Corona und Arbeitsrecht – Antworten auf die wichtigsten Fragen

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Pflichten des Arbeitgebers

Die Fürsorgepflicht den Angestellten gegenüber (§ 618 BGB) bedeutet, dass der Arbeitgeber dafür Sorge tragen muss, dass die Angestellten bei der Arbeit nicht zu Schaden kommen. Dazu gehört im Hinblick auf das Coronavirus die Aufklärung über Erkrankungsrisiken sowie die Vornahme von ausreichenden Hygienemaßnahmen.

Darf ich aus Furcht ins Home-Office?

Nur wenn ein echte Gefährdung vorliegt, darf ein Arbeitnehmer der Arbeit fernbleiben. Denn einen gesetzlichen Anspruch auf die Arbeit von zu Hause gibt es nicht. Allerdings kann der Arbeitgeber Home-Office anordnen, wenn es eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag gibt oder dies aus anderen Gründen geboten erscheint.

Gibt es Sonderregeln für Arbeitnehmer, die zu einer Risiko-Gruppe gehören?

Derzeit gelten für alle Arbeitnehmer dieselben arbeitsrechtlichen Regelungen. Bleiben Sie eigenmächtig zu Hause, muss von einer Arbeitsverweigerung ausgegangen werden. 

Jedoch wird der Arbeitgeber im Regelfall gar kein Interesse daran haben, einen Arbeitnehmer einem erhöhten Risiko auszusetzen und wird zudem die Risiken für die anderen Arbeitnehmer minimieren wollen. In der Regel wird ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitgeber die beste Lösung sein. 

Darf ich zuhause bleiben, wenn Kindergärten oder Schulen geschlossen sind?

Für eine kurze Zeitspanne ist das möglich nach § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“ Allerdings kann dieses Recht durch den Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden.

Was genau eine „nicht erhebliche Zeit“ ist, regelt das Gesetz nicht. Betroffene müssen in jedem Fall ihren Arbeitgeber umgehend informieren, wenn die Schule oder die Tagesstätte geschlossen werden und das Auswirkungen auf ihre Anwesenheit im Betrieb hat. 

Greift § 616 BGB, ist der Arbeitgeber weiterhin zur Zahlung von Lohn verpflichtet. Arbeitnehmer sollten aber dringend einen Blick in ihren Arbeitsvertrag werfen: Die Entgeltfortzahlung kann vertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt sein.

Darüber hinaus kann auch in einem Gespräch mit dem Arbeitgeber erörtert werden, ob Home-Office oder der Abbau von Überstunden in Betracht kommt. Gänzlich unentschuldigtes Fehlen kann zu Abmahnung und Kündigung führen.

Sind die Kinder tatsächlich mit dem Coronavirus infiziert, stehen Eltern bei voller Lohn- und Gehaltszahlung Kinderkrankentage zu. Alleinerziehenden stehen 20 Kinderkrankentage pro Jahr und pro Kind zu. Eltern, die gemeinsam für die Kinder sorgen, jeweils 10 Tage. 

Als Obergrenze können 25 Tage genommen werden. Dies gilt aber nur, wenn das Kind auf Betreuung angewiesen ist: Laut Gesetz trifft dies auf Kinder im Alter von unter 12 Jahren zu. Gesetzlich Versicherte haben in diesem Fall Anspruch auf Kinderkrankengeld. Hierfür kommt die Krankenkasse auf.

Dürfen Arbeitgeber Überstunden anordnen?

Dies hängt von den konkret existierenden Vereinbarungen ab. Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer nur dann ihre regelmäßige Arbeitszeit überschreiten, wenn sich dies aus einer Vereinbarung oder einem Vertrag herleitet. 

Durch das Coronavirus kann sich jedoch unter Umständen eine besondere Situation ergeben: Arbeitnehmer sind auch dann zur Leistung von Überstunden verpflichtet, wenn hierdurch ein Schaden abgewendet werden kann, der dem Unternehmen droht. Bei Personalengpässen durch Erkrankungen oder verlängerte Öffnungszeiten kann dies, gerade bei kleineren Betrieben, aktuell der Fall sein.

Auch hier sollte ein Gespräch mit den Vorgesetzten gesucht werden, um eine akzeptable Lösung zu finden – gerade auch im Hinblick auf eine fällige Mehrvergütung.

Zwangsurlaub oder Kurzarbeit möglich?

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber seine Mitarbeiter von der Arbeit freistellen – er kann aber nicht verlangen, dass Arbeitnehmer dafür ihren Urlaub nehmen. Juristisch ist der Arbeitgeber, wenn er ohne behördliche Anordnung den Betrieb schließt, im sogenannten Annahmeverzug. 

Vereinfacht gesagt, bedeutet das: Der Arbeitnehmer würde und könnte arbeiten, aber der Arbeitgeber nimmt die Arbeitsleistung nicht entgegen. Das kann er nicht dem Arbeitnehmer anlasten.

Konkret heißt das: Der Chef kann seine Mitarbeiter zwar nach Hause schicken, wenn er Angst vor Ansteckung hat, muss dann aber Löhne und Gehälter weiter zahlen. Er kann nicht verlangen, dass die Mitarbeiter Urlaub nehmen oder Überstunden abbummeln.

Kurzarbeit: die wichtigsten Infos 

Betriebe, die wegen der Corona-Epidemie mit massivem Auftragseinbrüchen zu kämpfen haben, können derzeit auch Kurzarbeit anordnen. In diesem Fall werden die Arbeitszeiten maßgeblich verringert. 

Betroffene Betriebe, die die Arbeitszeit wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie reduzieren, müssen diese Kurzarbeit der Agentur für Arbeit melden. Gibt die grünes Licht, erhalten die Mitarbeiter von der Arbeitsagentur Kurzarbeitergeld.

