlung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut und der epidemiologischen Situation vor Ort bestimmte Anspruchsberechtigte vorrangig berücksichtigt kann.

Was muss ich tun, um vorrangig geimpft zu werden?

Stellen Sie einen Antrag bei dem für Sie zuständigen Gesundheitsamt und einen weiteren Antrag bei ihrer Landesregierung. Leider sind auch hier die Zuständigkeiten noch nicht eindeutig geklärt, so dass zwei Anträge zu stellen sind. Begründen Sie kurz, warum sie besonders vom Coronavirus gefährdet sind und fügen Sie entsprechende Belege bei.

Was kann ich tun bei einer Ablehnung oder Nichtbearbeitung?

In beiden Fällen haben Sie die Möglichkeit Eilrechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu erlangen.


Kontaktieren Sie mich, Rechtsanwalt Markus Karpinski, Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Sozialrecht von der Kanzlei für Pflegerecht in Lüdinghausen unter 0 25 91 – 20 88 58 und Dortmund unter  02 31 - 22 25 568 .


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