Wegen der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung nun einige Erleichterungen bei der Beantragung und dem Bezug von Kurzarbeitergeld beschlossen:

  • Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, wenn mindestens 10 % der Beschäftigten einen Lohnausfall von mindestens 10 % haben.
  • Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallenen Arbeitsstunden werden dem Arbeitgeber von der Arbeitsagentur voll erstattet.
  • Auch Leiharbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld und können in Kurzarbeit gehen.
  • Die Kurzarbeit muss nicht als Minusstunden im Arbeitszeitkonto verbucht werden (für den Fall, dass eine entsprechende tarifvertragliche Regelung existiert).

Kann ein Arbeitgeber einseitig Kurzarbeit anordnen?

Nein. Arbeitgeber können Kurzarbeit nur dann anordnen, wenn es dafür eine vertragliche Grundlage gibt. In vielen Branchen gibt es Tarifverträge, die entsprechende Vorgaben enthalten. Ist das nicht der Fall, kommt es darauf an, ob es in den betroffenen Betrieb einen Betriebsrat gibt oder nicht. 

Existiert ein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber mit diesem eine Betriebsvereinbarung zu Kurzarbeit aushandeln. Gibt es keinen, muss die Kurzarbeit direkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandelt – und zum Beispiel im Arbeitsvertrag festgelegt – werden. 

Arbeitnehmer sind aber nicht verpflichtet, der Kurzarbeit zuzustimmen. Der Arbeitgeber darf nicht kündigen, weil sie die Kurzarbeit ablehnen. Gibt es aber für den Arbeitnehmer nicht mehr genug Arbeit, kann eine betriebsbedingte Kündigung drohen, wenn Kurzarbeit keine Option ist.

Kann jeder Arbeitnehmer in Kurzarbeit gehen?

Nein. Wer nicht in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, kann auch nicht in Kurzarbeit gehen. Das betrifft zum Beispiel geringfügig Beschäftigte oder Rentner, die sich nebenher etwas dazu verdienen. Außerdem kann nicht in Kurzarbeit gehen:

  • wer bereits gekündigt hat/wurde oder einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hat und nur noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist arbeitet.
  • wer aktuell Krankengeld bezieht.
  • wer Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung bezieht.

Wer kann Kurzarbeit beantragen?

Betriebe, die Kurzarbeit einführen wollen, müssen das bei der zuständigen Agentur für Arbeit beantragen. Das geht auch online. Dafür muss das Unternehmen im ersten Schritt die Kurzarbeit anzeigen, im zweiten Schritt Kurzarbeitergeld beantragen. Informationen dazu und die Zugangsdaten zum ePortal bekommen Unternehmer vom Arbeitgeberservice ihrer zuständigen Arbeitsagentur.

Erst wenn die Arbeitsagentur den Antrag geprüft und bewilligt hat, wird sie auch Kurzarbeitergeld auszahlen. Schickt der Unternehmer seine Mitarbeiter ohne diese Zusage in Kurzarbeit, bleibt er auf den Mehrkosten unter Umständen sitzen.

Damit Kurzarbeit bewilligt wird, müssen ein unabwendbares Ereignis oder wirtschaftliche Gründe dafür verantwortlich sein, dass weniger Arbeit anfällt/erledigt werden kann. Darunter fallen zum Beispiel anhaltenden Lieferschwierigkeiten oder Wetterbedingungen, die die Arbeit unmöglich machen. 

Aber auch die Corona-Pandemie und ihre Folgen fallen unter diese Voraussetzung. Auch die Schließung von Unternehmen durch behördliche Anordnung rechtfertigt laut Bundesarbeitsagentur die Anmeldung von Kurzarbeit!

Wie hoch fällt das Kurzarbeitergeld aus?

Kurzarbeitergeld wird ähnlich wie Arbeitslosengeld berechnet und gezahlt. Betroffene erhalten also zwischen 60 (ohne Kinder) und 67 % (mit Kindern) ihres regulären Gehalts. Dabei kann Kurzarbeitergeld für maximal 12 Monate bezogen werden.

Kündigung wegen Umsatzeinbrüchen durch Corona?

Das kommt unter anderem darauf an, in welchem Unternehmen der Mitarbeiter angestellt ist und wie lange das Beschäftigungsverhältnis schon dauert. Innerhalb der ersten sechs Monate und in Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern greift der gesetzliche Kündigungsschutz nicht. 

Hier kann ohne Angabe von Gründen jederzeit gekündigt werden. Allerdings: Ist der Mitarbeiter länger als sechs Monate beschäftigt, müssen sich auch Kleinbetriebe an die gesetzliche Kündigungsfrist halten.

In Unternehmen mit mehr als 10 Festangestellten greift nach den ersten sechs Monaten das Kündigungsschutzgesetz. Dann kann der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung nur noch wirksam aussprechen, wenn betriebsbedingte, personen- oder verhaltensbedingte Gründe vorliegen.

Es ist möglich, dass Unternehmen den Auftragseinbruch durch die Corona-Pandemie als betriebsbedingten Grund deklarieren. Ob das allerdings rechtlich wirksam ist, muss in einem solchen Fall das zuständige Arbeitsgericht entscheiden. Betroffene Arbeitnehmer sollten dafür unbedingt Kündigungsschutzklage erheben. Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen eingereicht werden.

Unabhängig vom Ausgang der Klage müssen sich Arbeitnehmer, die gekündigt werden, unmittelbar nach Zugang der Kündigung auch bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend melden. Aktuell sollte diese Meldung online oder per Brief erfolgen. Persönliche Termine vergeben die Arbeitsagenturen nicht mehr.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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